Ich fühle mich fit für noch zwei Jahre Leistungshandball

Über Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges – Nachgefragt bei Eisenachs neuem Rekordtorschützen Adrian Wöhler

Adrian Wöhler, heute 34 Jahre, kam im C-Jugend-Alter aus dem heimischen Dingelstädt (Eichsfeld) zum Nachwuchsprojekt des ThSV Eisenach, bezog seinerzeit Quartier im vereinseigenen Sportinternat. Er durchlief alle Nachwuchsteams, schaffte über die 2. Männermannschaft den Sprung in den Bundesligakader. Seit knapp 16 Jahren ist er für die erste Mannschaft des ThSV Eisenach auf Linksaußen am Ball. Herrscht Personalnot hilft der junge Familienvater auf Rechtsaußen oder auch mal an der Kreismitte aus. Adrian Wöhler ist mit Alexandra Scheidt verheiratet, der Tochter des ehemaligen Eisenacher Bundesligatorhüters Stefan Scheidt. Sie freuen sich über zwei gemeinsame Kinder, ein Mädchen (4 Jahre) und einen Jungen (7).

Der ThSV Eisenach ist eine sehr gute Handball-Adresse. Ich bin stolz, hier so lange zu spielen, erklärt Adrian Wöhler und hofft auf noch ein bis zwei Jahre im Trikot des Thüringer Traditionsvereines.

Kürzlich übernahm Adrian Wöhler die Spitze in der ewigen Torjägerliste des ThSV Eisenach. Diese hatte über viele Jahre Rückraumspieler Titel Raduta inne, der von 1993 bis 2000 in 216 Pflichtspielen für die Wartburgstädter 1.187 Treffer markierte. Um den Rumänen, von den ThSV-Fans zum „Spieler des Jahrzehnts“ der 90er Jahre gewählt, auf der Spitzenposition abzulösen, benötigte Adrian Wöhler nahezu 510 Einsätze seit dem Jahr 2005. Der Dienstälteste im aktuellen Aufgebot des Thüringer Zweitbundesligisten wird mit nunmehr 1.195 Toren geführt. Platz 3 belegt Tomas Sklenak (1060 Treffer in 305 Spielen) vor Benjamin Trautvetter (939 Treffer in 270 Spielen). Es folgen Daniel Luther 907 Tore in 375 Einsätzen (2006 bis 2019) und Stephan Just 808 Tore in 185 Einsätzen (1996 bis 2003); alle nicht mehr aktiv.

Wir sprachen mit Adrian Wöhler über Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges:
Am 03.05.2005, im DHB-Pokal-Spiel bei der SG Bietigheim (Endstand 33:30 für die Gastgeber) bestritten Sie Ihr erstes Pflichtspiel. Am 27.10.2006, im Punktspiel bei der SG HBR Ludwigsburg (Endstand 31:26 für die Gastgeber), markierten Sie Ihren ersten Pflichtspieltreffer für die erste Mannschaft des ThSV Eisenach. Erinnern Sie sich noch?
Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich erinnere mich aber an meine ersten Tage als C-Jugendlicher beim ThSV Eisenach. Ich kam ja erst im Herbst, spielte zuvor in Leinefelde Handball, das Schuljahr hatte schon begonnen. Ich war einen anderen Rhythmus gewohnt, habe das erste Training verschlafen. Im ersten Punktspiel habe ich gleich 9 Tore markiert. Während meiner Zeit im Nachwuchs habe ich stets an der Kreismitte gespielt. Mit Erfolg!

Wie ordnen Sie für sich den ersten Platz in der ewigen Torjägerliste des ThSV Eisenach ein?
Das ist ein schöner Nebeneffekt in meiner langen Laufbahn.

Haben Sie Titel Raduta noch live auf dem Parkett erlebt?
Mein Bruder Karsten kam ja 1998 vom THW Kiel zum ThSV Eisenach. Mit unserem Vater bin ich dann zu den Heimspielen nach Eisenach gefahren, habe Titel Raduta live in der Werner-Aßmann-Halle gesehen. Ich erinnere mich gern an den tadellosen Sportsmann aus Rumänien.

