Da musste selbst der Schnauzer dran glauben

Jürgen „Bongo“ Beck führte den ThSV Eisenach 1997 als Kapitän in die 1. Handballbundesliga und feiert nun seinen 60. Geburtstag

Was waren das für Zeiten unter der Wartburg! Eine Stadt, eine Region, ja ganz Thüringen war im Handballfieber. Der ThSV Eisenach,  mit dem Erfolgstrio Frank Seidenzahl (Präsident), Thomas Dröge (Manager) und Rainer Osmann (Trainer) an der Spitze, schickte sich an, in die 1. Handballbundesliga aufzusteigen. Eine atemberaubende Erfolgsserie von 53:1 Punkten – nach mäßigem Saisonstart (5:9 Punkte) –  öffnete die Tür zur 1. Handballbundesliga. Ein in der Stadt und in der Region verwurzeltes Kollektiv erreichte die Herzen der Menschen, tat ganz viel für deren Selbstbewusstsein! Heute schier unglaublich, das mdr-Fernsehen berichtete an einem Samstagabend zu bester Fernsehzeit live aus der Werner-Aßmann-Halle. Die Zuschauerzahl in der Halle überstieg weit die offizielle Kapazität. In einem Zelt mit Videoeileinwand drängten sich jene, die keine Eintrittskarte ergattert hatten. Rechtsaußen Jürgen „Bongo“ Beck führte im bereits gereifteren Handballalter als Kapitän das Eisenacher Team in der alles entscheidenden Partie gegen die MT Melsungen auf das Parkett. Nach den siegreichen und damit den Aufstieg bedeutenden 60 Minuten musste „Bongos“ Schnauzer unter großem Gejohle seiner Mannschaftskameraden dran glauben. Der Bart ist natürlich nachgewachsen, gehört auch heute zu seinen  Markenzeichen. Nach dem Aufstieg zog er, der Rechtsaußen, gemeinsam mit Linksaußen Dietmar „Ebs“ Aust, das Spielertrikot aus. Danach war er ehrenamtlich im Aufsichtsrat und übernahm später, in turbulenter Zeit, als Interimstrainer das Team. Als Filialleiter der den ThSV Eisenach stets unterstützenden Firma „Russek + Burkhard GmbH“ blieb Jürgen Beck stets in der Nähe seines Vereins.

Jetzt, am 13.08.2019, feiert der legendäre Aufstiegskapitän Jürgen „Bongo“ Beck – man glaubt es kaum, wenn man ihn so vital sieht  – seinen 60. Geburtstag. Doch warum heißt Jürgen überall nur Bongo? Er  stammt aus einer sportbegeisterten Familie: bereits sein Vater Herbert Beck war ein rings um Eisenach als „Bongo“ bekannter Amateurboxer und Handball-Fan. Jürgen Beck wurde unter dem Nickname des Vaters – „Bongo“ – ein bekannter Handballer, bis zum Aufstiegskapitän des ThSV Eisenach 1996/97.

Als Späteinsteiger bis in die Handball-Nationalmannschaft
Jürgen Beck begann seine sportliche Laufbahn in der Leichtathletik; er besuchte von 1973 bis 1976 die Sportschule des SC Turbine Erfurt und wurde 1974 DDR-Vizemeister im Zehnkampf. Er schloss eine Lehre zum Fahrzeugschlosser mit Abitur im Automobilwerk Eisenach ab und arbeitete anschließend auch in diesem Werk. Frieder Singwald aus der Motor-Mannschaft von 1958, die den Titel des deutschen Feldhandballmeisters errang, begeisterte Jürgen Beck für  den Handball.

