Afghanische Frauenrechtlerin Zarifa Ghafari erhält Preis „Das unerschrockene Wort“ der Lutherstädte

Die afghanische Frauenrechtlerin und ehemalige Bürgermeisterin Zarifa Ghafari erhält den Preis „Das unerschrockene Wort“ des Bundes der 16 Lutherstädte. Das entschied die Jury bereits am 12. November in Schmalkaden. Die Preisverleihung wird am 15. April 2023 ebenfalls in Schmalkalden stattfinden.

Das kommunalpolitische Engagement dieser jungen Frau beeindruckt mich zutiefst. Sich gegen alle Widerstände und unter massiver Bedrohung der Familie und des eigenen Lebens für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte einzusetzen, erfordert großen Mut, Hingabe und eine überaus große Überzeugung. Umso bitterer ist es, dass Zarifa Ghafari mitansehen musste, wie alles von ihr Erreichte von den Taliban vernichtet worden ist, würdigt Oberbürgermeisterin Katja Wolf, ebenfalls Jurymitglied, die Preisträgerin.

Zarifa Ghafari, 1992 in Kabul geboren, amtierte von 2018 bis 2021 als erste weibliche Bürgermeisterin in der Provinz Maidan Wardak. Ein Amtsantritt war zunächst nicht möglich, ein Mob verbarrikadierte ihren Amtssitz. Erst im Frühjahr 2019 konnte sie als Bürgermeisterin vereidigt werden, aus Sicherheitsgründen lebte sie nicht in der von ihr regierten Stadt, sondern in der Hauptstadt. Sie setzte sich für den Schutz und die Rechte afghanischer Frauen ein, teilte öffentliche Informationen und Wissen zwischen dem Staat und dem Volk. Sie investierte in den Mediensektor und gründete mit PEGHAL FM-Radio in Maidan Wardak einen Radiosender. Als Bürgermeisterin eröffnete sie einen Markt nur für Frauen in Maidan Shahr, schuf so Arbeitsplätze für Frauen. Nicht einmal drei Jahre blieben ihr für diese Aufbauarbeit vergönnt. Nach der Machtergreifung der Taliban im Sommer 2021 konnte Ghafari in letzte Minute mit ihrer Familie nach Deutschland fliehen.

Ein Argument der Jury, die sich aus den Oberbürgermeister*innen und Bürgermeister*innen der Lutherstädte zusammensetzt, war zudem, dass sich Zarifa Ghafari unter für Deutschland unvorstellbaren Bedingungen für ihren Ort einsetzte. Auch hierzulande gebe es Bürgermeister*innen, die nicht mehr weitermachen möchten, weil das Vertrauen in demokratische Prozesse erschüttert sei und sie zum Teil heftigen Anfeindungen ausgesetzt waren, so der Tenor des Gremiums. Des Weiteren waren nominiert: die Frauenbewegung im Iran, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma Romani Rose, die Journalistin Dunja Hayali sowie die Journalistin Marina Owsjannikowa.

Hintergrund: Der Preis „Das unerschrockene Wort“ wird an Frauen und Männer verliehen, „die in einer besonderen Situation oder bei einem konkreten Anlass, aber auch beispielhaft über einen größeren Zeitraum hinweg in Wort und Tat für die Gesellschaft, die Gemeinde oder den Staat bedeutende Aussagen gemacht und gegenüber Widerständen vertreten haben“, so steht es in den Statuten der Preisvergabe. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird im zweijährigen Rhythmus von den Lutherstädten vergeben. Zum Bund der Lutherstädte gehören Marburg, Augsburg, Coburg, Eisenach, Eisleben, Erfurt, Halle, Heidelberg, Magdeburg, Nordhausen, Schmalkalden, Speyer, Torgau, Wittenberg, Worms und Zeitz. Im Jahr 2024 wird Augsburg Ausrichterstadt des Preises sein.