Der einstige Leitwolf feiert seinen 60. Geburtstag

Zehn Jahre war Matthias Allonge als Spieler und Trainer beim ThSV Eisenach

Zehn Jahre bestimmte Matthias Allonge als Spieler, Co-Trainer und Trainer den Eisenacher Handball mit. Der leider viel zu früh verstorbene Präsident des ThSV Eisenach Frank Seidenzahl holte den Vollbluthandballer Matthias Allonge mehrfach zurück. Die blau-weiße Fangemeinde trug ihren „Leitwolf“ auf Händen. Die Emotionalität der Verabschiedung löst bei Matthias Allonge noch heute Gänsehaut aus. Am Freitag, 25.11.2022 feiert Matthias Allonge seinen 60. Geburtstag. Im Mai 2016 hat er sich vom Handball zurückgezogen. Nach über 45 Jahren als Spieler und Trainer.

Meine Familie ist mir inzwischen wichtiger als alles andere. Ja, es gab Gespräche mit verschiedenen Vereinen. Ich will aber nicht mehr täglich auf der Platte stehen. Das will ich meiner Familie nicht mehr antun. Das Handballgeschehen verfolge ich natürlich noch, über die Medien oder auch in persönlichen Gesprächen. Mein ganz persönliches Kapitel Handball ist abgeschlossen, erklärte der ehemalige Rückraumspieler vor über 6 Jahren.

Er ist verheiratet, wohnt in Erfurt, sein 12-jähriger Sohn besucht das Gymnasium und spielt bei den Sportfreunden Marbach Fußball. Im Vorjahr bekam Matthias Allonge ein künstliches Kniegelenk eingesetzt. Schon zu seiner aktiven Zeit hatte er immer wieder Probleme mit dem Knie.

Natürlich verfolge ich noch die Entwicklung beim ThSV Eisenach. Ein Blick auf den augenblicklichen Tabellenplatz zeigt, hier wird vieles richtig gemacht. Trainer Misha Kaufmann macht einen Super-Job. Das freit mich sehr. Ich würde mir allerdings wünschen, dass Talente aus den eigenen Reihen den Sprung in die 1. Mannschaft schaffen, erklärt Matthias Allonge am Vorabend seines 60. Geburtstages, den er in kleiner Runde feiert.

Er war lange nicht in Eisenach.

Die Pflege meiner Mutter nimmt ganz viel Zeit in Anspruch, erläutert der einstige Leitwolf und Publikumsliebling.

In absehbarer Zeit werde er seine ehemalige Wirkungsstätte besuchen.

Auf der Vita von Matthias Allonge vor der politischen Wende 1989/90 stehen als Aktiver zwei DDR-Vizemeisterschaften mit Dynamo Berlin, 25 Junioren-Länderspiele für die DDR und Platz 6 bei der Junioren-WM 1983.

Matthias Allonge war von 1991 bis 1996 als Spieler beim ThSV Eisenach. Von 1999 bis 2004 fungierte er in Eisenach als Co-Trainer der Bundesliga-Mannschaft und Trainer im Nachwuchsprojekt. Dazwischen war er beim HC Frankental und HC Halle Trainer im Männer- und Nachwuchsbereich. Weitere Stationen nach der zweiten Eisenacher Etappe: Juli 2004 bis Dezember 2005 Männer- und Nachwuchstrainer beim HC Dresden, Januar 2006 bis Juni 2008 Männer- und Nachwuchstrainer beim ESV Lok Pirna, Juli 2008 bis Juni 2013 Männer- und Nachwuchstrainer beim LHV Hoyerswerda sowie Regional- und Stützpunkttrainer für Ostsachsen des HV Sachsen, Juni 2013 bis März 2014 Trainer 1. Mannschaft des HSV Apolda sowie September 2013 bis Dezember 2014 Landestrainer beim Thüringer Handballverband, Juni 2015 bis Mai 2016 Trainer 1. Männermannschaft HSC Erfurt incl. Installierung des Nachwuchskonzeptes von den Minis bis zur A-Jugend.

Wir sprachen mit dem Jubilar:
Sie waren über Jahrzehnte mit dem Handball verbunden. Was hat Ihnen dieser Sport gegeben?
Ich hatte mich bewusst für eine Mannschaftssportart entschieden. Eine Sportart, die durch das Kollektiv, das Team geprägt wird. Alles wird gemeinsam erarbeitet. Jeder hilft jeden für den Erfolg der Mannschaft. Einer ist für den anderen da, springt mit ein, wenn man mal einen schlechten Tag hat. Aber auch die soziale Komponente war für mich sehr wichtig, Freundschaften und Beziehungen neben dem Sport. Irgendwann führt der Sport auch dazu, dass man ehrlich gegenüber sich selbst wird. Während meiner aktiven Laufbahn in der DDR bot sich die Möglichkeit, viel unterwegs zu sein, andere Länder kennenzulernen, sich im Ausland sportlich zu messen. Dadurch konnte man auch richtig einschätzen, wo stehe ich handballerisch. Gemeinsam wurden Erfolge gefeiert, gemeinsam Niederlagen verdaut.

Sie waren beim ThSV Eisenach Spieler und mehrfach Co-Trainer der ersten Mannschaft, aber auch Trainer im Nachwuchsbereich. An welche Ereignisse erinnern Sie sich gern, an welche weniger?
Da gibt es Stunden, Momente, die ich nicht vergessen werde.