Hans-Joachim Ursinus, der die Motor-Handballer über Jahrzehnte trainierte (Motor Eisenach war Hans-Joachim Ursinus – Hans Joachim Ursinus war Motor Eisenach) erinnert sich: „Durch seine sehr gute Ausbildung an der Sportschule im allgemeinen athletischen Bereich und durch die Leichtathletik (Zehnkampf) im speziellen Sprint- und Sprungbereich hatte Jürgen ausgezeichnete Voraussetzungen für die Sportart Handball. Deshalb konnte er  als Spätstarter und Neueinsteiger im Handball eine bemerkenswerte Laufbahn erreichen. Mit Dietmar Aust stand ein anderer Leichtathlet auf Linksaußen. Für mich als Cheftrainer war  die handballspezifische Ausbildung dieser Sportler eine echte Herausforderung. Da ich selber als erfolgreicher Leichtathlet zum Handball kam, konnte ich viele Entwicklungsschritte besonders zielführend nachvollziehen und weitere Entwicklungsstufen planen. So schaffte Bongo 1977 den Anschluss an das Erstligateam der BSG Motor Eisenach. Zusammen mit Dietmar Aust bildete er eine pfeilschnelle Flügelzange, gepaart mit sprungkräftigen und zum Teil akrobatischen Abschlusshandlungen bei Sprungwürfen. Jürgen hatte immer eine vorbildliche Trainingseinstellung und war somit ein wesentlicher Teil der sehr erfolgreichen BSG Motor Eisenach-Epoche Ende der 70er und in den 80er Jahren .Mit ihm, zeitweise als Mannschaftskapitän, wurden wir zur besten BSG-Mannschaft der damaligen DDR-Oberliga und zweimaligen Pokalendrunden-Finalisten. Zusammen mit  Linkshänder Karsten Kalbitz im rechten Rückraum war er ein Erfolgsgarant, insbesondere auch in den Spielen gegen die privilegierten Clubmannschaften.Auf Grund der außergewöhnlich guten Leistungen wurde beide Spieler 1985 in die DDR-Handball Nationalmannschaft berufen, was die damaligen starren Prinzipien des DDR-Leistungssportes sprengte.“ Eine Verletzung zwang Jürgen Beck 1989 beim Leistungssport kürzer zu treten.

Neue Wege nach der Wiedervereinigung Deutschlands
Mit der politischen Wende 1989/90, der friedlichen Revolution und der Wiedervereinigung Deutschlands, brachen auch in Handball Eisenach völlig neue Zeiten an. Dem Leistungshandball ein Fundament unter völlig neuen wirtschaftlichen Bedingungen zu schaffen, war eine Herkulesaufgabe. Die Spieler befanden sich – ohne das sie beherbergende Automobilwerk – auf der Suche nach beruflicher Sicherheit. „Handball spielte plötzlich eine Nebenrolle“, so Rainer Osmann. Er und Jürgen Beck orientierten sich  beruflich und sportlich neu. Jürgen Beck spielte in Eschwege, Rainer Osmann fungierte als Spielertrainer in Obersuhl.  Das Urgestein des Eisenacher Handballs, Rainer Osmann, blickt auf die bewegten 90er Jahre zurück: „Als 1992 der Handball in Eisenach am Boden lag. sportlich wie wirtschaftlich, überzeugte mich der damalige Vorstand mit Helmut von Moltke, Ede Wüst, Bernhard Abel undDetlef Alban mit Günter Oppel nach Eisenach zurückzukehren. Wir schafften gerade so noch den Klassenerhalt in der 2. Bundesliga. Mein erster Schritt damals war es, Jürgen Beck zur sportlichen Rückkehr nach Eisenach zu bewegen. Bongo wurde ab der Saison 93/ 94 mein Co-Trainer und spielte Rechtsaußen, bildete mit Titel Raduta eine TOP rechte Angriffseite. Hierzu hat auch der damalig Neu- Manager Thomas Dröge einen  großen Anteil geleistet. Mit wenig Geld (Schuldenberg aus 1991 von 1 Mio. D-Mark!), aber viel Herz spielte die damalige Mannschaft drei Jahre in der 2.Bundesliga um eine Platzierung im gesicherten Mittelfeld. In der Saison 1996/97,  im Aufstiegsjahr zur 1. Bundesliga, war Jürgen mein Co Trainer mit Andreas Schwabe, und er spielte 37-jährig auch noch auf Rechtsaußen!!  Ich bestimmte ihn im Verlaufe der Saison mit seiner Einwilligung zum Kapitän. Für das Projekt 1. Bundesliga ist alles aufgegangen.“

An der Geburtstagstafel von Jürgen Beck werden sicherlich auch etliche Episoden aus der Handballzeit die Runde machen.

 

Th. Levknecht

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