Esplanade heißt jetzt Avital Ben-Chorin-Platz
Seit gestern, 4. Juli, heißt die Esplanade Avital Ben-Chorin-Platz. Oberbürgermeisterin Katja Wolf enthüllte gemeinsam mit Avital Ben-Chorins Tochter Ariela Kimchi das neue Straßenschild. Die Esplanade ist der geeignete Ort, weil er zwischen dem Lebensmittelpunkt der Erika Fackenheim*, dem Haus ihres Großvaters, Schmelzerstraße 14, und ihrer Schule, der damaligen Charlottenschule, heute Goetheschule, liegt.
Es ist mir eine besondere Freude, die Familie von Avital Ben-Chorin heute hier an diesem Ort begrüßen zu dürfen, so Oberbürgermeisterin Katja Wolf zur Eröffnung der Veranstaltung. Es ist eine der größten Ehren, die eine Stadt einer Persönlichkeit zuteilwerden lassen kann. Es ist für mich ein sehr emotionaler Moment, dass wir ihr heute gemeinsam diese Ehre erweisen können. Dieser Platz ist der beste, den ich mir dafür vorstellen kann. Denn er baut eine Brücke zwischen dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Fackenheim und der Schule der kleinen Erika, die beides in so jungen Jahren schmerzlich hinter sich lassen musste.
Von heute an erinnert mitten in der Stadt Eisenach, wo meine Mutter aufgewachsen ist, ein Platz an sie. Dafür danken wir als Familie allen, die dieses Zeichen der Erinnerung möglich gemacht haben, bedankte sich Tochter Ariela Kimchi.
100 Jahre alt wäre Avital Ben-Chorin in diesem Jahr geworden.
Avital Ben-Chorin war nicht nur eine hochgeschätzte Ehrenbürgerin. Sie war eine außergewöhnliche Frau, deren Kraft ich nur bewundern kann: Eine Vermittlerin zwischen den Religionen, Generationen und Nationen. Sie fand trotz ihrer Vertreibung im Jahr 1936 und des Verlustes Ihrer Familie in der Shoa die Stärke, eine Freundin des neuen Eisenachs zu werden, das doch immer ein Stück ihrer alten Heimat geblieben war. Sie wurde zur Vermittlerin einer Botschaft, die das Erlittene nicht negierte und dennoch in die Zukunft blickte. Unzählige Eisenacherinnen und Eisenacher haben dieser Botschafterin bei ihren Besuchen in der Wartburgstadt gern und aufmerksam zugehört. Wir werden ihr Andenken bewahren und sind stolz, einen nach ihr benannten Platz inmitten der Stadt zu haben, sagte Oberbürgermeisterin Katja Wolf.
Die Umbenennung der Esplanade ist ein Teil von mehreren Veranstaltungen, die das Leben und Wirken Avital Ben-Chorins würdigen. Bereits am 3. Juli wurde das Kunstprojekt „Erinnerung an Avital“ am ehemaligen Wohnhaus der Familie Fackenheim in der Schmelzerstraße 14 eröffnet.
Hinzu kommen Begegnungen mit Schülerinnen und Schülern des Elisabeth-Gymnasiums und der Goetheschule. Im Rokokosaal des Stadtschlosses fand am Abend eine Festveranstaltung zum 100. Geburtstag Avital Ben-Chorins statt.
*Avital Ben-Chorin wurde als Erika Fackenheim am 25. Februar 1923 in Eisenach geboren.
Zur Person
Avital Ben-Chorin wird als Erika Fackenheim am 25. Februar 1923 in Eisenach und einziges Kind von Alfred und Herta Fackenheim, geb. Oppenheim, geboren. Ihre Eltern und andere Familienangehörige werden 1944 in Auschwitz ermordet.
