Trauermonat November: Wenn Friedhofspflanzen beginnen zu sprechen

Das Wissen um Pflanzensymbolik auf Friedhöfen ist heute nahezu verschwunden. Gute Friedhofgärtner nutzen jedoch bewusst solche Kenntnisse um Hinterbliebenen zu helfen, ihre Trauer zu verarbeiten. Manch einer kann mit der Symbolik der Pflanzen und den Eigenschaften der Verstorbenen ganze Bilder auf Gräber zeichnen. Wer es zulässt, kann durch solche Symbole zusätzlich Trost finden.

Die Friedhofsverwaltung Eisenach ist sich ihrer Verantwortung für das historische Erbe bewusst. Die Symbolik der Pflanzen gehört für den Eisenacher Friedhof dabei untrennbar dazu. Gleichzeitig geht es nicht nur um Denkmalpflege und die Erhaltung von Kapelle und historischen Grabmalen als materielle Ressource allein. Die Friedhofskultur wurde im März 2020 durch die deutsche UNESCO-Kommission zum immateriellen Kulturerbe erklärt.

Neues Grabfeld mit Bänken
Auf dem Eisenacher Hauptfriedhof ist ein neues Grabfeld zu finden. Es zeigt ein Wegekreuz mit einem Rondell in der Mitte, versehen mit vier Bänken. Es soll ein Ort sein, der Gelegenheit bietet, in einer schweren Phase des Lebens einen Teil der Trauer auch gemeinsam zu verarbeiten. Wenn Trauernde sich treffen, können sie sich gegenseitig Halt geben – so der Gedanke der Friedhofsverwaltung hinter der Gestaltung des Feldes.

Die Wegebeziehung hat offensichtlich eine christliche Symbolsprache, die jedoch nicht auferlegt werden soll. Auch die Bepflanzung selbst orientiert sich daran. Die Rosen stehen für Liebe – soweit ist die Botschaft klar. Die Unterpflanzung mit Golderdbeere (Waldsteinia) allerdings gibt Rätsel auf. Sie steht mit ihrem dreigeteilten Blatt für die Dreifaltigkeit: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist und damit für die Auferstehung der Toten. Im Wegekreuz symbolisieren die Rosen durch ihre Dornen neben der Liebe auch die Wundmale Christi.

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Bewusster Bezug zur Gründerzeit
Kaum jemand weiß heute jedoch noch, was Pflanzen erzählen. Während der Gründerzeit und im Jugendstil hatte dieses Thema einen hohen Stellenwert. Die Friedhofsverwaltung Eisenach versucht diesen Schatz zu heben und bewusst in die Gestaltung einfließen zu lassen. Steht doch der Eisenacher Friedhof wie kein anderer in Westthüringen für die Gründerzeit. So symbolisiert Efeu, der sich auf vielen alten Gräbern findet, die eheliche Treue – denn was Efeu einmal umschlingt, lässt er nie wieder los.

Eine der beliebtesten Friedhofspflanzen, der Buchsbaum, steht durch seine immergrünen Blätter für das ewige Leben im Paradies. Gleichzeitig versinnbildlicht er die Liebe, denn die Pfeile Amors sollen aus Buchs geschnitzt gewesen sein. Ist der Buchsbaum zur Kugel geschnitten, bedeutet das unendliche Liebe, da die Kugel keinen Anfang und kein Ende besitzt. Als ebenfalls immergrüne Pflanze verkörpert die Eibe das ewige Leben einerseits, durch ihre giftigen Früchte andererseits auch den Tod.

Die Linde stand in der Vergangenheit für Weisheit, beispielsweise in Form der Gerichtslinde in Dörfern und Gemeinden. Ihr verdankt die Stadt Leipzig ihren Namen: das wendische „lipa“ bedeutet der „Ort, wo die Linden wachsen“. Der Hauptbaum des Leipziger Südfriedhofes ist folgerichtig die Linde und von oben betrachtet ergibt der Grundriss der historischen Wege auf dem Friedhof die Form eines herzförmigen Lindenblattes.

Pflanzen als Symbole spenden Trost
Die Primel ist eine der beliebtesten Grabpflanzen im Frühjahr. Ihre nahe Verwandte, die Schlüsselblume, heißt auch „Himmelsschlüssel“ und öffnet symbolisch das Tor zum Paradies. Das Laub des Frauenmantels hat einen sogenannten „Lotoseffekt“. Beim Gießen oder nach Regenschauern perlt das Wasser förmlich ab und symbolisiert somit die Tränen der Trauer.

Tatsächlich gibt es Pflanzen, die von Sinnlichkeit und Erotik erzählen – sogar auf Friedhöfen. Auf Jugendstilfriedhöfen stößt man in älterem Gehölzbestand häufig auf die Walderdbeere. Sie steht, wie ihre Verwandte die Golderdbeere, mit dem dreigeteilten Blatt für den Glauben, die Dreifaltigkeit. Die Frucht allerdings steht für körperliche Leidenschaft. Als heute verwilderter Bodendecker früherer Gräber war sie in Gründerzeit und Jugendstil sehr beliebt. In einer prüden Zeit, als über körperliche Liebe nicht offen gesprochen wurde, musste das Thema offenbar in Symbole verpackt werden.

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