Behinderte bei Jobsuche chancenlos: Ausgleichsabgabe deutlich erhöhen!

In den zurückliegenden Wochen wurde öfters die Problematik der Arbeitsplatzsuche von Menschen mit Behinderungen in den lokalen Medien thematisiert.

Nach § 77 SGB IX sind alle privaten und öffentlichen Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen verpflichtet, wenigstens 5 % dieser Plätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Für jeden nicht mit einem schwerbehinderten Menschen besetzten Pflichtarbeitsplatz muss eine Ausgleichsabgabe gezahlt werden. Zum 01. Januar 2012 wurde diese folgendermaßen gestaffelt:

Erfüllungsquote bis 2012 (monatlich) ab 01.01.2012 (monatlich)
3 bis unter 5 Prozent 105 € 115 €
2 bis unter 3 Prozent 180 € 200 €
0 bis unter 2 Prozent 260 € 290 €

Bei solchen geringen Abgaben ist es aus meiner Sicht überhaupt kein Wunder, dass ein Arbeitgeber lieber einen Arbeitnehmer ohne Behinderung einstellt als einen Behinderten Menschen zu verpflichten.
Deshalb bin ich zu der Auffassung gelangt, dass die Ausgleichsabgabe deutlich angehoben werden muss.

Wenn die Konjunktur brummt, dann werden Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zuletzt geschaffen. Kommt eine Krise, verlieren diese als erste ihren Job.

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Auch aus eigener Erfahrung (Salzunger, 25, seit Geburt schwerbeschädigt) kann ich nichts erfreuliches berichten. Schon nach dem Hauptschulabschluss begannen die Schwierigkeiten bei der Suche nach einem für mich ausführbaren Beruf. Das Jobcenter konnte nicht helfen. Erst durch eine Initiative des MDR, an den ich mich damals wandte, konnte ich auch mit Hilfe durch das Integrationsamt Suhl den Beruf des Bürokaufmannes erlernen.
Erst nach einem Rechtsstreit vorm Sozialgericht Gotha wurde mir gegen das Jobcenter der PKW zugesprochen den ich zum Erreichen des Ausbildungsbetriebes brauchte, weil ich öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen kann.
Nach Ausbildungsabschluss wurde ich nur als Hilfskraft für 4 Stunden täglich und minimaler Bezahlung beschäftigt, so dass ich weiter auf das Jobcenter angewiesen war. Nachdem die finanzielle Unterstützung seitens des Integrationsamtes auslief, war ich im Betrieb regelrechtem Mobbing ausgesetzt. Schließlich wurde mein Arbeitsplatz ersatzlos gestrichen und ich wurde gekündigt. Trotz massenhafter Bewerbungen bekam ich nur Absagen, obwohl sich die Gesamtsituation auf dem Arbeitsmarkt der Region mittlerweile recht gut gestaltet.

Auch andere Betroffene können vom Eindruck berichten, dass man sie am liebsten dazu drängen möchte, ihre Ziele am Arbeitsmarkt aufzugeben und von geringer staatlicher Stütze zu leben. Hauptsache, sie «nerven» nicht mehr.

Seit 2009 gibt es die UN-Behindertenrechtskonvention, die auch Deutschland unterschrieben hat – seit 2012 auch Thüringen. Menschen mit Behinderung verdienen den gleichen Respekt und haben die gleiche Würde. Sie sind meist besonders engagiert und wollen beweisen, was sie können. Wenn man ihnen die Gelegenheit dazu gibt. Deshalb kann man nur alle Arbeitgeber dazu aufrufen, sich zu trauen und Menschen mit Handicap eine Chance zu geben, statt sie auszugrenzen.

Aber Papier ist geduldig und mit Tricks werden die vorgegebenen Ziele umgangen.
So bekommt man das Gefühl, dass hier nur Beruhigungspillen verteilt werden.
Es geht hier nicht um Sonderrechte, sondern um gleiche Rechte. Es geht darum, unnötige Hürden abzubauen. Behindert ist man nicht. Behindert wird man.

Christian Schließmann

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