Sie kamen im Jahr 2001 aus Dingelstädt nach Eisenach. Wie war das?
Ich habe mit dem Handball erst im Alter von 11 Jahren begonnen. Ich hatte mich im Basketball, im Volleyball, Turnen und Badminton probiert. Mein Bruder Karsten war mein absolutes Vorbild. Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich nicht beim Handball gelandet. Ihn haben wir auch in der großen Arena in Kiel gesehen. Faszinierend! Andreas Herold, seinerzeit Übungsleiter beim ThSV Eisenach, hat sich dafür stark gemacht, dass ich schon als C-Jugendlicher ins seinerzeit von Maritta Just geleitete ThSV-Internat aufgenommen wurde. Mit dem ein Jahr später aus Sinzheim gekommenen Stefan Kneer lernte ich dann am Elisabeth-Gymnasium in Eisenach.

Wer waren Ihre Übungsleiter im Nachwuchsbereich?
Hauptsächlich Andreas Herold und Peter Hattenbach. Aber auch Matthias Allonge und Stephan Albrecht gehörte zu meinen Trainern.

Was fasziniert Sie am Handball?
Handball ist eine relativ kompakte Sportart: strategisch, körperlich, schnell ausdauernd, attraktiv.

Im Nachwuchs haben Sie stets an der Kreismitte gespielt, wechselten dann erst im Erwachsenen-Bereich auf die Linksaußenposition, helfen – wenn Not an Mann – auch auf Rechtsaußen aus…?
Mit meinen 81 Kilogramm wurde ich im Männerbereich für den Kreis als zu leicht befunden. Andrej Kastelic war seinerzeit die Nummer 1 auf Linksaußen. Jacob Schlichter sollte als junger Spieler an seine Seite rücken. Doch er entschied sich für ein Studium in Leipzig. So rückte ich auf die Linksaußenposition. Im Jahr 2007 kehrte mein Bruder Karsten aus Melsungen zurück. Wir beide besetzten dann zwei Jahre die Linksaußenposition. Ich habe bei Trainer Achim Ursinus auch viel auf Rechtsaußen gespielt. Manche Mitspieler meinten, ich werfe von Rechtsaußen besser als von Linksaußen…

Was waren Ihre wichtigsten Treffer?
In der Saison 2017/2018 traf ich in letzter Sekunde mit einem Wurf aus der eigenen Hälfte zum Sieg beim Wilhelmshavener HV und zum Strohhalm im Abstiegskampf. Letztendlich stiegen wir doch in die 3. Liga ab. Im ersten Jahr und Velimir Petkovic gelangen mir beim Heimsieg in der 1. Liga über Balingen-Weilstetten in den letzten 20 Minuten 4 wichtige Treffer.

Was ist Ihnen aus den 16 Jahren positiv, was negativ in Erinnerung?
In einem Punktspiel in der 2. Liga Süd gegen den TV Korschenbroich gelangen mir 13 Tore. Das vergesse ich nicht. Achim Ursinus war der erste Trainer, der mir mehr Spielanteile einräumte. Die Zusammenarbeit mit Christoph Jauernik war sehr schön. Und auch die zwei Jahre mit Sead Hasanefendic als Trainer stufe ich als sehr positiv ein. Sternstunden waren natürlich die Aufstiege in die 1. Bundesliga. Gern erinnere ich mich aber auch an den Rückaufstieg in die 2. Bundesliga. Negativ, der Abstieg in die 3. Liga, ja die gesamte Abstiegssaison. Die Vorsaison hatten wir unter Trainer Christoph Jauernik mit einem respektablen 8. Platz abgeschlossen. Den Abstieg haben wir als Mannschaft verbockt. Da trugen weder Trainer oder Manager die Schuld.

Wie sah es mit Verletzungen aus?
Ich war gerade 21 Jahre, da erlitt ich in Erlangen im Duell mit Torhüter Andreas Bayerschmidt einen Ellenbogen-Bruch. Es folgte eine 14-wöchige Handballpause. Ansonsten bin ich von längeren Verletzungen verschont geblieben. Entzündungen, Rücken-Probleme, manchmal Probleme mit dem Knie, aber eben keine langen Zwangspausen. Ich hatte Glück.

Welche Mitspieler sind in Ihrer Erinnerung besonders positiv haften geblieben?
Da ist klar an erster Stelle Hannes Jon Jonsson zu nennen. So einem Typ Spieler und Mensch bin ich nicht wieder begegnet. Ein absolutes Vorbild, ein Leitwolf, vom Charakter besonders prägend. Ich durfte viele gute Mitspieler kennenlernen. Stellvertretend, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, möchte ich Benjamin Trautvetter, Tomas Sklenak, Girts Lilienfelds, Nicolai Hansen und natürlich Daniel Luther, mit dem ich über all die Jahre zusammengespielt habe, nennen. Es waren insgesamt deutlich mehr positive als negative Charaktere.

