Eisenach feiert Avital Ben-Chorin

Anlässlich des 100. Geburtstages der Eisenacher Ehrenbürgerin, Avital Ben-Chorin, fanden vom 3. bis 4. Juli die Feierlichkeiten, in Form von Begegnungstagen, mit einer Vielzahl von Veranstaltungen in Eisenach statt. Dafür reiste die Tochter von Ben-Chorin, Ariela Kimchi, aus der Schweiz an, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen.

Am Dienstag, 4. Juli, fanden Begegnungen mit Schülerinnen und Schülern statt. Im Elisabeth-Gymnasium wurde das Projekt „Zweitzeugen“ vorgestellt, wofür die Schüler*innen im Rahmen ihrer Projektwoche verschiedene Interviews führten. Anschließend begab sich Ariela Kimchi mit Schüler*innen der Goetheschule ins Gespräch, die ein Projekt zum Thema „Jüdisches Leben in Thüringen“ umsetzten. Die Goetheschule (früher Charlottenschule), ist jene Schule, die ihre Mutter, Avital Ben-Chorin, als Kind selbst besuchte.

Im Rahmen der Begegnungstage wurde die Esplanade in „Avital Ben-Chorin-Platz“ umbenannt.

Heute ist ein ganz besonderer Tag, denn die Benennung einer Straße, eines Platzes nach einer Persönlichkeit, gehört zu den höchsten Ehren, die eine Stadt vergeben kann, so Oberbürgermeisterin Katja Wolf bei der Enthüllung des Straßenschildes.

Die Esplanade ist der geeignete Ort, da er zwischen dem Lebensmittelpunkt der Erika Fackenheim, dem Haus ihres Großvaters, Schmelzerstraße 14, und ihrer Schule, der damaligen Charlottenschule (heutigen Goetheschule) liegt.

Heute schließt sich ein Kreis, so Ariela Kimchi. Neben ihrer Schule erinnert mitten in Eisenach der Avital Ben-Chorin-Platz an meine Mutter, die sich besonders für den Dialog mit der jungen deutschen Generation engagierte. Ihr Name kehrt zur Erinnerung zurück in das Herz ihrer Geburtsstadt. Es ist eine Ehre zu sehen, wie Eisenach an meine Mutter erinnert. Dafür danke ich im Namen unserer ganzen Familie.

Festveranstaltung „100. Geburtstag Avital Ben-Chorin“
Oberbürgermeisterin Katja Wolf eröffnete am Dienstagabend, 4. Juli, die Festveranstaltung im Rokokosaal des Stadtschlosses.

Ich hatte das Glück – und dafür bin ich unendlich dankbar –, dass ich Avital Ben-Chorin persönlich kennenlernen durfte, so Katja Wolf während der Veranstaltung. Ich blicke dabei auf viele bewegende Momente zurück. Heute feiern wir diese zierliche, warmherzige und dennoch starke, resolute Frau, die sich trotz ihres Schicksals mit all ihrer Kraft für Verständigung einsetzte und ihr Leben dem Dialog widmete.

Ihr zu Ehren enthüllte Oberbürgermeisterin Katja Wolf gemeinsam mit Avitals Tochter, Ariela Kimchi, ein Gemälde, eigens angefertigt vom Eisenacher Künstler Jost Heyder. Er hatte seinerzeit die Eltern von Avital Ben-Chorin in Bleistiftskizzen gemalt, welche ihr zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde im Jahr 2012 geschenkt wurden. Diese Skizzen gingen nach ihrem Tod wieder über den Nachlass an die Stadt zurück.

Musikalisch untermalt wurde der Abend von Dina Pfeiffer und Alexej Pfeiffer sowie dem Chor der 5. Klasse des Martin-Luther-Gymnasiums mit Lehrerin Almuth Heinze. Beiträge von Schüler*innen der Goetheschule mit Texten zur Biographie Avital Ben-Chorins und ein Gespräch zwischen Schüler*innen des Elisabeth-Gymnasiums und Ariela Kimchi rundeten das Programm ab.

Auch das Gedichtbuch von Avital Ben-Chorin wurde vorgestellt. Das Originalbuch ist in der Sonderausstellung des Lutherhauses Eisenach zum kirchlichen ‚Entjudungsinstitut‘ zu sehen. Bis einschließlich 7. Juli 2023 bietet das Lutherhaus Eisenach einen rabattierten Eintrittspreis für den Besuch der Sonderausstellung.

Das Gedichtbuch von Avital Ben-Chorin wird von der Eisenacher Kulturschaffenden Alexandra Husemeyer herausgegeben. Dieses Projekt wurde durch Förderung der Stadt Eisenach, der Evangelischen Kirchgemeinde Eisenach, dem Kirchenkreis Eisenach-Gerstungen und der Evangelischen Diakonissenhaus-Stiftung ermöglicht. Es erscheint in einer Auflage von 500 Stück und ist ab sofort im Museumsshop des Lutherhauses und in der Buchhandlung „Leselust“ am Eisenacher Markt erhältlich.

Wer war Avital Ben-Chorin?
Avital Ben-Chorin wird als Erika Fackenheim am 25. Februar 1923 in Eisenach und einziges Kind von Alfred und Herta Fackenheim, geb. Oppenheim, geboren. Ihre Eltern und andere Familienangehörige werden 1944 in Auschwitz ermordet.

Sie lebt und arbeitet in Jerusalem, ist israelische Hebräischlehrerin, Übersetzerin, literarische Sekretärin und Publizistin. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Schalom Ben-Chorin wird sie zur Pionierin des deutsch-israelischen Jugendaustauschs und Mitgründerin der ersten jüdischen Reformgemeinde in Israel und des israelischen Zweiges der „Women’s International League for Peace and Freedom“ (WILPF).

1956 besucht Avital Ben-Chorin zum ersten Mal seit ihrer Alija (Einwanderung von jüdischen Menschen ins Land Israel) 1936 Deutschland, um ihren Ehemann zu dessen Vorträgen zu begleiten, hält später selbst Vorträge und engagiert sich in der Aktion Sühnezeichen. Von 1963 bis 1973 organisiert sie mit ihrem Ehemann erste Reisen von israelischen Jugendgruppen nach Deutschland. Sie ist für zahlreiche Besuchergruppen aus Deutschland und deutschen Volontär*innen in Israel Gesprächspartnerin für Einführungen in das Judentum und für einen Gedankenaustausch über die israelisch-deutschen Beziehungen.

Im Jahr 2012 erhält sie die Ehrenbürgerwürde der Stadt Eisenach und 2013 das Bundesverdienstkreuz. Sie stirbt am 6. Oktober 2017 in Haifa in Israel. Ein Teil ihres Nachlasses befindet sich im Stadtarchiv Eisenach.

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