Stanislaw Gorobtschuk: Reaktivierter Torwarttrainer des ThSV Eisenach
„Den Willen haben zu gewinnen hat jeder, aber nur die besten haben den Willen, das Gewinnen auch vorzubereiten.“
Handball-Torhüter Stanislaw Gorubtschuk wurde am 16.04.1988 in Frankfurt/Oder geboren. Beim ortsansässigen ESV Frankfurt/Oder war er bis 2005 am Ball. Sein Talent sprach sich bis nach Gummersbach herum. Von 2005 bis 2007 stand Stanislaw Gorobtschuk beim VfL Gummersbach unter Vertrag, spielte aber in der Saison 2007/2008 für den Leichlinger TV und in der Saison 2008/2009 für den TuS Ferndorf. Ausgenommen eine einjährige Stippvisite bei der SG BBM Bietigheim (2015/2016) gehörte Stanislaw Gorobtschuk von 2009 bis 2020 zum Torhüterteam des ThSV Eisenach. Von 2020 bis 2022 trug der 1,93 Meter große Keeper das Trikot des Drittligisten HSC Bad Neustadt. Mit Beginn der Saison 2022/2023 ist er zurück beim ThSV Eisenach: als Torwarttrainer und Mitarbeiter der Geschäftsstelle der ThSV-Marketing GmbH. Seit kurzem steht er wieder im Rampenlicht. Erik Töpfer zog sich eine schwere und langwierige Verletzung zu. Zur Absicherung von Johannes Jepsen wurde Stanislaw Gorobtschuk mit einem Spielerpass ausgestattet. Aus der Absicherung wurden inzwischen längere Einsatzzeiten. Beim jüngsten 29:24-Erfolg des ThSV Eisenach beim VfL Potsdam beorderte ihn Trainer Misha Kaufmann zwischen der 14. und 55. Minute ins Tor. Mit 8 abgewehrten Bällen in entscheidenden Phasen, darunter zwei Kopftreffer, war der 34-jährige Schlussmann nicht unwesentlich am Erfolg zum Jahresausklang beteiligt. Der ThSV Eisenach hat die Schwelle zum neuen Kalenderjahr auf dem 2. Tabellenplatz überschritten.
Wir sprachen mit Stanislaw Gorobtschuk:
Stand das Ende Ihrer eigenen Laufbahn ursächlich mit der neuen Stelle beim ThSV Eisenach zusammen?
Ja und nein. Ich hätte wohl in Bad Neustadt weitergespielt, jedoch auch nur dort oder bei einem Verein in der Nähe. Der Fokus lag bei mir eher auf der beruflichen Komponente. Da kam die Möglichkeit vom ThSV Eisenach genau richtig. Schön, dass es geklappt hat, Manager Rene Witte, der Sportliche Leiter Maik Nowak und Trainer Misha Kaufmann mir das Vertrauen nach einem halbjährigen „Praktikum“ als Torwart-Trainer gegeben haben.
Vergessen also, dass Ihr Vertrag beim ThSV Eisenach im Sommer 2020 nicht verlängert wurde?
Was heißt vergessen?! Natürlich war ich enttäuscht im Jahr 2020, jedoch war es rein sportlich verständlich, da ich überhaupt gar nicht die Möglichkeit vom damaligen Coach Sead Hasanefendic bekam, zu spielen. Über die Gründe lässt sich freilich diskutieren, doch das ist lange her und interessiert mich jetzt nicht mehr. Deshalb gab es da nie böses Blut dem Verein gegenüber.
Im Februar 2022 kam dann der ThSV auf mich zu und hat mir die Möglichkeit eröffnet, nochmal für den Verein zu spielen, jedoch nur unter der Prämisse für ein halbes Jahr. Der Anreiz war die anschließende Option der Anstellung als Torwart-Trainer und Mitarbeiter der Geschäftsstelle. Leider hat mir mein damaliger Verein, der HSC Bad Neustadt, dies verwehrt. Also habe mich dazu entschlossen, den Vorschlag des unentgeltlichen Torwart-Trainers dem Verein anzubieten, um zu zeigen, was ich kann und auch um zu schauen, ob es mir liegt. Vorab gab es viele Gespräche, sei es mit Misha Kaufmann, Maik Nowak oder Rene Witte. Dort wurde alles besprochen und auch ausgesprochen.
Sie wurden als Torwarttrainer und Mitarbeiter der Geschäftsstelle der ThSV-Marketing GmbH eingestellt. Was obliegt da Ihrem Aufgabenbereich?
