Eisenachs Keeper bald Landarzt Dr. Johannes Jepsen
Der große Blonde nimmt im Oktober ein Medizinstudium auf – wird aber nicht ganz vom Handball lassen
Beginnend mit dem Heimspiel am Mittwoch, 22.03.2023 um 19.30 Uhr gegen den TSV Bayer Dormagen: noch 13-mal Auflaufen für den ThSV Eisenach, noch 13-mal Handball-Adrenalin vor mehreren tausend Zuschauern. Dann endet nicht nur die Zeit von Johannes Jepsen beim ThSV Eisenach, es ist auch das Ende der Profi-Kariere. Das Ende der Profikarriere eines 23-jährigen Torhüters, dem noch alle Handball-Türen weit offenstehen. Der 2,02-Meter-Blondschopf aus dem Norden Deutschlands tauscht das Handballparkett mit dem Hörsaal ein, studiert ab dem Herbst Medizin.
Es ist eine Entscheidung nicht gegen den Handball, nicht gegen den ThSV Eisenach, es ist eine Entscheidung für das Studium und meine eigene Zukunft. Handball-Profi zu sein, das umfasst zudem nur eine begrenzte Zeit, lässt Johannes Jepsen wissen.
Wir sprachen mit dem 42 Nachwuchs-Länderspiele bestreitenden Johannes Jepsen:
Ein überaus ungewöhnlicher Wechsel. Was veranlasste Sie zu diesem Entschluss?
Dieser reifte über einen längeren Zeitraum. Ich bekenne, Handball hat mich nicht mehr so erfüllt. Ja, mir hat was gefehlt. Studieren stand ohnehin auf meiner Lebensplanung. Medizin hatte ich immer im Blick. Das ist in Verbindung mit Profisport sehr, sehr schwierig. Ein mögliches Studium im Sportmanagement entsprach nicht meinen Vorstellungen. Ich entschloss mich, im November in Gießen den Test für medizinische Studiengänge zu absolvieren. Diese umfasste 8 Aufgabengruppen, vom medizinischen Grundverständnis bis zum logischen Denken. Ende Dezember lagen die Ergebnisse vor: Die Tests waren gut ausgefallen. Das im Rücken verfestigte meinen Wunsch nach der Aufnahme eines Medizinstudiums. In der Handballpause im Januar fiel, auch nach vielen Gesprächen mit meiner Familie, die Entscheidung.
Haben Sie diese mal mit Ihrem Mentor, Torwartlegende Jan Holpert, besprochen?
Meine Eltern sind mit ihm befreundet, sodass er Kenntnis von meinen Absichten bekam. „Wenn das sein Wunsch ist, dann soll er das so machen“, lautete die übermittelte Reaktion.
Als Begründung, weshalb Sie einst ins Tor wechselten, erklärten Sie: „Im Tor war mehr Action. Es ist ein besonderer Kick, wenn man einen Ball hält. Mit einer sehr guten Torwartleistung gewinnt das gesamte Team.“ Auf diesen Kick wollen Sie nun verzichten?
Das wird mir fehlen! Ich werde das Flair der Werner-Aßmann-Halle, die grandiose Stimmung vermissen. In den verbleibenden 13 Saisonspielen werde ich das alles genießen. Die Entscheidung ist, wenn auch schweren Herzens, gefallen. Wie bereits erwähnt, die Aufnahme eines Studiums stand ohnehin auf der Agenda. Den Beginn wollte ich nicht so weit nach hinten schieben. Im Herbst geht es los. Sechs Jahre Studium. Anschließend Facharztausbildung.
Leistungs-Handball und ein „gestrecktes“ Studium kamen für Sie nicht in Frage?
Ein so anspruchsvolles Studium lässt sich nicht strecken. Auch ein eventuell mögliches Medizin-Studium in Thüringen, mit täglichem Fahren, kam für mich nicht in Frage. Studium und das Maß an Professionalität in Eisenach sind nicht zu vereinbaren. Wahrscheinlich hätten beides gelitten. Ich lege den Focus auf mein Studium.
Ihr Vater ist Mediziner und der menschliche Körper interessierte Sie schon immer…?
Mein Vater ist Allgemeinmediziner mit einer eigenen Praxis am Rande von Flensburg. Mich hat von frühester Jugend der menschliche Körper interessiert, ja fasziniert, wie er funktioniert. Von klein auf bestand der Wunsch zu einem Medizinstudium. Nun folgt die Umsetzung.
Auf welches Fachgebiet möchten Sie sich spezialisieren?
Mein Humanmedizin-Studium lässt alles offen. Allgemeinmedizin oder Chirurgie interessieren mich besonders. Wohin es letztendlich geht, wird sich während des Studiums ergeben.
Wo studieren Sie, wie lange wird das Studium dauern?
Die direkte Bewerbungsphase ist im April. Der exakte Studien-Ort ist somit noch offen. Beginn ist Anfang Oktober. Es besteht aus 5 Jahren Studium mit anschließend einjährigem Praktikum. Es schließt sich über 5 bis 6 Jahre die Facharzt-Weiterbildung in einer Klinik an.
Haben Sie, aus der Mannschaftssportart Handball kommend, später die Arbeit in einer Klinik oder in einer eigenen Praxis auf der Agenda?
Das ist noch Zukunftsmusik. Ich kann mir beides vorstellen.
Auch eine Landarztpraxis?
Warum nicht? Diese hat doch einen ganz besonderen Reiz!
Was bleibt aus der Handballkarriere mit 42 Nachwuchs-Länderspielen, der Zeit bei der SG Flensburg-Handewitt, beim TuS Nettelstedt-Lübbecke und beim ThSV Eisenach, haften?
