These von Heuss an die Wartburg schlagen

Am Vorabend des heutigen Reformationstages erhielt Dr. Hildegard Hamm-Brücher den Wartburgpreis. Burghauptmann Günter Schuchardt über die 81-jährige Politikerin und den Preis: «Ein Preis für europäisches Denken und Handeln, für Toleranz im Umgang miteinander und auf allen Ebenen des kulturellen Lebens im vielfältigsten Sinne, so im Politischen, in der politischen Kultur, im Persönlichen, im Glauben, in der Gesellschaft freier Bürgerinnen und Bürger, der Demokratie, besser noch der Bürgerdemokratie». Deshalb freue er sich, dass dies gerade einige der Themen im Demokratisierungsprozess der Nachkriegs- und Nachwendezeit von Hildegard Hamm-Brücker waren.
Die Laudatio zum Preis wurde von Sachsens Ministerpräsident a.D. Dr. Kurt Biedenkopf gehalten. Er zeichnete den Lebenswerk der promovierten Chemikerin auf, die in Essen geboren, 1948 jüngste Stadträtin von München und schließlich Staatsministerin in Bonn wurde. 1994 wurde sie als erste Frau zur Wahl des Bundespräsidenten vorgeschlagen. Damit brach man in Deutschland ein Tabu. Biedenkopf betonte, dass Frau Hamm-Brücher immer einen Blick für die politische Kultur und ihre eigene engagierte Auffassung vom Parlamentarismus hatte. Ihre politischen Ziele als liberale Politiker verfolgte sie mit Charme und Energie. Eine ihrer bedeutenden Aktivitäten war 1964 die Gründung der http://www.theodor-heuss-stiftung.de/(Theodor-Heuss-Stiftung).
Mit bewegten Worten dankte die Geehrte der Wartburg-Stiftung für die Ehrung. Sie verwies auf die Bedeutung Eisenachs für die Liberalen in Deutschland. «Hier in Eisenach sprach Theodor Heuss 1947vor Liberalen aus Ost und West, es sollte das einzige mal bleiben.» Und Heuss bezeichnete sie als ihren politischen Ziehvater. Sie setzte sich in ihrer Rede mit der Rolle der Demokratie heute auseinander, zeigte die Folgen der Politikverdrossenheit der Bürger auf. Sie forderte eine Selbstbescheidung der politischen Parteien, deren Mitgliederzahlen sich auf 3,5 Prozent der Wahlbevölkerung reduzierten, und eine Stärkung der bürgergesellschaftlichen Mitwirkung. Hieran hätten zehnmal so viel Bürger teil, so eine Untersuchung.
Dr. Hamm-Brücher: «Hier eröffnet sich ein demokratiepolitisches Tätigkeitsfeld, dessen Bestellung überfällig ist. – Deshalb und auch als Mahnung könnte das einschlägige Heusszitat, gleichsam als These», am Reformationstag anno 2002 an die Mauern der Wartburg angeschlagen werden! Zitat: ´Wenn unsrer Verfassung nicht im Bewusstsein und in der Freude des Volkes lebendig ist, bleibt sie eine Machtgeschichte von Parteienkämpfen, die wohl notwendig sind, aber nicht den inneren Sinn der Verfassung erfüllen.`»
Die Preisträgerin weiter: «Die Parteibuchwirtschaft boomt wie eh und je und die Transparenz demokratischer Entscheidungsprozesse lässt nach wie vor zu wünschen übrig: Kurz und nicht gut und gröber gesagt: Die Staatsgewalt geht nicht vom Volke, sondern von den Parteien aus.»
Dr. Hildegard Hamm-Brücher freute sich, dass es gegenwärtig einen Schulversuch zur Demokratiewerdung gebe. Daran nehme auch die Goetheschule in Eisenach teil.
An die Wartburg selbst haben sie sehr schöne Erinnerungen, in den 80er Jahren war sie zweimal auf der Burg zu Gast.
Die Vorsitzende des Stiftungsrates der Wartburg-Stiftung und Thüringer Ministerin Prof. Dr. Dagmar Schipanski übereichte den Preis. Dabei handelt es sich um eine vom Hallenser Bildhauer Bernd Göbel geschaffene Bronzeplastik mit Bergkristall.

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