Handball: Jule hat seine Silke geheiratet

Im Herbst 1999 kam der Franzose Stephane Joulin zum Handballerstbundesligisten ThSV Eisenach. Er eroberte die Herzen der Fans unter der Wartburg wie im Sturm. Gleich bei seinem ersten Einsatz im Eisenacher Trikot spielte er sein Gegenüber namens Stefan Kretzschmar regelrecht schwindlig, verzauberte mit seinen Würfen von Rechtsaußen nahezu von der Torauslinie die Werner-Aßmann-Halle, steuerte selbst neun Treffer zum Sieg des ThSV Eisenach über den haushohen Favoriten SC Magdeburg bei. Das Eisenacher Publikum liebte fortan den sensiblen, einfühlsamen Franzosen, nannte ihn liebevoll «Jule». Bis zum Sommer 2003 trug Stephane Joulin das Trikot des Thüringer Traditionsvereins in Deutschlands höchster Spielklasse.

Im wohl einzigartigen Fluidum des Reuter-Wagner-Museums stimmten sich einst die Erstliga-Handballer des ThSV Eisenach mit ihrem Trainer Rainer Osmann und ihrem exzellenten Rechtsaußen Stephane Joulin auf die Punktspielaufgaben ein. Mannschaft, Verantwortliche und Fans trafen sich in ausgesprochen niveauvollem Rahmen im Vorfeld der Meisterschaftsserien. Kultur und Sport, Identifikation des Handballteams mit seiner Stadt, wurden hier gelebt. Mit viel Engagement, Herzblut und Sachverstand wird das Reuter-Wagner-Museum seit 1980 von Gudrun Osmann, der Ehefrau von Rainer Osmann, geleitet.

Für einen bedeutenden Tag in seinem Leben kehrte der inzwischen 37-jährige Stephane Joulin aus St. Raphael in das Reuter-Wagner-Museum am Fuße der Wartburg zurück. Der einstige Weltklasse-Handballer mit über 100 Auswahleinsätzen für Frankreich gab hier seiner langjährigen aus Eisenach stammenden Lebensgefährtin Silke das Ja-Wort. Der gemeinsame inzwischen dreijährige Sohn Ruben war natürlich dabei.
Gudrun Osmann verwies auf den bedeutungsvollen Ort. «Im Jahr 1910 hat ein Eisenacher Bürgermeister gesagt: Eisenach ist bekannt als Luther- und Bachstadt. Dazu kann die Stadt aber nichts. Johann Sebastian Bach wurde 1685 in Eisenach geboren. Martin Luther wurde 1521 auf der Wartburg festgesetzt. Der Dichter Fritz Reuter jedoch hat sich auf der Höhe seines Ruhmes 1863 bewusst für Eisenach entschieden.» Rainer Osmann freute es, dass sein einstiger Schützling Eisenach auserkoren hatte, um den Bund fürs Leben zu schließen. «Es ist für meine Frau und mich sehr schön, für die Stadt insgesamt», unterstrich das Urgestein des Eisenacher Handballs. Ein Filmzusammenschnitt der glanzvollen Joulin-Tore für den ThSV Eisenach, ein Geschenk mit Unterstützung der Firma Möller Elektro-Service für «Jule», ließ bei Rainer Osmann Wehmut aufkommen.
Zu den Gratulanten im Garten des Reuter-Wagner-Museum zählten Familienangehörige, Freunde und ehemalige Mannschaftskameraden. Jörn Schläger, Mannschaftskapitän und kampfstarker Rückraumspieler aus gemeinsamen Eisenacher Zeiten, kürzlich selbst Vater einer Tochter geworden, reiste aus dem hohen Norden an. Er ist inzwischen Trainer beim Regionalligisten HSV Insel Usedom. Präsident Gerhard Sippel und Marketing-Geschäftsführer Uwe Ostmann überbrachten beste Grüße und Wünsche des ThSV Eisenach. Fans des ThSV Eisenach hatte ein Transparent aufgespannt, auf dem in einem Herz geschrieben stand, «Silke + Jule, viel Glück».
Barbara Stöber, seit 50 Jahren den Handball in Eisenach begleitend, überbrachte Blumen. Werner Stumpe, treuer Fan des ThSV Eisenach, ließ im Garten der Villa seine Fanfare mit 115 Dezibel erklingen. «Ob sich Jule noch daran erinnert», fragte er sich. Na klar, erinnerte sich Stephane Joulin und lud Werner Stumpe kurzerhand zur abendlichen Hochzeitsfeier in die Gaststätte «Zum Waldbad» nach Mosbach mit ein.

Stephane Joulin wechselte im Sommer 2003 zu Ciudad Real nach Spanien und schaffte mit seinem Heimatverein St. Raphael 2007 als Aktiver den Aufstieg in die erste französische Liga. Damit endete die leistungssportliche Kariere mit den kleinen runden Leder. «Die Zeit ist vorbei», hatte Stephane Joulin schon im Vorjahr bei einem Besuch in Eisenach und natürlich bei einem Punktspiel des jetzt in der 2. Bundesliga spielenden ThSV Eisenach erklärt. Stephane Joulin arbeitet in der Bibliothek in St. Raphael, ist Angestellter der Stadtverwaltung. Ehefrau Silke, einst in Eisenach im Reisebüro tätig, arbeitet als Verkäuferin bei einem Raumausstatter. Zwei bis dreimal im Jahr wird die Familie Joulin weiterhin nach Eisenach kommen – zu Rainer und Gudrun Osmann und sicherlich auch zum ThSV Eisenach…!