Neue Stolpersteine in Eisenach: Gedenken auch an verfolgte Sozialisten und Kommunisten

Zwölf neue Stolpersteine sind gestern (18. März) in Eisenach verlegt worden. Die Steine sollen an alle Verfolgten des Nationalsozialismus erinnern. Deshalb sind heute auch erstmals Steine für verfolgte und ermordete Sozialisten und Kommunisten in das Straßenpflaster eingesetzt worden. „Die Stolpersteine sind eine historische Bereicherung und ein neuer Weg der Erinnerungskultur auch hier in Eisenach“, sagte Christiane Leischner vom Bündnis gegen Rechtsextremismus Eisenach. Sie nahm zusammen mit Oberbürgermeisterin Katja Wolf, weiteren Vertretern des Bündnisses gegen Rechtsextremismus Eisenach sowie mehreren Spendern und Eisenacher Bürgerinnen und Bürgern an der feierlichen Veranstaltung teil. Verlegt wurden die Steine wie immer vom Berliner Künstler Gunter Demnig. Er hatte die Idee zu dem Projekt, das in Eisenach seit 2009 fester Bestandteil ist. 94 Steine befinden sich seit heute im Stadtgebiet.
Der Auftakt der Verlegung fand in der Stedtfelder Straße vor dem Haus mit der Nummer 19 a statt. Dort hatte der Eisenacher Sozialist Willy Enders zuletzt gewohnt. Enders, geboren am 11. April 1886 in Sonneberg, lebte seit 1908 in Eisenach. Bereits 1905 trat er der SPD bei. In den 1920er Jahren arbeitete Enders als Bibliothekar der Gewerkschaftsbibliothek Eisenach. Er engagierte sich im Widerstand gegen die Nationalsozialisten. Als Mitglied des ISK (Internationaler Sozialistischer Kampfbund) wurde Enders am 5. Januar 1938 verhaftet. Zwei Tage später, am 7. Januar 1938, beging er im Gerichtsgefängnis Eisenach Selbstmord.
An einen Eisenacher Kommunisten erinnert seit heute ein Stolperstein für Heinrich Zieger. Zieger wurde am 24. Februar 1900 in Eisenach geboren. Ab 1928 war er Organisationsleiter der KPD, Unterbezirk Eisenach, und blieb das bis zu seiner Verhaftung im April 1933. Heinrich Zieger war außerdem Mitbegründer des Rot Front Kämpferbundes und als solcher im Widerstand gegen die Nationalsozialisten aktiv. Im Dezember 1933 wurde Zieger in Eisenach zum zweiten Mal verhaftet, am 28. Dezember 1933 tot in seiner Gefängniszelle aufgefunden. Während es „Selbstmord durch Öffnen der Pulsadern“ im offiziellen Sterbedokument heißt, gehen andere Quellen davon aus, dass Zieger „von Gestapoleuten“ erschlagen worden war. Zieger lebte zuletzt in der Frankfurter Straße 104.
Weitere Stolpersteine sind in der Straße Rennbahn, Bahnhofstraße, Karlstraße und Georgenstraße verlegt worden.
Oberbürgermeisterin Katja Wolf überreichte Gunter Demnig als Dankeschön die aktuelle Ausgabe des Buches „Stolpersteine in Eisenach“. „Das ist ein wunderbares Stück Geschichte“, sagte sie.
Hierzu werden Fotos angeboten
Stolpersteine
Auf der Oberseite der Steine befindet sich eine beschriftete Messingplatte mit Angaben zur Person: Name, Geburtsdatum, Tag der Deportation und Ort der Ermordung. Finanziert werden die Steine von verschiedenen Gruppen, Vereinen, Interessengemeinschaften und zahlreichen weiteren Paten. Wer eine Patenschaft übernehmen möchte, meldet sich bitte beim Bündnis gegen Rechtsextremismus Eisenach (E-Mail: bgr@tuz-eisenach.de; Telefon 0172/1458702). Ein Stein kostet 120 Euro.
 
Spender der Stolpersteine 2014
Roland Kabisch, Soroptismist Club Eisenach, Klaus Wuggazer, ein anoymer Spender, SPD, Die LINKE., Erika Hermanns, Stefan Engel, BRH-Bund der Ruhestandsbeamten, Kathrin Beck und Stephan Gütermann, Andreas und Evelyn Richter, Der Tanzverein Eisenach.
 
Stolpersteine 2014:

Bahnhofstraße 27

HIER WOHNTE
ELLEN BLÜTH
JG. 1929
HEIMATORT VERLASSEN
1938 ICHENHAUSEN
DEPORTIERT 1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Karlstraße 44

HIER WOHNTE
WERNER HEILBRUNN
JG. 1905
HEIMATORT VERLASSEN
(unbekannt) FRANKFURT/M.
DEPORTIERT 1942
MAJDANEK
ERMORDET 4.7.1942
 

Rennbahn 28

HIER WOHNTE
HENRIETTE KATZ
GEB. SELIGMANN
JG. 1857
HEIMATORT VERLASSEN
1936 FRANKFURT/M.
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 25.3.1943

Rennbahn 8

HIER WOHNTE
RUTH DORIS
KNORRINGA
JG. 1923
1937 HEIMATORT VERLASSEN
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
 
HIER WOHNTE
HERMANN
KNORRINGA
JG. 1883
1937 HEIMATORT VERLASSEN
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
 
HIER WOHNTE
JULIE KNORRINGA
GEB. FALKENSTEIN
JG. 1886
1937 HEIMATORT VERLASSEN
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Anzeige

Karlstraße 51

HIER WOHNTE
META LÖWENSTEIN
GEB. SELIGMANN
JG. 1870
HEIMATORT VERLASSEN
1934 BERLIN
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
TREBLINKA
ERMORDET 1942

Georgenstraße 44/46

HIER WOHNTE
WERNER ALFRED
LÖWENSTEIN
JG. 1912
(unbekannt) HEIMATORT VERLASSEN
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 1943
 
HIER WOHNTE
JULIUS MOSER
JG. 1887
(unbekannt) FLUCHT
HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 1943
 
HIER WOHNTE
EUGENIE MOSER
GEB. ROSENFELD
JG. 1883
(Unbekannt) FLUCHT
HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 1943

Stedtfelder Straße 1a

HIER WOHNTE
WILLY ENDERS
JG. 1886
IM WIDERSTAND / SPD
VERHAFTET 1938
FLUCHT IN DEN TOD
7.1.1938
GERICHTSGEFÄNGNIS EISENACH

Frankfurter Straße 104

HIER WOHNTE
HEINRICH ZIEGER
JG. 1900
IM WIDERSTAND / KPD
VERHAFTET 1933
FLUCHT IN DEN TOD
28.12.1933
BEZIRKSGEFÄNGNIS EISENACH