Mein Aufgabenbereich ist da sehr breit gefächert im Zusammenhang mit der Organisation des Spielbetriebes. Angefangen von trivialen Aufgaben wie Lagertätigkeiten, zu sorgen, dass Trikots und Poster für Fans und Sponsoren unterschrieben werden, bis hin zu Fragen von Belangen der Mannschaft, wie die Abfahrt zu planen, Trikots, Kuchen für die Jungs etc… Richard Schieck und ich organisieren und kümmern uns um die Einlauf- und Spalierkinder. Auch der beliebte Schoolsday liegt in unseren beiden Händen.
Stand von Beginn fest, dass Sie im Notfall ins Tor rücken?
Die Eventualität wurde besprochen, also Ja. Wir sprachen aber nur über einen Zeitraum von Krankheitsfällen, nie über einen so langen Zeitraum. Es ist wie es ist und wenn ich dem Verein irgendwie helfen kann, bin ich zu allem bereit.
Fakt ist es, dass es mich ungemein schmerzt, dass Erik Töpfer, der so ehrgeizig und lernwillig ist, so lange ausfällt. Wir haben ja durch die Arbeit von Haus aus eine enge Beziehung. Schön ist, dass er trotz allem seinen Humor nicht verloren hat. Er meinte trocken, dass wir in der Zeit seiner Verletzung einfach die Rollen tauschen. Allerdings ohne den Bereich Geschäftsstelle.
Mit 34 Jahren sind Sie eigentlich im besten Torwartalter, reich an Erfahrungen, da dürfte Ihnen Ihr Comeback nicht so schwer gefallen sein…?
So leicht war das nicht, die letzten Wochen waren schon unheimlich anstrengend. Würfe erschienen unhaltbar für mich, ich kam nur sehr, sehr schwer vom Fleck, war behäbig und schon nach dem Erwärmungskick hätte ich nach Hause gehen können, da die Luft raus war. Es war ein Kaltstart von 0 auf 100, da ich keinen Sport mehr gemacht habe, außerdem bin ich leider nicht gerade sehr fürsorglich mit meinem Körper umgegangen, dass bezieht sich insbesondre auf die Ernährung. Nach 17 Jahren im Profigeschäft, wollte ich einfach mal nicht verzichten, sprich, ich habe gegessen, was ich wollte und auch ein Bier durfte nicht fehlen. Jetzt gilt es sich wieder zusammen zu reißen und zumindest 10 kg bis Februar zu verlieren. Unabhängig, ob ich spiele oder nicht. Den Fehler, nicht auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, werde ich nicht noch einmal begehen. Außerdem werden es mir mein Körper und Geist danken, wenn ich wieder bewusster lebe und regelmäßig trainiere. Fakt ist auch, dass ich nicht Wasser vor den Jungs predigen kann, um dann selbst Wein (Bier) zu trinken.
Am letzten Spieltag des Jahres 2022, beim Sieg in Potsdam, standen Sie über 40 Minuten im Tor, waren Sie auf einen längeren Einsatz vorbereitet?
Gehofft habe ich es nicht, da es ja im Umkehrschluss geheißen hätte, dass Johannes Jepsen nicht liefert. Vorbereitet war ich in dem Sinne, dass ich vier Wochen voll mit der Mannschaft trainiert habe und ich mich von Woche zu Woche wohler im Tor fühlte. Jedoch bin ich meilenweit von meiner körperlichen Bestform entfernt. Diese gilt es jetzt in der Wintervorbereitung zu erreichen, koste es was es wolle. Das würde auch der Mannschaft und insbesondere Johannes Jepsen helfen, da er nicht mehr den unheimlichen Druck verspüren würde, zwei Torhüter zu ersetzen. Fakt ist aber auch, dass der Schwerpunkt auf ihn liegt. Er sollte es als Segen ansehen, das versuche ich ihm auch jeden Tag zu vermitteln, er kann nicht verlieren mit 22 Lenzen, sondern nur lernen.
Hinter einer 5:1-Abwehr im Tor zu stehen, ist sicherlich ein ungewohntes Gefühl? Wie kommen Sie damit klar?
