7. Hallesche Erklärung

Fremde werden Nachbarn – Diakonie engagiert für gelingende Integration

Fast 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Immer mehr Flüchtlinge suchen Schutz in Europa und häufig in Deutschland. Unsere Gesellschaft steht vor Herausforderungen, die Sorgen bereiten und Ängste auslösen, aber auch Kräfte mobilisieren. Auch Sachsen-Anhalt und Thüringen verändern sich. Länder, deren Bevölkerungszahlen gesunken sind durch Wegzug und eine geringe Geburtenrate, erleben nun einen raschen Zuwachs. Wir sehen diese Entwicklung als Chance. Flüchtlinge und Migranten sind Hoffnungsträger für unsere Gesellschaft. Deutschland braucht Zuwanderung.
Nur so können unsere Sozialsysteme auch künftig funktionieren. In einigen Bereichen der Gesundheits- und Sozialarbeit werden schon heute dringend Fachkräfte gesucht.
Wir brauchen die schnelle und unbürokratische Anerkennung von im Ausland erworbenen Ausbildungen und Abschlüssen ebenso wie Qualifizierungsangebote. Flüchtlinge sollten schnellstmöglich an Deutschkursen teilnehmen können und schnell Zugang zu Kindertageseinrichtungen, Schulen und Ausbildungsstätten erhalten.

Die Aufnahme und Integration von Flüchtlingenin Deutschland steht in einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung. Wir nehmen diese Verantwortung seit langem wahr. Darüber hinaus wollen wir Länder und Kommunen im Rahmen unserer Möglichkeiten unterstützen. Wir stellen uns unserer christlichen Verantwortung in der Hilfe für alle Menschen durch praktischen Dienst und durch öffentliches Eintreten gegen Fremdenfeindlichkeit, Hass und Rassismus. Wir sind Mitgestaltende einer Willkommenskultur und arbeiten für eine gelingende und wirkungsvolle Integration. Wir sehen keineswegs unsere Identität und Kultur bedroht, trotz der gesellschaftlichen Veränderungen, die sich vollziehen.

Die Hilfe für Notleidende und Schutzsuchende ist einGebot der Menschlichkeit und ein Herzstück christlicher Glaubenspraxis. Wir leisten einen Beitrag zur Förderung und Begleitung der Integration von Flüchtlingen und Migranten in unserem Land. Dafür bringen wir unser Fachwissen, unsere Erfahrungen und Ressourcen ein.

Bund und Länder sind gefordert, vorausschauend zu handeln und ausreichende Finanzmittel bereitzustellen.

  1. Bei Erstaufnahme, Unterbringung und Versorgung müssen die Leitlinien und Verordnungen der Länder als Mindestbedingung eingehalten werden. Unabhängige Beschwerdestellen müssen dies kontrollieren. Flüchtlinge sollten schnell in Wohnungen leben können. Leer stehender Wohnraum sollte zügig und unbürokratisch dafür genutzt werden, sozialer Wohnungsbau auch durch Länderinvestitionen wieder stärker gefördert werden.
  2. Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist für Flüchtlinge und Asylsuchende eingeschränkt und bürokratisch. Wir fordern Sachsen-Anhalt und Thüringen auf, die Gesundheitskarte für Asylsuchende einzuführen und die Versorgung mit dem medizinisch Notwendigen nach dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung zu ermöglichen. Dolmetscherleistungen müssen neu in den Leistungskatalog aufgenommen werden.
  3. Wirfordern die Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen auf, spezifische Bedarfe besonders Schutzbedürftiger wie Kinder, Frauen, Kranke, Flüchtlinge mit Behinderung oder Traumatisierung zu berücksichtigen. Psychosoziale Behandlungszentren brauchen eine solide Finanzierung, die dem steigenden Bedarf entspricht.
  4. Wir brauchen mehr finanzielle Förderung für qualifizierte Beratung und Begleitung von Flüchtlingen und für die Sprachmittlung und Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen, Schulen und Beratungsstellen. Wir fordern die Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen auf, die hohe Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung und das ehrenamtliche Engagement durch die Einrichtung hauptamtlicher Koordinationsstellen zu fördern.
  5. Wir brauchen Landeskonzepte, welche die Integration der Flüchtlinge und ihre soziale Teilhabe als zentrales Ziel definieren. Dazu gehören Deutschkurse, der schnelle Zugang zu Wohnraum, zu Kindertageseinrichtungen, Schulen und Ausbildungsstätten und Arbeit. Wir fordern die Länder auf, dieses Konzept jeweils in Abstimmung mit allen relevanten Akteuren zu erstellen.
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