Charakter und Leistung sind entscheidend. Nicht die Dauer der Vereinszugehörigkeit.
Nachgefragt bei Adrian Wöhler, seit 2001 beim ThSV Eisenach
Adrian Wöhler kam im C-Jugend-Alter aus dem heimischen Dingelstädt (Eichsfeld) zum Nachwuchsprojekt des ThSV Eisenach, bezog seinerzeit Quartier im vereinseigenen Sportinternat. Er durchlief alles Nachwuchsteams, schaffte über die 2. Männermannschaft den Sprung in den Bundesligakader. Seit 15 Jahren ist er für die erste Mannschaft des ThSV Eisenach auf Linksaußen am Ball. Herrscht Personalnot, hilft der junge Familienvater auf Rechtsaußen oder auch mal an der Kreismitte aus.
Der ThSV Eisenach schloss die englische Woche in der 2. Handballbundesliga mit 4:2-Punkten ab und konnte dadurch die Punktebilanz ausgleichen. Vor dem Heimspiel am Samstag, 28.11.2020 gegen den Wilhelmshavener HV sprachen wir mit dem 33-jährigen Routinier:
Der ThSV Eisenach hat 8:8 Punkte auf dem Konto. Sehen Sie Ihre Mannschaft im Soll?
Rückblickend ist zu sagen, das Heimspiel gegen Hüttenberg hätten wir nicht verlieren dürfen. Mit einem Sieg gegen die Mittelhessen hätten wir heute 10:6 Zähler vorzuweisen. Das Spiel am Sonntag, der 32:29-Erfolg beim TV Großwallstadt, hat gezeigt, es ist mehr drin.
Nach den Niederlagen gegen Hüttenberg und in Hamm gab es harsche Kritik. Wie verliefen die Tage danach?
Wir haben viel analysiert, viel geredet. Bei uns ist vieles ein Kopfproblem! Gut war für uns, das Auswärtsspiel beim TV Großwallstadt fand ohne Zuschauer, ohne Druck, ohne äußere Einflüsse statt. Endlich haben wir Vieles umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten. Die gestellten Aufgaben haben wir gelöst und uns letztendlich belohnt.
Wie sehen Sie Ihre Rolle als Dienstältester im Verein und zugleich ältester Feldspieler im aktuellen Aufgebot?
Ja, ich bin seit über 19 Jahren im Verein, seit 14 Jahren Profi. Torhüter Blaz Voncina und ich sind die einzigen zwei Akteure, die über 30 Jahre sind. Ja, wir sind die erfahrensten Spieler. Doch das ist aus meiner Sicht nicht das wichtigste Kriterium. Entscheidend sind Charakter und Leistung. Stimmen die, kann man auch in eine Vorbildrolle schlüpfen. Na klar, als jemand, der diesen Verein über 19 Jahre von innen kennt, stehe ich jüngeren Spieler zur Seite.
Sie gehören zu den Siebenmeter-Werfern. Wer bestimmt, wer zur Ausführung von der Strafwurflinie geht?
Wer zum Strich geht, bestimmt im Normalfall der Trainer. Schon vor dem Spiel oder kurz vor der Ausführung. Zumeist schreitet einer der Siebenmeter-Spezialisten zur Ausführung, der auf dem Parkett steht. Zuletzt bin ich aber auch von der Bank gekommen. Wir, vornehmlich Willy Weyhrauch und ich, müssen von der Siebenmeter-Linie sicherer werden. Wir haben da zuletzt zu viele Bälle nicht untergebracht.
Am Samstag kommt der Wilhelmshavener HV. Erinnern Sie sich an ein Spiel der Saison 2017/2018, exakt am 03. März 2018, in der Nordfrost-Arena Wilhelmshaven?
Jetzt, wo ich darauf angesprochen werde, fällt es mir wieder ein. Die Gastgeber sind im Ballbesitz, wollen beim Stand von 24:24 den Siegtreffer erzielen, nehmen den Torwart für eine zusätzlichen Feldspieler vom Parkett. Der von unserem Torwart Jan-Steffen Redwitz parierte Ball prallt zu Marcel Niemeyer, der ihn zu mir spielt, ich werfe ihn aus dem eigenen Feld, etwa von der 9-Meter-Marke, in Richtung des leeren Gastgeber-Kastens. Der Ball hoppelt, ich glaube sogar zwischenzeitlich noch von einem Spieler berührt, über die Torlinie und zum 25:24-Sieg für uns. Mit diesem Doppelpunktgewinn bekam unsere Hoffnung auf den Klassenerhalt nochmals neue Nahrung. Am Saisonende stiegen wir erstmals in der so langen Geschichte in die 3. Liga ab. Es folgte der sofortige Wiederaufstieg.
Wie sehen Sie die Neuauflage des Aufeinandertreffens mit dem Wilhelmshavener HV am Samstag in Eisenach, allerdings erneut vor leeren Rängen?
Nach dem Sieg beim TV Großwallstadt, der uns die englische Woche mit 4:2-Punkten abschließend sah, wollen wir nachlegen. Das ist klar unser Ziel. Mit einem vollen Erfolg würden wir ein positives Punktekonto erreichen. Auch wenn es ein Heimspiel ohne eigene Fans ist, Heimspiele wollen wir unbedingt gewinnen. Knüpfen wir an die Leistung vom vergangenen Sonntag in der Untermainhalle an, spielen konzentriert, sollte uns dies – gegen einen aus meiner Sicht soliden Kontrahenten – gelingen.
Sie sind 33 Jahre jung, werden im April des nächsten Jahres 34; wie lange darf Sie die blau-weiße Fangemeinde noch auf dem Bundesliga-Parkett sehen?
Das hängt hauptsächlich nicht von mir ab. Da sind die Verantwortlichen des Vereins gefragt. Ich möchte noch bis zum Alter von 36 Jahren spielen. Ich fühle mich fit, die Leistung stimmt, ich würde gern noch weitere zwei Jahre für den ThSV Eisenach auflaufen. Die persönliche gesundheitliche Entwicklung aber auch die gesellschaftliche Entwicklung in der Zeit der Corona-Pandemie – und danach – sind natürlich nicht ohne Einfluss.
An der Thematik kommt keiner vorbei. Wie sehen Sie als Handball-Profi, Familienvater und angehender Grundschul-Lehrer die Corona-Pandemie?
Wir kommen nicht aus der hohen Inzidenzzahl heraus, die uns zwangsläufig zur Überlastung in der Intensivmedizin und auch zum Anstieg der Todesfälle pro Tag führt. Ich wünsche mir, dass es bald besser wird, der Sport nicht kaputt geht. Was unseren Hallenhandball betrifft, ohne Zuschauer ist er auf längere Sicht nicht möglich. Das haben gerade auch Vertreter des deutschen Spielklubs SG Flensburg-Handewitt kundgetan. Die Situation allgemein wird von ständig neuen Informationen geprägt. In vielen Bereichen unseres Lebens, in großen Zweigen der Wirtschaft, der Kultur und des Sports sind Existenzen bedroht. Viele Jobs im Unterhaltungswesen und der Gastronomie drohen wegzubrechen. Die Hoffnungen ruhen auf einem Impfstoff. Dabei setze ich auf unsere exzellenten Wissenschaftler. Ich glaube aber nicht, dass alles so wird, wie vor der Pandemie. Jeder muss seinen Beitrag leisten, für sich und seine Familie, für alle Mitmenschen. Dazu gehört das Tragen einer Mund- und Nasenmaske. Mir macht es nichts aus, mit einer solchen Maske zum Einkauf zu gehen. Und ist es so schlimm, in diesem Jahr auf Feiern im großen Personenkreis zu verzichten?! Ich sehe darin kein Problem. Die richtige Balance in den Entscheidungen zu treffen, ist enorm schwer. Ich möchte nicht in der Haut jener Verantwortlichen auf Bundes- und Landesebene stecken. Ständig neue Erkenntnisse gilt es einzubeziehen. Ja, da wurden sicherlich auch Fehler gemacht, das stetige Lernen daraus ist ein fortschreitender Prozess. Wir werden in dieser Sache sicherlich auch künftig nicht alles richtig machen, doch die Menschheit muss alles tun, um die Corona-Krise zu meistern. Da ist jeder einzelne konstruktiv gefragt!
Th. Levknecht