Großer Denker, geschickter Diplomat – Nachruf Egon Bahr

Wenn man einen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Ort Treffurt fragt, so stammt er entweder aus der Wartburgregion und kennt sich aus oder er wird im Internet danach suchen. Fragt man aber einen Menschen nach Egon Bahr, so werden viele auch ohne Google wissen, wer es ist. Dabei war Bahr Treffurter.

Als ich das erste Mal mit Egon Bahr in Kontakt kam, da war es in Form einer Dokumentation. Dieser ältere offenbar sehr freundliche Mann saß vor einem grauen Screen und erzählte von seinem Freund, Chef und politischen Gefährten Willy Brandt. Erst einige Jahre später erfuhr ich, dass Bahr ganz aus meiner Nähr stammte – aus Treffurt. Genau das machte ihn mir noch sympathischer als er im Fernsehen schon wirkte.

Vor zwei Jahren dann war es soweit, der Mann, der 1989 mit einem Aufgebot an Polizei und in großen Hubschraubern erstmals wieder offiziell in seine Heimatstadt Treffurt zurückkam, tat es wieder. Anlässlich des Landtagswahlkampfes besuchte Bahr Treffurt und nutzte die Chance nicht nur mit SPD-Politikern ins Gespräch zu kommen sondern sich auch mit den Bürgern der Stadt zu unterhalten.

Eine Legende kommt nachhause  titelte unsere Plattform damals nach seinem Kurzbesuch im Bürgerhaus. Und dies war, besonders aus der Nachbetrachtung heraus nicht übertrieben. Der frühere Minister für besondere Aufgaben hatte es schon beim Eintreten geschafft, dass alle Herzen ihm zuflogen. Mit großem Einfühlungsvermögen, ehrlichem Respekt und viel Sachverstand diskutierte und erzählte Bahr über die deutsch-deutsche Geschichte, seinen Freund Willy Brandt und seiner stetigen Sehnsucht nach der Heimat. Dabei machte Bahr ein Credo wahr, das der große Denker und der geschickte Diplomat bereits viel früher geprägt hat und das ihn wohl bis zum Tode hin begleitete: Verstand ohne Gefühl ist unmenschlich; Gefühl ohne Verstand ist Dummheit.


Egon Bahr verstarb am 20. August 2015 93-jährig in seiner Wahlheimat Berlin an einem Herzinfarkt.

 

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