Zum Ende der Saison 1992/93 drohte der Sturz in die 3. Liga. Wir konnten ihn gerade noch abwenden.
Mit einem Sieg in Dortmund. Die Mannschaft wurde seinerzeit von Nicolai Nedef und dem zurückgeholten Rainer Osmann geführt. Was für ein geiles Spiel! Zwei vollbesetzte Fanbusse aus Eisenach waren dabei. Eine Wahnsinnsunterstützung! Gemeinsam haben wir uns gegen den Abstieg gewehrt. Ich habe 6 Treffer markiert. Auch die entscheidenden, als wir zurücklagen.

Emotional wohl nicht zu überbieten, meine Verabschiedung als Spieler im Jahr 1996. In einem völlig überfüllten alten Foyer der Werner-Aßmann-Halle!

Da ist natürlich der Sieg gegen den SC Magdeburg, den ich als Co-Trainer an der Seite von Peter Rost begleitete. Grandios die Leistung von Stephane Joulin! Wir schlossen die Saison auf Platz 10 ab, Das war die beste Eisenacher Erstbundesliga-Platzierung. Wir haben in dieser Zeit ganz viel im mentalen Bereich gearbeitet.

In der Saison danach, der Verein trennte sich von Peter Rost, fungierte ich in den Spielen gegen Flensburg, Hamburg, Minden und Lemgo als Cheftrainer. Statt der geforderten 4 wurden es durch den Sieg über Minden nur 2 Punkte. Ich bekam leider nicht das Vertrauen für die Fortsetzung der Arbeit. Unschön, aus dem Videotext habe ich erfahren, dass ich nicht mehr Trainer des ThSV Eisenach bin.

Welche Trainer aus jener Zeit in Eisenach sind besonders in ihrem Gedächtnis?
Als Spieler und Co-Trainer habe ich von allen gelernt, von Hans-Joachim Ursinus, Rainer Osmann und Peter Rost. Das waren tolle Trainer! Wir haben auch schon mal kontrovers diskutiert, waren im regen Austausch, zumal ich mich als Führungsspieler auch in der Verantwortung sah.

Pflegen Sie noch Kontakte zu Spielern und Trainern aus jener Zeit?
Kontakte bestehen nach wie vor mit Rainer Osmann, Hans-Joachim Ursinus und Peter Rost. Via Facebook gibt es Kontakte zu ehemaligen Teamkollegen, auch über Geburtstags-Gratulationen hinaus.

Als über 40-Jähriger feierten Sie in einem bedeutungsvollen Erstbundesligaspiel ein Kurzcomeback…?
Es ging um den Klassenerhalt. Das Heimspiel gegen Nordhorn musste unbedingt gewonnen werden. Ich hatte das Spielertrikot schon drunter. Wir lagen zurück. In der Halle war es ziemlich ruhig. Es galt, ein emotionales Zeichen zu setzen. Es wurde ein hochemotionales, als ich die Trainerjacke abstreifte und als Spieler das Parkett betrat. Meine vorrangigste Aufgabe war, die Mannschaft in der Deckung aufzurütteln. Das gelang. Aber auch die Zuschauer waren wieder voll da. Wir haben das Spiel gewonnen.

Nach Ihrer Eisenacher Zeit folgten mehrere Trainerstationen. Beschreiben Sie uns diese bitte die wichtigsten rückblickend?
Neben meinen Zeiten bei den Männer-Drittligisten Dresden und Pirna bleiben mir vor allem die 5 Jahre in Hoyerswerda in angenehmer Erinnerung. Hier wurde mir die Möglichkeit gegeben, Handball-AGs zu installieren, Schulturniere zu organisieren, Nachwuchsspieler mit Qualität zu formen, die später in Männermannschaften gute Rollen übernahmen. Seinerzeit gelang uns mit einer blutjungen Mannschaft der Aufstieg in die 4. Liga. Ich habe für dieses Gesamtprojekt sehr viel Zeit aufgewendet. Meine Familie sah mich sehr wenig. Ich war im Dauerstress. Im Spiel gegen Hermsdorf bin ich auf der Bank zusammengebrochen. Ich begann über alles neu nachzudenken. Anzumerken ist, leider gibt es jetzt nur wenige Vereine, die bereit sind, in den Nachwuchs langfristig zu investieren.

Sie galten als ein Kämpfer, als der „Leitwolf“ beim ThSV Eisenach. Typen Ihres Schlages gibt es heute nur noch wenige. Ist die heutige Spielergeneration „weichgespült“?
Diese Spieler gibt es noch. Aber nicht so häufig, wie in meiner aktiven Zeit. Ich finde es schade, dass es wenige außergewöhnliche Typen gibt, die auch mal anecken, die Entscheidungen treffen, die nicht allen passen. Ich glaube, das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Wir haben uns voll und ganz auf den Sport konzentriert, alles dafür getan. Unsere Maxime auf dem Spielfeld: Hier ist mein Platz, hier kommst du nicht vorbei. Den Status des Kämpfers, des Leitwolfes musste man sich verdienen. Das hieß, sich in jeder Situation durchbeißen; auch an Tagen, an denen es bei einem nicht so läuft. Nicht Jammern und nach der Auswechslung schielen. Handball ist ein Mannschaftssport. Die Leidenschaft für ihren Sport ist bei Spielern der heutigen Generation zu wenig erkennbar. Das ist sehr schade.

Th. Levknecht

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