Sie lebt und arbeitet in Jerusalem, ist israelische Hebräischlehrerin, Übersetzerin, literarische Sekretärin und Publizistin. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Schalom Ben-Chorin wird sie zur Pionierin des deutsch-israelischen Jugendaustauschs und Mitgründerin der ersten jüdischen Reformgemeinde in Israel und des israelischen Zweiges der „Women’s International League for Peace and Freedom“ (WILPF). Mit Schalom Ben-Chorin ist sie seit 1943 bis zu dessen Tod 1999 verheiratet. Das Paar hat eine Tochter, Ariela (geb. 1958).
Ab 1933 engagiert sich Erika Fackenheim im Jüdischen Pfadfinderbund Deutschlands (IPD). Im Jahr 1936 nimmt sie auf Anraten ihrer Eltern die Möglichkeit der Jugendalija wahr und reist mit einer Gruppe des Berliner Kinderheims „Ahawah“ nach Palästina aus. Von 1936 bis 1940 lebt sie im Kinder- und Jugendheim „Ahawah“ in Kirjat Bialik bei Haifa. Sie wird Vorstandsmitglied in der Nachfolgeeinrichtung des „Ahawah“-Heims, dem Kinderheim „Neve Hannah“ in Kirjat Gat. Dort beteiligt sie sich an der Betreuung der deutschsprachigen Volontäre. Sie arbeitet sie als Kindergartenhelferin in Ramat Gan und studiert Pädagogik. Ab 1942 setzt sie ihre Ausbildung am Lehrerseminar in Jerusalem fort.
Als israelische Soldatin nimmt sie 1948 während der Belagerung Jerusalems am Unabhängigkeitskrieg teil. Von 1949 an arbeitet sie als Hebräischlehrerin (unter anderem am Schwedisch-Theologischen Seminar) und als Übersetzerin. Journalistisch ist sie unter anderem in der Redaktion der Jugendabteilung des Jüdischen Nationalfonds (KKL) tätig. Im Hause des Staatspräsidenten Jizchak Ben Zwi und seiner Ehefrau Rachel Yanait übernimmt sie die Aufgabe der literarischen Sekretärin.
In Jerusalem knüpft Avital Ben-Chorin vielfältige literarische Kontakte, unter anderem zu Max Brod, Martin Buber, Lola Landau, Else Lasker-Schüler und Arnold Zweig. In besonderer Weise trägt sie zum literarischen, theologischen und religionsphilosophischen Lebenswerk ihres Ehemannes Schalom Ben-Chorin bei. Sie widmet sich schließlich der Pflege seines literarischen und wissenschaftlichen Nachlasses.
Avital Ben-Chorin ist Mitbegründerin und Mitglied des israelischen Zweiges der Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF).
1956 besucht Avital Ben-Chorin zum ersten Mal seit ihrer Alija (Einwanderung von jüdischen Menschen ins Land Israel) 1936 Deutschland, um ihren Ehemann zu dessen Vorträgen zu begleiten, hält später selbst Vorträge und engagiert sich in der Aktion Sühnezeichen, unmittelbar nachdem diese Organisation ihre Arbeit in Israel aufgenommen hat (1961). Sie ist aktiv im Freundeskreis der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) und der HaGoschrim/Dienste in Israel. Von 1963 bis 1973 organisiert Avital Ben-Chorin – teils allein, teils mit ihrem Ehemann – erste Reisen von israelischen Jugendgruppen nach Deutschland.
Seit den 1970er Jahren hält sie Vorträge in Israel, Deutschland und der Schweiz zu Fragen des israelisch-deutschen und des jüdisch-christlichen Dialogs vor dem Hintergrund ihrer eigenen Lebenserfahrungen. Sie steht zahlreichen Besuchergruppen aus Deutschland und deutschen Volontären in Israel als Gesprächspartnerin für Einführungen in das Judentum und für einen Gedankenaustausch über die israelisch-deutschen Beziehungen zur Verfügung.
Im Jahr 2012 erhält sie die Ehrenbürgerwürde der Stadt Eisenach und 2013 das Bundesverdienstkreuz. Sie stirbt am 6. Oktober 2017 in Haifa in Israel. Ein Teil ihres Nachlasses befindet sich im Stadtarchiv Eisenach.