Eigentlich nicht, da wir erstens die Abwehr jeden Tag im Training behandeln und thematisieren, trainieren und zweitens, wir die 5:1 Abwehr in einer anderen Form auch schon sehr erfolgreich unter Velimir Pekovic gespielt haben. Die Job- Beschreibung eines Torhüters liegt ja im Wesentlichen darin, Bälle zu halten. Ob das hinter einer 6:0-, 3:2:1- oder der 5:1-Abwehr passiert, ist doch egal. Fakt ist, dass wir weniger Bälle hinter unsere Abwehr halten werden, aber dafür mehr freie halten müssen, um auf eine gute Quote zu kommen. Und die ist entscheidend. Torhüter des ThSV Eisenach werden aktuell selten mit 18 gehaltenen Bällen notiert, jedoch des Öfteren mit einer guten Quote. Im Endeffekt zählt nur eines, zwei Punkte für die Mannschaft.
Gehören Sie zu den Torhütern, die sich vorab mit den Wurfbildern der Spieler des Kontrahenten beschäftigen?
Absolut. Jeder Spieler hat seine Schokoladen-Seite und seinen Schokoladen Wurf. Früher hatte ich extra Ordner von Mannschaften, die ich mit den Spielern und deren Wurfbildern gefüttert habe. Wechselt der Spieler X den Verein, habe ich seine angefertigten Wurfbilder zu der neuen Mannschaft mit rüber genommen. Mit sehr viel Video schauen, kann ich dann kontrollieren, ob sich was an seinem Wurfbild geändert hat. Kommt eine neue Mannschaft oder ein neuer Spieler in die Liga, der sich viele Würfe nimmt, muss man halt dann vielleicht noch ein extra Video schauen. Das liegt auch in meiner Verantwortung als Torwart-Trainer, den Jungs Videoszenen mit Würfen und Aktionen zu zeigen, die uns erwarten. Es gilt herauszuarbeiten, wie der Spieler X in welcher Situation wirft, welche Bälle wir unbedingt halten wollen, wie wir Fallen stellen können, um den Spieler eine Ecke aufzudrängen. Jedoch bin ich kein Fan vom stupide in eine Ecke springen. Jede Spielsituation ist eine andere und sollte auch so bewertet werden. Kommt es jedoch zu Absprachen und „mein Torwart“ hält sich nicht daran, kann es auch schon mal lauter auf der Bank werden.
Fakt ist jedoch Intuition, Stellungsspiel, Block lesen und Reaktion sind nur 50%, genauso wichtig ist die Vorbereitung vor dem Spiel und dazu zähle ich das Video schauen. Den Willen haben zu gewinnen hat jeder, aber nur die besten haben den Willen, das Gewinnen auch vorzubereiten.
Wie stellt sich die Zusammenarbeit des Torwarttrainers und nun Torhüterkollegen Stanislaw Gorobtschuk mit Johannes Jepsen dar?
Im Großen und Ganzen hat sich nicht viel geändert. Ich pflegte auch vorher schon ein kollegiales Verhältnis zu unseren beiden Keepern Erik Töpfer und Johannes Jepsen. Ein Beispiel: Ich fragte nach Lieblingsübungen im Tor oder dergleichen vor dem Spiel; sie sollen sich wohlfühlen und das ist das wichtigste im Tor. Ich schreibe ihnen nichts vor. Gefühle werden im Sport unterschätzt.
Es geht und wird niemals bei mir um die Person Gorobtschuk gehen. Wir sind ja ein Team im Team! Halten die Jungs schlecht, bekomme ich genauso eins auf den Deckel wie die beiden. Spielen sie gut, stehe ich aber sehr gerne im Hintergrund. Ich kann ihnen nur den Weg ebnen, aber betreten müssen sie ihn selber. Die guten Trainer werden hoffentlich meinen Weg und meine Schule erkennen. Ich hoffe, meine Schule und Analyse werden für sich stehen. Falls nicht, muss man das akzeptieren und weiter lernen.
Die einzige Aussage, die ich zu Johannes Jepsen getätigt habe, war, dass er sich nichts von mir abschauen soll, da wir komplett unterschiedliche Torwart-Typen sind. Er soll ein „Steher à la Niclas Landin“ werden, dazu hat er zu 100% die Anlagen und das Talent. Mein Anspruch ist, dass ich ihn zu einem guten Bundesliga Spieler forme. Alles andere wäre eine persönliche Niederlage für mich.
Was zeichnet die aktuelle Mannschaft aus?
