Das Team heißt für uns alles. Niemand darf sich über das Team stellen.

Nachgefragt bei Maik Nowak, Sportlicher Leiter des ThSV Eisenach

Maik Nowak ist in der Trainer-Szene im deutschen Handball allseits bekannt. Auf der Vita des 56-Jährigen stehen Deutsche Nachwuchstitel, im Erwachsenenbereich drei Deutsche Meisterschaften, zwei DHB-Pokalsiege, das Erreichen des Finales des Europapokals der Pokalsieger 1997, sieben Jahre Trainertätigkeit beim Männer-Zweitbundesligisten EHV Aue, Assistenz bei der Frauennationalmannschaft, der bisher einzige Europameistertitel einer weiblichen DHB-Nachwuchsauswahl und Autor von drei Handballbüchern sprechen eine deutliche Sprache.

Ab 01.09.2020 übernahm er die Aufgabe des Sportlichen Leiters beim Handball-Zweitbundesligisten ThSV Eisenach.

Ich bin in Thüringen geboren und habe in gewisser Weise eine längere Affinität zum ThSV Eisenach. Der professionell aufgestellte Verein besitzt großes Entwicklungspotential in einer handballbegeisterten Stadt und Region, erklärte Maik Nowak seinerzeit.

Wir sprachen mit Maik Nowak
Was umfasst Ihr Aufgabenfeld?
Eine meiner schon vor der Saison definierten Aufgaben, Markus Murfuni in seiner ersten Cheftrainerposition in der 2. Handballbundesliga zu unterstützen, nimmt auf Grund unserer derzeitigen Situation einiges in Anspruch. Etliche Veränderungen im Team machen die Situation nicht einfacher. Da sind die Abgänge von Luka Kikanovic und Kristian Beciri, die beiden Kreuzbandrisse bei Justin Mürköster und Jonas Ulshöfer sowie mehrere länger anhaltende Verletzungen, da sind die vier zu integrierenden Neuverpflichtungen von Hannes Iffert, Jannis Schneibel, Daniel Hideg und Peter Walz in jüngster Zeit, da sind Spieler, wie Kristian Volar, die körperlich noch nicht wieder vollständig hergestellt sind, um einige unserer Herausforderungen zu nennen.

Viel Raum nehmen die gemeinsam mit dem Trainer und dem Geschäftsführer voran getriebenen Entscheidungen, welche Spieler kommen sollen und welche gehen werden, ein.

Ein komplexes Scouting-System, viele Kontakte, viele Verhandlungen sind erforderlich, eine Sisyphusarbeit, die zum bestmöglichen Ergebnis, zur bestmöglichen Lösung für unseren Verein führen soll.

Es geht um zielgerichtete Veränderungen, die es schon gab und weiter geben wird. Wir haben mit Jannis Schneibel (20 Jahre) und Daniel Hideg (24) junge Spieler verpflichtet, konnten mit Hannes Iffert den ehemaligen Kapitän unserer Jugendbundesligamannschaft zurückholen und mit Peter Walz, einem ehemaligen Ringer und Bereitschaftspolizisten, einen ganz anderen und interessanten Kreisläufer-Typ gewinnen. Auf die Öffentlichkeit werden zeitnah weitere interessante Informationen zukommen, die die Ausrichtung unseres Vereins verdeutlichen werden.

Unser Anspruch und unser Auftrag lauten, eine Zweitliga-Mannschaft mit größtmöglichem Potential aufzustellen, täglich die einzelnen Spieler und das Team weiterzuentwickeln und damit den mittelfristig steigenden Ansprüchen gerecht zu werden.

Für unseren Nachwuchs blieb leider weniger Zeit als gedacht. Alexander Nöthe ist mit dem gemeinsam erarbeiteten Athletikkonzept ein wichtiger Baustein für unseren Nachwuchs. Gerade in der schwierigen Zeit der Pandemie! Mit Ole Gastrock-Mey und Tom Steiner haben wir zwei A-Jugendliche im Bundesliga- Testpool integriert und ins Trainingskollektiv der ersten Mannschaft aufgenommen. Sie stehen bestmöglich ihren Mann, und reifen über unser Training merklich. Wir erwarten mittelfristig einiges von ihnen, und weitere junge Spieler sind in der Zukunft herzlich eingeladen sich auch auf diesen Weg zu begeben.

Wie hat sich das Zweitbundesligateam aus Ihrer Sicht entwickelt, wo steht das Team?
Mit der Punkteausbeute sind wir nicht zufrieden. Darüber hinaus bezogen wir auswärts zu hohe Niederlagen. Eine Aufgabe der Mannschaft wird es sein, das wettzumachen. Gegen den VfL Lübeck-Schwartau, nach einer 21:32-Niederlage beim Hinspiel, ist uns das beim 30:30 im Rückspiel gelungen. Vielleicht haben wir sogar einen Punkt vergeben- dem Spielverlauf nach vielleicht sogar gewinnen müssen.

