Die Mauer wiederaufbauen und ein „Wartburgfest der Partei“ inszenieren

Ein kleiner Raum in der Etage über dem Theater am Markt. Die Wände sind weiß und rot bemalt, ein grüner Vorhang unterteilt den Raum noch einmal in zwei kleinere Sektionen. In einer von ihnen steht ein spartanisch wirkender Tisch, auf ihm sind drei Teller, die mit Käse- und Wurstbrötchen gefüllt sind. Eine kleine Schale, gefüllt mit Oliven und eingelegten Paprika sowie drei verschiedene Bierflaschen komplettieren das rustikale Bild.

An dem Tisch sitzt ein Mann im schwarzen Hemd, mit lichtem Haar und freundlichem Gesicht.
Dieser Mann ist kein Geringerer als Martin Sonneborn, Deutschlands wohl bekanntester Satiriker und Vorsitzender der «Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative – Die Partei.»
In ganz Deutschland ist Sonneborn, der ursprünglich aus Osnabrück stammt, inzwischen bekannt und fährt mit dem «Propaganda-Auftrag» seiner Partei durch die Lande.

Auch Eisenach war am vergangenen Donnerstagabend eine Station, auf seiner Tour durch Deutschland. Und so debattierte und erklärte der Satiriker das Programm der «Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Elitenförderung, Tierschutz und basisdemokratische Initiative» in einem ausverkauften Theater am Markt.
Anlässlich dieser Lesung hatte unser Redakteur Paul-Philipp Braun die Möglichkeit auf ein Interview mit dem ehemaligen Chefredakteur der Satirezeitschrift «Titanic».
Dabei sollte beachtet werden, dass es sich zum Teil um Politsatire handelt.

Herr Sonneborn, schön, dass Sie in Eisenach sind. Sie waren bereits 2002 einmal in der Wartburgstadt. Das hatte damals für einige «Besonderheiten» gesorgt. Was war damals vorgefallen?
Nach meinem Besuch trat der FDP-Kreisvorsitzende aus Eisenach zurück.

Was hatten Sie damit zu tun?
Wir haben damals für Titanic im Namen anderer Parteien Wahlkampf gemacht. Die FDP führte 2002 einen antisemitischen, pornoorientierten Wahlkampf, die Liberalen gingen unter anderem mit Dolly Buster und mit antisemitischen Parolen auf Stimmenfang.
Das haben wir aufgegriffen und uns mit Plakaten mit der Aufschrift «Deutsche wehrt euch – wählt FDP», in Anknüpfung an einen alten NSDAP-Slogan, oder «Judenfrei und Spaß dabei!» sowie einem fotomontierten Plakat, das die damalige FDP-Generalsekretärin Cornelia Piper nackt zeigte, in die Fußgängerzone gestellt. Der FDP-Kreisvorsitzende hat sich daraufhin mit uns vor den Plakaten fotografieren lassen und fand die Situation ganz normal. Wir hatten ihm erklärt, dass wir das «Guido-Mobil» der FDP wären.

Nun sind wir ja hier in Eisenach, also nur wenige Kilometer von der ehemaligen innerdeutschen Grenze entfernt. Ihre Partei will nun die Mauer wiederaufbauen. Was würden Sie den Bürgern sagen, wenn diese sie fragen, ob sie es überhaupt ernst meinen und welche Intentionen Sie damit verbinden? Sie wollen Frau Merkel somit „wegsperren“. Glauben Sie, dass man im Osten mit einer solchen Aktion glücklich wäre?

Es ging uns immer mehr um den Westen des Landes, der ist größer und wichtiger. Wir wollten unsere ersten Wahlen in Nordrhein-Westfahlen gewinnen, und dort haben die Leute über dieses Versprechen natürlich gejubelt! 2004 brachen wir ein Tabu in der Politik, als wir erklärten, dass Ost und West in keiner Weise zusammengewachsen sind.
Mittlerweile glaube ich allerdings, dass Merkel einen Masterplan verfolgt und dass die Revolution nur vorgespielt war. Der Mauersturz war geplant, um sich die Westgelder unter den Nagel zu reißen. Danach versuchte man sich die wichtigsten drei Staatsämter mit Ostdeutschen zu besetzen: Bundeskanzler, -präsident und -trainer. Zum Glück ist Matthias Sammer gescheitert.
Merkel hat unser Land inzwischen auf DDR-Niveau heruntergewirtschaftet. Die Züge verkehren nicht mehr, unsere jungen Motorradfahrer sterben auf den Autobahnen, man munkelt von Stromausfällen und im Internet steht immer mehr Mist. Ich glaube, dass Merkel dahinter steckt. Deswegen brauchen wir die Mauer dringend zurück.

Mit einem stärkeren Osten oder einem stärkeren Westen?