Das war eine kurze Profi-Karriere, in der ich viele schöne Freundschaften knüpfen konnte. Ich denke an die Meisterschaften im Nachwuchs mit der SG Flensburg-Handewitt, den Aufstieg mit dem TuS Nettelstedt-Lübbecke in die 1. Bundesliga. Die Nachwuchs- Länderspiele waren für mich eine besondere Ehre. Wenn vor der Partie die Nationalhymne ertönte, das erfüllte mich mit ganz besonderem Stolz!
Sie werden, so wird es transportiert, dem Handball nicht ganz entsagen, bei einem unterklassigen Verein ihrer sportlichen Liebe nachgehen, vielleicht auch in einer Studentenmannschaft spielen?
Das trifft zu. Ich werde mich einem Verein in der Nähe des Ortes von meinem Studium anschließen, wo der Trainingsaufwand nicht so hoch ist, keine langen Anfahrten nötig sind. Ich bin Handballer durch und durch, auch hinsichtlich des sozialen Umfeldes einer Handballmannschaft.
Sie wollen sich mit dem Aufstieg in die 1. Handballbundesliga vom Profisport verabschieden?
Ein klares Ja! Unsere gesamte Mannschaft und ich konzentrieren uns auf dieses große Ziel. Wir können Geschichte schreiben, für den Verein, die Stadt, die Region – und auch für uns selbst. Die Chancen stehen sehr gut. Wir arbeiten konzentriert in jeder Trainingseinheit, bestreiten mit aller Konsequenz die Punktspiele. Auch die letzten 13 der Saison. Ich will meinen Teil dazu beitragen, hoffe, ich bleibe verletzungsfrei. Ich werde alles geben, um mich mit dem Erstliga-Aufstieg des ThSV Eisenach aus meiner Profi-Karriere zu verabschieden.
Aus der Vita von Johannes Jepsen
Als fünfjähriger Steppke jagte er beim TSB Flensburg dem großen runden Leder nach. Neben der Kickerei wuchs der Reiz für eine neue Sportart. Sicherlich trug dazu auch der eine oder andere Besuch in der „Hölle Nord“ mit seinen Eltern bei, die schon seit Jahren vom Bazillus SG Flensburg-Handewitt infiziert sind. Eines Tages schaute sich Johannes Jepsen eine Übungseinheit der E-Jugend an. Ein Jahr spielte er Fuß- und Handball, bevor er sich endgültig für das kleine runder Leder entschied. Hauke Grösch nahm Johannes Jepsen in der D-Jugend der SG Flensburg-Handewitt unter seine Fittiche. „Zunächst spielte ich eine Halbzeit im Feld und eine im Tor“, erinnert sich Johannes Jepsen. „Im Tor war mehr Action. Es ist ein besonderer Kick, wenn man einen Ball hält. Mit einer sehr guten Torwartleistung gewinnt das gesamte Team. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass meine Talente im Feld nicht so berauschend waren“, ergänzt Johannes Jepsen. Er pendelte viele Jahre mit dem Fahrrad zwischen dem Elternhaus zur Duburghalle, zum Gymnasium und zur Flensburg-Akademie. Er legte erfolgreich das Abitur ab, wurde in die Sportfördergruppe der Bundeswehr aufgenommen. Die Aufnahme eines Studiums spielte seither eine Rolle.
In den Reihen der Nachwuchsteams eroberte Johannes Jepsen einige Landesmeistertitel. In der Saison 2017/2018 absolvierte er sein erstes Nachwuchs-Länderspiel. Bei der Jugendolympiade 2017 in Ungarn sprang Gold mit der deutschen Auswahl heraus. „Ein nachhaltiges Erlebnis“, schwärmt Johannes Jepsen von diesen Tagen. Vizeweltmeister wurde er mit der deutschen Nachwuchs-Auswahl 2019 in Mazedonien. Er rückte ins Bundesligateam der SG Flensburg-Handewitt auf. Es blieb bei Kurzeinsätzen. Zum Championsleague-Spiel in der Ukraine saß er aber schon mal mit im Flieger.
Zur Saison 2019/2020 standen große Veränderungen an. Um mehr Spielzeiten und damit Entwicklungschancen zu bekommen, war ein Vereinswechsel angesagt. Er entschied sich letztlich für die Offerte vom TuS Nettelstedt-Lübbecke. Für den westfälischen Zweitligisten schlug er sogar ein Angebot des ruhmreichen FC Barcelona aus. Er war eine Woche am Mittelmeer, genoss die Stadt und besichtigte das Trainingsgelände des ruhmreichen Klubs. Gleich neben den Ballwerfern residierte die Fußballabteilung, Allerdings abgeschottet. „Es fiel mit schwer, abzusagen“, gibt Johannes Jepsen unumwunden zu. „Ich wäre dritter Torwart gewesen und hätte überwiegend in der 2. spanischen Liga gespielt, die längst nicht so stark wie die 2. Bundesliga ist. Die sportlichen Perspektiven erschienen mir in Lübbecke besser“, fügt er hinzu. An der Seite erfahrener Schlussleute reifte er weiter.
Vor zwei Jahren wechselte der stets fröhliche Blondschopf nach Thüringen. Ob „Erling“ gerufen (wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Fußballstar Erling Haaland) oder „Jeppe“, ihm flogen schnell die Herzen der blau-weißen Fanschar zu. Insbesondere die der weiblichen. Alle, die Fans und der Torhüter Johannes Jepsen, werden die Wochen und Monate bis zum Ende der Saison im Juni gemeinsam genießen…….
Th. Levknecht