Aber es geht nicht nur um die Punkteausbeute, wir wollen – wie oben schon erwähnt – die Spieler besser machen, einen anderen, einen modernen Handball spielen, aus einer aktiven, agierenden Abwehr ins schnelle Spiel kommen. Ich sehe uns dabei auf einem guten Weg. Verletzungen auf wichtigen Positionen, Rückraum Mitte, Kreis und Rückraum links, haben das bisher erschwert. Eine Verbesserung im Positionsangriff gehört dazu. Unter anderem versuchen wir per kontinuierlicher Video- Eigen- Analysen die Entwicklung unserer Mannschaft voranzutreiben. Ich gehe davon aus, wenn Spieler mit individueller Qualität lernen, einfachen, klugen und effizienten Handball zu spielen, werden sie um 25 Prozent besser. Wir müssen analysieren, auswerten und weiterentwickeln. Da geht noch einiges.

Handball ist eine Mannschaftssportart, wird getragen von Individualisten. Wie sehen Sie das Mannschaftsgefüge beim ThSV Eisenach?
Ich habe meines Erachtens ein suboptimales Mannschaftsgefüge vorgefunden. Allein das bedarf viel Mühe und Aufwands, um die richtigen Typen zu finden, die in unsere Mannschaft passen. Es hat sich schon einiges getan, es wird sich weiteres verändern. Das Team heißt für uns alles. Niemand darf sich über das Team stellen. Wer das nicht versteht, kann sein Glück woanders suchen. Das macht den Geist der Mannschaft aus. Das wollen wir mittelfristig erreichen, und ich sehe uns auf dem richtigen Weg dahin.

Die Punktspielsaison endet am 26. Juni 2021. Welche Ziele werden bis dahin verfolgt?
Unser oberstes Ziel ist es, weiter der 2. Bundesliga anzugehören, und damit der Kampf um den Klassenerhalt. Das hat oberste Priorität. Gleichzeitig gilt es auf diesem Weg, die Mannschaft in allen Bereichen zukunftsfähig zu machen. Wenn wir den zweiten Teil der Saison abrechnen, werden wir sehen, in welchen Entwicklungsfeldern wir weit vorangekommen sind. Dann haben wir vieles richtig gemacht.

Für den Nachwuchs des ThSV Eisenach, auch die leistungsorientierte A- und B-Jugend, gibt es seit Monaten keinen Trainings- und Wettkampfbetrieb…?
Unsere Nachwuchsabteilung befindet sich nicht nur aufgrund der Corona-Pandemie in einer schwierigen Situation. Aus meiner Sicht bestehen zwei Hauptziele struktureller Natur. Da ist das nicht zur Wirkung kommende Sportinternat mit 24-stündiger Betreuung an 7 Tagen in der Woche. Dafür benötigen wir die pädagogisch geforderte Hilfe. Darüber hinaus brauchen wir einen Nachwuchs-Leistungssportkoordinator. Die Stelle ist ausgeschrieben. Schade, dass sich ein sehr, sehr guter Kandidat nicht für den ThSV Eisenach entschieden hat. Wir suchen nach der bestmöglichen Lösung. Neben der Klärung der strukturellen Probleme, müssen wir einen neuen, leistungssportorientierteren Geist entwickeln. Positive Beispiele sind Ole Gastrock-Mey und Tom Steiner, die beim Zweitbundesligateam mittrainieren dürfen. Sie sollten zugleich Motivation für andere Talente sein, sich auch auf diesen Weg zu machen.

Was bedeutet die nun einjährige Pandemie für den Handball in Deutschland insgesamt und beim ThSV Eisenach im Speziellen?
Die Möglichkeit, Handball trainieren und spielen zu dürfen, sollten wir mit Demut genießen. Das ist vielen anderen Menschengruppen in unserem Land nicht vergönnt. Das allein schon sollte Motivation sein, jeden Tag das Beste zu geben. Unser Dank geht an den Verein und die Stadt Eisenach, die es uns ermöglichen, unter Pandemiebedingungen trainieren und spielen zu dürfen. An uns ist es, dafür etwas zurückzugeben. Dabei meine ich mehr, als wie zuletzt erneut durch unsere Mannschaft geschehen, die Tische für die Stadtratssitzung in die Halle zu tragen.

Die Pandemie beinhaltet für uns alle unwahrscheinlich viele Herausforderungen. Ja, wir können keine Zuschauer direkt in den Hallen erfreuen, doch per sportdeutschland.tv vermitteln wir, dass die Mannschaft alles gibt. Das transportieren auch die vielen anderen Medien.

Die Eigenverantwortlichkeit der Sportler, junger Handballer ist gefragt. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen und dies ist für Verantwortliche und Trainer gut. Wie konsequent verlasse ich die Komfortzone? Wie bewusst bewältige ich diese Herausforderungen? Was investiere ich eigenverantwortlich? Was bringt mich voran? Jede Situation, auch die derzeitige, ist zugleich eine Chance. Trainingsmethodische Vorschläge und Hilfen, viel Kreativität, viel Geist, viel Ideenreichtum, das sind die Maxime dieser Tage.

Th. Levknecht

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