Das ist egal. Ich halte die Mauer für eine win-win-Situation, weil wir damit dem zunehmend irrer werdenden kapitalistischen System etwas entgegensetzen können. Früher gab es halt den «Ostblock» und den «Westen», man musste sich miteinander vergleichen und konkurrieren. Vieles war eben so nicht möglich, weil DDR und Kommunismus als Vergleichsmaßstab drohten. Ich denke, dass wir das wieder brauchen, dem Kapitalismus eine Alternative aufzuzeigen. Dazu benötigen wir ein kommunistisches Terrorregime im Osten. Ich habe kürzlich Gregor Gysi gefragt, ob er dieses anführen würde. Seine Antwort lautete «nur im Westen». Notfalls müsste ich selbst den Osten übernehmen.

Im Namen Ihrer Partei steht das «Arbeit». Sie sagten mir, Sie hätten auf dem Bau gearbeitet. Kommen daher ihre großen Sympathien für die Schicht der Arbeiter?

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Ja, in der Tat. Ich habe sechs Wochen lang auf dem Bau gearbeitet und lernte dabei auch, wie man unter Extrembedingungen eine Bierflasche öffnen kann. Wir sind eine arbeiterfreundliche und managerkritische Partei, wir haben z.B. Forderungen nach einem Existenzmaximum im Programm. Und die Begrenzung eines Managergehalts auf das Fünfundzwanzigtausendfache eines Arbeiterlohns, weil kein Manager mehr als 25000 mal mehr Wert ist als ein kleiner Arbeiter.

Bei der Bundestagswahl hat es in diesem Jahr nur für magere 0,2% bundesweit gereicht. Dennoch haben Sie sich sehr darüber gefreut, dass Sie im Reichstagsgebäude die gleiche Sitzanzahl haben, wie FDP und AfD zusammen. Könnten Sie sich dennoch vorstellen, dass Sie mit einer von beiden eine Koalition in der außerparlamentarischen Opposition eingehen?

Zunächst muss man hier klarstellen, dass das Parteiziel für Stimmen bei 100% plus X lag und wir immerhin das «plus X» geschafft haben. Da wir aber nur in fünf Bundesländern antraten, also nur von etwa 1/3 der Deutschen gewählt werden konnten, ist das ein durchaus akzeptables Ergebnis. Die beiden angesprochenen Parteien empfinden wir jedoch als äußerst unseriös. Wir haben uns stets ferngehalten von vorübergehenden Phänomenen wie AfD oder Piraten. Und für die FDP gilt, dass die Ära beendet ist, in der man sich eine so verkommene Partei in diesem Land leistete.
Zudem ist mir Brüderle sehr unsympathisch. Wenn ich ihn reden höre, so möchte ich diesen alten Mann einmal mit seinem Rollator zu dem von ihm geforderten Mindestlohn auf den Bau schicken.

Ich möchte gern an dieser Stelle auf Eisenach zurückkommen. Wir haben mit der Wartburg die wohl «deutscheste aller Burgen». Könnten Sie sich vorstellen, dass diese auch in Ihrem Programm auf irgendeine Art eine Rolle spielt?

Also bis jetzt noch nicht. Die großen ostdeutschen Bauwerke, die uns bisher beschäftigen sind immer noch die Frauenkirche in Dresden, die wir ja abreißen wollen, sowie der Palast der Republik, den wir als «Palast der Partei» wiedererrichten wollen.
Aber wenn uns das hier in der Gegend Sympathien bringt, dann machen wir etwas auf der Wartburg. Ein Treffen der Spitzenpolitiker der Partei zum Beispiel. Dabei kommt mir die Idee, dass das eine sehr gute Idee wäre. Eisenach liegt sehr zentral und auch die ideologischen Ansprüche, die eine Partei wie unsere an einen Versammlungsort hat sind durchaus erfüllt. Es könnte eine Art «Wartburgfest der Partei» werden.

Herr Sonneborn, ich möchte Ihnen noch eine letzte Frage stellen. Nach einer parteieigenen Studie genießen Sie vor allem in der jüngeren Bevölkerung Deutschlands einen großen Zuspruch, während die Älteren nicht so «partei-affin» sind. Denken Sie, dass dies vor allem am Sexappeal ihrer Vereinigung liegt, den Sie ja mit Aktionen wie «MILFs gegen Merkel» oder «Jede fünfte Frau hat Orgasmusprobleme» immer wieder beweisen wollen?

Nein, das denke ich nicht. Das würde ja auch schmutzige alte Männer anziehen. Ich glaube viel eher, dass es keine richtige Politikverdrossenheit gibt. Viel eher kann man von einer Parteienverdrossenheit in Bezug auf die ehemaligen Volksparteien sprechen.
Bei U18-Wahlen erreichen wir regelmäßig Spitzenergebnisse, während man über 50 kaum noch über unsere Partei nachdenkt. Daher warten wir nun auf das Aussterben der Alten und darauf, dass die 14- und 16-Jährigen endlich 18 werden. Dennoch lassen wir uns von Jedem wählen. Das machen die anderen Parteien zwar auch, aber die sagen es nicht so offen.

Vielen Dank für dieses Interview, Herr Sonneborn.

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