1. Handballbundesliga Männer – Nicht analysierbar sein!

Bildquelle: Foto: Ch. Heilwagen, Misha Kaufmann (ThSV Eisenach)

Der Vater des Erfolges in Eisenach, Trainer Misha Kaufmann, vollendet das 4. Lebensjahrzehnt

„Wir haben in den 2 ½ Jahren viel geschafft. Als ich im Oktober 2021 das Traineramt übernahm, stand der ThSV Eisenach im Tabellenkeller der 2. Liga.Die Angst, erneut in die 3. Liga abzusteigen, ging umher. Jetzt, im April 2024, sind wir dem Klassenerhalt in der stärksten Liga der Welt, der 1. Handballbundesliga, ganz nahe“, erklärt Misha Kaufmann mit berechtigtem Stolz. Der Schweizer ist zweifellos der Vater dieser Erfolgsgeschichte, die – gehtes nach ihm – noch nicht zu Ende ist. Am Donnerstag, 18.04.2024 wird Misha Kaufmann 40 Jahre. Eine große Feier wird es nicht geben. „Ich feiere nicht gern Geburtstage. Ich bin gern mit lieben Menschen im kleinen Kreis zusammen, mit meiner Frau, meinen Kindern und ganz engen Freunden“, erläutert der Eisenacher Coach. Er freut sich, genau dieser Personenkreis kommt am Donnerstag nach Eisenach. Vielleicht werde es im Sommer eine größere Fete geben. „Bei uns in der Schweiz wird der 40. Geburtstag als Wegscheide bezeichnet“, berichtet Misha Kaufmann schmunzelnd. Er hat noch viel vor. Nach dem von über 1.200 blau-weißen Fans begleiteten 31:29 Auswärtssieg beim SC DHfK Leipzig und auch nach dem so wichtigen 30:27-Erfolg im Abstiegsderby beim Bergischen HC wurde er mit „Misha-Kaufmann-Sprechchören“ gefeiert. Das tat ihm sichtlich gut! 

Wichtige Unterstützung von der Familie

Beim Thüringer Traditionsverein hat er erst kürzlich seinen Vertrag um 3 Jahre verlängert. