Städte können sich nicht vertrösten lassen

Mit einem eindringlichen Appell an Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat zur Gemeindefinanzreform und dem Beschluss eines Leitbildes für die Stadt der Zukunft hat der Deutsche Städtetag Donnerstag seine Hauptversammlung in Mannheim beendet.
Vor dem Hintergrund der schwersten Finanzkrise der Städte seit Bestehen der Bundesrepublik sowie neuer Nachrichten über weiter sinkende Steuereinnahmen forderten die Städte, die Gewerbesteuer zum 1. Januar 2004 zu reformieren und die Kommunen durch eine Zusammenführung aller erwerbsfähigen Bezieher von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in der Verantwortung des Bundes in Milliardenhöhe zu entlasten. Die Städte begrüßten die Zusage des Kanzlers, beide Reformschritte bis zu diesem Zeitpunkt umzusetzen. Diese ersten vordringlichen Maßnahmen duldeten „absolut keinen Aufschub“, heißt es in einer Resolution des Städtetages zur Gemeindefinanzreform.

Die von der Hauptversammlung heute für zwei Jahre zur Präsidentin des Deutschen Städtetages gewählte Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth erklärte zum Abschluss des Kongresses: „Wir brauchen die Gemeindefinanzreform dringend zum 1. Januar 2004. Die Reform muss unsere Einnahmen durch die Gewerbesteuer stärken und unsere Ausgaben bei der Sozialhilfe deutlich reduzieren. Wir haben keine Zeit mehr, um uns noch weiter vertrösten zu lassen. Das belegen auch die Ergebnisse der aktuellen Steuerschätzung. Die Städte schneiden bei ihren Steuereinnahmen in 2003 im Vergleich zum Vorjahr deutlich schlechter ab als Bund und Länder. Das ist ein erneutes Alarmzeichen.“ Hohe Defizite, der tiefe Absturz der Investitionen, der steile Anstieg der Sozialausgaben, die drückende Aufgabenlast müssten jetzt gestoppt werden. Unsere Städte dürften nicht weiter Schaden nehmen.

Nach den Ergebnissen der jetzt abgeschlossenen Steuerschätzung, so berichtete der an der Schätzung beteiligte Deutsche Städtetag, gehen die kommunalen Steuereinnahmen im Durchschnitt aller Städte und Gemeinden 2003 gegenüber 2002 erneut um rund 1 Milliarde Euro – das sind 2,0 Prozent – auf 51,5 Milliarden Euro zurück. 2001 hatte das Minus bereits 5,4 Prozent betragen, 2002 weitere 2,8 Prozent. Innerhalb der kommunalen Steuereinnahmen ist bei der Gewerbesteuer nach der aktuellen Steuerschätzung für 2003 gegenüber dem Vorjahr mit 7,5 Prozent erneut ein besonders starkes Minus zu erwarten. Damit beläuft sich der Rückgang der tatsächlichen Gewerbesteuereinnahmen der Städte und Gemeinden – nach Abzug der Gewerbesteuerumlage – zwischen 2000 und 2003 auf rund 5 Milliarden Euro. In 2003 wird nur noch ein Gewerbesteuervolumen von netto 16,4 Milliarden Euro erwartet.

In ihrer Resolution zur Gemeindefinanzreform stellten die 900 Delegierten der Hauptversammlung fest, Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat dürften die Reform „auf keinen Fall verzögern oder gar verhindern“. Die modernisierte Gewerbesteuer müsse wieder Steuergerechtigkeit herstellen und die Verbindung zwischen Wirtschaft und Kommunen festigen. Allen Versuchen der Wirtschaft, mit einem Zuschlagsmodell die Finanzierungslast von der Wirtschaft auf die Lohn- und Einkommensteuerzahler verlagern zu wollen, müsse eine klare Absage erteilt werden.

Zur Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe stellten die Städte fest, die dadurch entstehenden Entlastungen müssten in vollem Umfang in den kommunalen Haushalten verbleiben: „Wir brauchen die freiwerdenden Mittel, um wieder investieren zu können und um unsere eigentlichen Aufgaben wahrnehmen zu können.“ Die Städte erklärten sich ausdrücklich bereit, den Bund bei der Umsetzung eines eigenständigen Leistungsrechtes für alle Langzeitarbeitslosen zu unterstützen, wenn der Bund die Leistungen finanziere und die Aufgabe bei der Bundesanstalt für Arbeit angesiedelt werde.

Der zum Vizepräsidenten gewählte Oberbürgermeister von Hannover, Dr. Herbert Schmalstieg, erklärte: „Die Städte müssen für die Zukunft endlich die Gewissheit haben, dass der Bund künftig seine Verantwortung zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit voll wahrnimmt, auch für die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger. Die Städte werden im Gegenzug auf der Basis von Verträgen und auf Rechnung des Bundes ihre Instrumente der Beschäftigungsförderung einbringen. Das heißt, in den Jobcentern stehen wir den Arbeitsämtern zur Seite.“ Damit das neue Leistungsrecht des Bundes gelingen könne, müssten einheitliche Leistungsvoraussetzungen für die Langzeitarbeitslosen aus den heutigen Systemen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe gelten, und die Leistungen müssten sich am Sozialhilfeniveau orientieren.

Zu dem vom Deutschen Städtetag verabschiedeten Leitbild für die Stadt der Zukunft, das sich mit der künftigen Rolle der Städte in allen städtischen Aufgabenfeldern auseinandersetzt, sagte Städtetagspräsidentin Petra Roth: „Die Städte setzen mit diesem Leitbild ein wichtiges Modernisierungssignal. Sie machen deutlich, wie leistungsfähig die Städte in unserem Staat und unserer Gesellschaft sind. Sie definieren ihre Rolle im Verhältnis zu den staatlichen Ebenen neu. Sie plädieren dafür, Verantwortlichkeiten neu aufzuteilen, insbesondere in der Sozialpolitik. Wir wollen als Städte mit diesem Leitbild unsere klare Bereitschaft zum Ausdruck bringen, uns selbst zu modernisieren und in einer globalisierten Welt weiterzuentwickeln.“

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