Bei der Bundestagswahl 2002 hat jeder zwei Stimmen

Der Bundeswahlleiter macht darauf aufmerksam, dass bei der Bundestagswahl am 22. September 2002 jeder Wähler zwei Stimmen hat:

– Eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten (auf der linken, schwarzgedruckten Hälfte des Stimmzettels) und

– eine Zweitstimme für die Wahl der Landesliste einer Partei (auf der rechten, blaugedruckten Hälfte des Stimmzettels).

Auf jeder Hälfte des Stimmzettels darf der Wähler nur einen Wahlvorschlag kennzeichnen, z. B. durch jeweils ein Kreuz in den aufgedruckten Kreisen. Kennzeichnet der Wähler auf der linken Seite des Stimmzettels mehrere Wahlkreisvorschläge, führt dies zur Ungültigkeit seiner Erststimme. Mehrere Kreuze auf der rechten Seite des Stimmzettels (Landeslisten der Parteien) haben die Ungültigkeit der Zweitstimme zur Folge.

Der Wähler braucht seine Erststimme sowie seine Zweitstimme nicht derselben Partei zu geben. Vielmehr kann ein Wähler seine Erststimme und seine Zweitstimme „splitten“ (sog. Stimmensplitting), indem er seine Erststimme für den Wahlkreisbewerber eines bestimmten Wahlvorschlagsträgers und seine Zweitstimme für die Landesliste eines anderen Wahlvorschlagsträgers abgibt.

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Der Wähler kann sich auch darauf beschränken, nur eine Stimme, sei es die Erst- oder die Zweitstimme, abzugeben; in einem solchen Fall zählt die jeweils nicht abgegebene Stimme als ungültig.
Mit seiner Erststimme bestimmt der Wähler unmittelbar, welcher Bewerber seines Wahlkreises ihn im Deutschen Bundestag vertreten soll, während er mit der Zweitstimme die Landesliste der von ihm bevorzugten Partei mit einer Vielzahl von Bewerbern in der dort festgelegten Reihenfolge wählt.

Für die Sitzverteilung, d. h. für die Stärke der Parteien im Deutschen Bundestag , sind grundsätzlich die für die Landeslisten der Parteien bundesweit abgegebenen Zweitstimmen ausschlaggebend, da die 598 Sitze im Deutschen Bundestag im Verhältnis der jeweils bundesweit erzielten Zweitstimmen auf die Parteien verteilt werden. Es handelt sich also im Grundsatz um ein Verhältniswahlsystem. Unberücksichtigt bei der Sitzverteilung bleiben Parteien, die weniger als 5 Prozent der gültigen Zweitstimmen im Bundesgebiet erhalten oder die nicht mindestens drei Wahlkreissitze errungen haben.

Durch die Erststimme für Wahlkreisbewerber wird die Verhältniswahl aber durch Elemente der Mehrheits- und Persönlichkeitswahl ergänzt. In jedem der 299 Wahlkreise ist der Bewerber gewählt, der die einfache Mehrheit der gültigen Erststimmen erhalten hat.
Das Prinzip der Verhältniswahl bleibt für das Ergebnis der Bundestagswahl grundsätzlich bestimmend, weil die von den Parteien auf Grund der Erststimmen errungenen Wahlkreissitze im jeweiligen Bundesland von den Sitzen abgezogen werden, die ihnen nach ihrem Zweitstimmenergebnis auf Bundesebene zustehen. Vom Grundsatz, dass die Zweitstimme die maßgebende Stimme für die Verteilung der Sitze im Deutschen Bundestag ist, weicht das Bundestagswahlrecht ab, wenn für eine Partei Überhangmandate entstehen. In diesen Fällen verbleiben der jeweiligen Partei alle Wahlkreissitze, so dass auch die Erststimme das Stärkeverhältnis zwischen den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien mitbestimmt.

Überhangmandate fallen dann an, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Wahlkreissitze erlangt hat, als ihr dort auf Grund der Zweitstimmen Landeslistensitze zustehen. Die direkt erworbenen Wahlkreissitze verbleiben dann der Partei und die Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bundestag erhöht sich um die Zahl der Überhangmandate.

Die Gründe für das Entstehen von Überhangmandaten sind vielfältig, wobei die Gründe für sich und von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich wirksam sein können. Zum Entstehen von Überhangmandaten kann auch das erwähnte Stimmensplitting beitragen. Bisher wurde verschiedentlich vor Bundestagswahlen das Stimmensplitting als Möglichkeit herausgestellt, wie Anhänger einer Partei, die voraussichtlich im Deutschen Bundestag vertreten sein wird, durch ihre Zweitstimmen einer anderen Partei das Überwinden der sog. 5 %-Klausel ermöglichen können. Die Möglichkeit von Überhangmandaten gibt dem Stimmensplitting eine weitere Bedeutung für das Wahlergebnis: Anhänger einer Partei, die kaum Aussicht auf Wahlkreissitze hat, können ihre Erststimmen einer anderen Partei geben und damit für diese die Möglichkeit des Anfalls von Überhangmandaten vergrößern.

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