Welche Wurftechnik bevorzugen Sie?
Ich bin kein großer Techniker. Ich bin, wie erwähnt, kein gelernter Außen. Ich springe so gut wie möglich ab und versuche das Leder im Tor unterzubringen, nutze dabei meine Physis und Athletik. Früher habe ich Heber probiert. Dreher sind nicht mein Ding.

Schauen Sie sich im Vorfeld von Spielen im Video die gegnerischen Torhüter an?
Gelegentlich. Früher mehr als jetzt.

Nach dem Karriere-Ende von Daniel Luther gehören Sie zu den Siebenmeter-Werfern. Haben Sie da eine besondere Herangehensweise? Einen Lieblingswurf werden Sie uns bestimmt nicht verraten?
Hauptsache scharf. Ich bin kein Techniker.

Wie sehen Sie Ihre Rolle als Dienstältester und ältester Feldspieler?
Ich sehe mich in keiner Extra-Rolle. Ich bin lange in Verein, weiß, wie vieles läuft, habe auch in der Stadt ganz viele Kontakte. Ich versuche stets zu helfen, eine positive Ausstrahlung zu erzeugen. Ich bin ein ganz normaler Spieler.

Sind Sie mit dem bisherigen Verlauf Ihrer Handball-Karriere zufrieden? Gab es Momente, in denen Sie an einen Vereinswechsel gedacht haben?
Im Großen und Ganzen bin ich mit meiner Laufbahn zufrieden. Sicher, in früheren Jahren, als es nicht so richtig lief, habe ich schon mal an einen Vereinswechsel gedacht. Aber ich habe mich ja immer zurückgekämpft. Dann gründete ich mit Alexandra eine Familie, die Kinder kamen hinzu und ich fühle mich ja wohl beim ThSV Eisenach. Ich spiele hier gern Handball. Es gab keinen Grund zum Wechsel, schon gar nicht für ein paar Euro mehr.

Mit 34 denkt man sicherlich schon mal an die Zeit nach dem Handball?
Ich studiere Grundschul-Lehramt für Mathematik, Deutsch und Sport. Im Sommer will ich meinen Bachelor abschließen. Es folgen zwei Jahre Master-Studium. Dann werde ich 37.

Ans Aufhören denken Sie aber noch nicht?
Mein Vertrag läuft nach dieser Saison aus. Ich fühle mich fit. Ich hoffe, ich kann unserer Mannschaft noch in vielen Situationen helfen, kann noch ein bis zwei Jahre Teil der Mannschaft sein. Eisenach ist eine sehr gute Handball-Adresse. Ich bin stolz, hier so lange Handball zu spielen. Leistungssport, Studium und Familie, das alles zu stemmen, dafür braucht man die richtige Frau an seiner Seite. In Alexandra habe ich diese Frau. Sie hält mir den Rücken frei. Eine gute Gelegenheit, ihr an dieser Stelle einmal öffentlich Danke zu sagen!

Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage Ihrer Mannschaft einschließlich des Trainerwechsels? Bisher blieb der ThSV Eisenach wohl hinter den Erwartungen?
Wir legten einen klassischen Fehlstart hin. In den knapp 16 Jahren erlebte ich das nicht das erste Mal. Die Situation ist für mich nicht neu. Unter unserem neuen Coach Misha Kaufmann haben wir zwei von drei Spielen gewonnen. Ich halte ihn für einen sehr strategischen und unheimlich ehrgeizigen Trainer, der uns gut zu Gesicht steht. Ich bin mir sicher, wir werden den Fehlstart über kurz oder lang ausbügeln.

Derzeit ruht für Ihre Mannschaft der Punktspielbetrieb. Zwangspause aufgrund einer Vielzahl von positiver Corona-Fälle….
Leider hat es uns erwischt, trotz der Einhaltung der Hygienevorschriften. Die mit Corona infizierten Spieler befinden sich in Quarantäne. Der Rest, und das ist wirklich nur ein kleiner Teil, trainiert. Keiner weiß, wie sich das Corona-Virus auf seinen Körper auswirkt. Ein „Zurück-zum-Leistungssport-Test“ mit Schwerpunkt Herz steht vor der Rückkehr auf das Parkett.

Danke für das offene Gespräch!

Th. Levknecht

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