Erinnerung an eine Fußball-Legende der Region

Dieter Raber gehörte nahezu 17 Jahre zu den Führungsspielern von Motor Eisenach • Er verstarb kurz vor seinem 85. Geburtstag • Thomas Levknecht und Matthias Klaß mit ganz persönlichen Erinnerungen

Wiedersehenstreffen der einstigen Fußballer von Motor Eisenach im Mai 2018. Kurz vor seinem 80. Geburtstag war Dieter Raber vital wie immer dabei. Er hatte eine Kiste mit Mannschaftsfotos von einst und Artikel aus der einstigen AWE-Betriebszeitung „Der Motor“ dabei, gab viele Episoden zum Besten. Als wenn er zu diesem Treffen nur kurz Station machen würde, um dann gleich zum Training ins Wartburgstadion aufzubrechen, stilecht im Trikot von Motor Eisenach, mit kurzer Hose, leichtfüßig und ruhelos im Raum unterwegs, auf das Zuspiel eines Mitspielers wartend. Na klar, Dieter Raber hatte auch seine Gitarre dabei. Nach Auswärtsspielen stimmte er auf der Rückfahrt im kleinen „Robur“-Bus aktuelle Schlager an. Alle sangen mit. Auch an diesem Tag. Dabei waren u.a. Detlef Römhild, Gerhard Koch, Bernd „Mäxer“ Koch, Detlef Schwendler, Dieter Hotze und Uli Maul. Und ich. Im Auftrag der Lokalsportredaktion der hiesigen Zeitung. Für mich wurde Eisenacher Fußballgeschichte, erfolgreiche, an diesem Tag lebendig.

Von 1959 bis 1976 gehörte Dieter „Häckchen“ Raber zu den Führungsspielern von Motor Eisenach. Gut gefüllt waren die Ränge im Wartburgstadion. Nicht nur zur denkwürdigen Partie im FDGB-Pokal gegen den SC Motor Jena, mit Roland und Peter Ducke. Mehrere tausend Zuschauer waren keine Seltenheit. Motor Eisenach spielte in der DDR-Liga, der zweithöchsten Spielklasse der DDR. Nach Abstiegen eine Liga tiefer, der Bezirksliga. Heute sind manchmal mehr Spieler auf dem Rasen als Zuschauer unter dem Tribünendach des Wartburgstadions. Der Niedergang des Fußballs in der Stadt Eisenach erlebt gerade seinen Tiefpunkt mit dem Abstieg aus der Landesklasse.

Als 14-jähriger Schüler durfte ich, im Jahr 1958 als Sohn eines einstigen Motor-Fußballers in Eisenach geboren, hin und wieder im „Robur“-Bus mit zu den Auswärtsspielen. Am Zusteigepunkt „Grüner Baum“ hoffte ich auf einen freien Platz. Manchmal durfte ich auf dem Koffer mit den Trikots sitzen. Manchmal musste ich aber auch traurig den Bus ohne mich abfahren sehen. War ich dabei, und Dieter Raber holte – nach Siegen – auf der Rückfahrt seine Klampfe heraus und alle sangen mit, war ich ganz stolz, dabei zu sein. Auch heute, über 50 Jahre später, erinnere ich mich gern daran.

Ich erinnere mich an ein DDR-Liga-Spiel im Wartburgstadion gegen Vorwärts Meiningen. Motor Eisenach lag 0:2 zurück. Dieter Raber, schon die Mitte 30 überschritten, als Außenverteidiger aufgeboten, verwandelte zwei Strafstöße. Motor Eisenach siegte noch 3:2.

In den letzten Jahren traf ich Dieter Raber zumeist zufällig. Mal in der Kaufhalle, mal auf Sportplätzen im Kreis, aber auch mal zum Handball in der Werner-Aßmann-Halle. Gern denke ich an diese Gespräche zurück. Sie fehlen mir. Und dem Fußball unserer Region fehlen Typen wie Dieter Raber. Er verstarb kürzlich kurz vor seinem 85. Geburtstag.

Thomas Levknecht, Eisenach

Ein Pokaltreffen oder Dieter Raber – Eine Legende
Es ist das Jahr 1969. Motor Eisenach sollte nach dem Erstrunden-Sieg gegen Chemie Zeitz (2:0) in der FDGB-Pokal- Vorrunde 2 auf die Traditionsmannschaft von Chemie Leipzig treffen. 5 Jahre vorher waren die Männer aus dem Alfred-Kunz-Sportpark völlig überraschend DDR-Meister im Fußball geworden. Die Eisenacher, eine Liga tiefer angesiedelt, werden als krasse Außenseiter in dieses Spiel gehen, was 1600 Zuschauer nicht daran gehindert hat, an diesem Samstagnachmittag den Weg in das Wartburgstadion unter die Sohlen zu nehmen. Mit dabei, von Vater Günther und Onkel Peter Felsberg flankiert, der 4-jährige Matthias Klaß.

Ich erinnere mich an die Menschen, die die Hospitalstraße überschwemmten. Die Gehwege hoffnungslos überfüllt, die Kneiper entlang der Strecke machen ordentlich Umsatz und die drei Einlass-Stellen zum Stadion verzeichnen Menschenschlangen von mehreren Dutzend Metern Länge. Sie diskutieren untereinander. Wie es heute auch noch Brauch ist, bei allen Sportveranstaltungen. Weltweit. Egal ob beim Fußball, Eishockey, Handball oder Tennis. Chancen werden diskutiert und Namen fallen. Einer besonders oft. Dieter Raber. Seit 1962 zählte er zu den absoluten Leadern der Fußballer der BSG Motor. Als Midfielder erzielte er so manchen Treffer, der die Wartburgstädter in der zweiten Liga hielt. Als Vorlagengeber war er nicht minder wichtig. Man erzählte sich von großen Spielen gegen die Cracks der DDR-Oberliga von Dynamo Dresden, Lok Leipzig und dem SC Motor Jena, der später unter dem Namen Carl-Zeiss Dauergast im Europapokal sein sollte. Und in den Gesprächen wird Bewunderung laut. Für diesen Dieter Raber, der so bodenständig geblieben ist, und den Verlockungen der Oberliga nicht erlag, weil ihm seine Heimat und seine Freunde gefehlt hätten. Die BSG Motor Eisenach wird sich an diesem Nachmittag gegen den großen Favoriten ein 0:0 nach Verlängerung erkämpfen. Und weil es zu dieser Zeit im FDGB-Pokal noch kein Elfmeterschießen gab, wird ein Wiederholungsspiel in Leipzig die Entscheidung herbeiführen. 14 Tage später werden die Wartburgstädter in Leipzig mit 0:4 verlieren. Dieter Raber, verletzungsbelastet in dieses Spiel gegangen, wird nach 45 Minuten in der Kabine bleiben. Seinem Ruhm als Fußballer und Mensch in der Wartburgregion wird dies keinen Abbruch tun.

Matthias Klaß, Eisenach

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