Diese Mannschaft hat mich ab den ersten Moment meiner Tätigkeit im Februar 2022 überrascht und eingenommen. So jung und trotzdem so reif! Nach einiger Zeit habe ich begriffen, warum das so ist. Alle verfolgen ein Ziel, von der Geschäftsstelle bis hin zur Mannschaft, nämlich jeden Tag besser zu werden. Diese geschaffene Kultur hängt mit mehreren Personen zusammen. Zu nennen sind Misha Kaufmann, Maik Nowak, Rene Witte, Athletiktrainer Alex Nöthe und – wen man nicht vergessen darf – ist Jonathan Bloß, der trotz seines jungen Alters eine ganz wichtige Funktion in der Marketing GmbH einnimmt. Wir profitieren von den innovativen Ideen. Dass die Mannschaft talentiert ist, sieht jeder. Jedoch ist die Entwicklung von einem Abstiegs- zu einem Aufstiegskandidaten binnen 12 Monaten ein riesiger Verdienst insbesondere unseres Trainers Mischa Kaufmann (nicht umsonst steht er zur Wahl des besten Trainers) und seines Trainer-Teams. Er wählt seinen Stuff gewissenhaft aus. Schön, dass ich Teil dieser Erfolgsgeschichte sein darf.
Ihr Team befindet sich gerade ein einer kurzen Regenationspause um den Jahreswechsel. Im Februar werden die Punktspiele fortgesetzt. In welcher Rolle ist Stanislaw Gorobtschuk dabei?
Ich weiß es Stand jetzt nicht. Mein persönliches Ziel ist es, dass die Torhüter gut spielen, ob ich Teil davon bin oder nicht. Am liebsten Johannes Jepsen, da er ja momentan die Nummer 1 ist. Entscheiden sich die Verantwortlichen der Marketing GmbH, ich bin sein Partner, werde ich alles dafür geben, ein gutes Gespann mit ihm zu bilden. Entscheidet man sich, jemand Neues zu holen, werde ich den neuen Torwart mit offenen Armen empfangen und so gut wie irgend möglich auf die Spiele vorbereiten. Ich bin und bleibe Torwart, sei es in einer anderen Funktion, die schönste und undankbarste Position zu gleich: Wir gewinnen und verlieren Spiele. Welche Position im Handball kann das von sich behaupten?
Schauen Sie noch nach Ihrem Ex-Verein HSC Bad Neustadt, aus der 3. Liga abgestiegen und nun – trotz 94 Treffer des ehemaligen Eisenacher Rekordspielers Adrian Wöhler – gar in der Abstiegsrunde der Bayern-Liga, kämpft dort ab Ende Januar ums „sportliche Überleben“…?
Das mir auch der Verein HSC Bad Neustadt am Herzen liegt, ist kein Geheimnis. Viele Vereine habe ich in meiner Karriere zum Glück nicht kennen lernen müssen. Ich habe dort dank Frank Ihl und Benjamin Trautvetter samt dem familiären Umfeld den Spaß am Handball wiedererlangt. Leider ging Benjamin Trautvetter und die Corona-Pandemie hat ihr Übriges getan. Wir hatten eine gute Mannschaft mit Benjamin Herth, Max Drude, Franzikus Gerr und dem Eisenacher Eigengewächs Noah Streckhardt, die sogar gegen den Tabellenführer HG Saarlouis um ihren damaligen Kapitän Peter Walz gewonnen hat. Die Ungewissheit, wann es weiter geht und falsche Versprechungen, haben leider die Mannschaft auseinandergerissen. Es bricht mir ein Stück weit das Herz, dass wir überhaupt aus der 3.Liga abgestiegen sind, besonders weil auch ich mein Leistungsniveau nicht abrufen konnte. Fakt ist aber auch, dass das Team und ich auch den Abstieg verdient haben. Interne Streitereien haben mich an die Abstiegssaison in Eisenach erinnert. In die Vergangenheit schauen bring niemanden was, wenn man nicht daraus lernt. Siehe Eisenach.
Dass Adrian Wöhler einen tollen Job dort machen wird, war mir klar. Es freut mich von ihm zuhören, dass er trotz Niederlagen Spaß hat. Ich hoffe einfach persönlich für ihn und für Trainer Frank Ihl, dass der Klassenerhalt gelingt. Der Verein und das Umfeld haben keine 5.-Klassigkeit verdient.
Jederzeit sind Spieler des HSC Bad Neustadt zu unseren Spielen eingeladen. Der genaue Termin steht noch nicht genau fest, aber ich bin mit Jugendleiter Peter Hahn im Kontakt.
Interview: Th. Levknecht