Offener Brief vom 08.10.2019 an die Mitglieder des Stadtrates von Kaltennordheim

Sehr geehrte/r ….,

die Gemeindeneugliederung zum 01.01.2019 hat in der Hohen Rhön zu einem Kreiswechsel Ihrer Stadt Kaltennordheim geführt, der von einer Vielzahl der Menschen insbesondere aus den noch „jungen“ Stadtteilen Andenhausen, Klings und Fischbach nicht mitgetragen wurde. Eindrücklich deutlich wurde dies durch die Bürgerbefragung am 26. Mai 2019, in der sich die Mehrheit der Wähler aus den 3 Dörfern für eine Angliederung an die Gemeinde Dermbachausgesprochen hat. Die seinerzeitigen Stadtratsmitglieder haben in Ihrem Beschluss vom 26.03.2019 besonderen Wert darauf gelegt, dass alle für die Kommunalwahl geltenden Regularien bei der Befragung eingehalten werden müssen. Wenngleich eine frühzeitigere Befragung der Wunsch Vieler gewesen ist, zeugt dies letztlich vom Vertrauen in demokratische Prozesse, sowohl bei den Stadträten als auch bei den Wählern.

Mir ist bewusst, dass für Sie als Stadtratsmitglieder die Entscheidung darüber sehr schwierig ist, ob Sie den Menschen in den Ortsteilen Andenhausen, Fischbach und Klings ihren Wunsch, nach Dermbach zu wechseln, erfüllen können oder ob die Besorgnis über etwaige Nachteile für die strukturelle Entwicklung Ihrer Stadt überwiegt.

Ihr Ringen um die richtige Entscheidung zeigt mir, dass Sie Ihr Mandat verantwortungsbewusst wahrnehmen. Ich halte die in letzter Zeit vielfach bemühte Sorge um den Erhalt des Status´ als Grundzentrum für unbegründet. Dies wurde am 25.09.2019 auch durch das Innenministerium klargestellt. Zudem gibt es außer Kaltennordheim – mit den drei Ortsteilen oder ohne sie – keine Kommune, die in diesem Bereich grundzentrale Funktionen erfüllen kann. Anderweitige Behauptungen entbehren jeder Grundlage.

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Die Geschehnisse in Kaltennordheim haben eine öffentliche Ausstrahlung, die mittlerweile über die Thüringer Rhön hinausreicht. Die Demokratie ist historisch betrachtet nie eine Selbstverständlichkeit, sondern stets eine Errungenschaft; in Kaltennordheim wie überall in der ehemaligen DDR erst seit drei Jahrzehnten. Sie selbst konnten am 26.05.2019 bei Ihrer Wahl in den Stadtrat von Kaltennordheim auf das Funktionieren eines demokratischen Prozesses vertrauen. Es ist für gewählte Repräsentanten der vornehmste Beitrag zur Verwirklichung des Gemeinwohls, sich in ihren Entscheidungen des Vertrauens in die Demokratie als würdig zu erweisen. Wird das Vertrauen in die Demokratie dadurch erschüttert, dass das in einem fein abgestimmten Verfahren eingeholte Votum der Menschen missachtet wird, so wird der Vertrauensschaden für die Demokratie nachhaltig sein.

Der aus einer Missachtung des Bürgerwillens langfristig resultierende Schaden für unser Gemeinwesen, dem wir alle gemeinsam verpflichtet sind, wiegt weitaus schwerer als beispielsweise die Folgen, die sich aus einer Verringerung der Einwohnerzahl für die Leistungen im Rahmen eines Finanzausgleichs ergeben.

In den nächsten Wochen werden Sie – nicht der Bürgermeister, sondern SIE, auf Grundlage Ihres individuellen, eigenständigen Urteils – nicht nur über Andenhausen, Fischbach und Klings entscheiden, sondern auch über Ihr eigenes demokratisches Selbstverständnis zur Anerkennung eines mehrheitlichen Bürgerwillens.

Dankbar dafür, in einem demokratischen Staat zu leben,
grüße ich Sie herzlich

Ihr Reinhard Krebs    

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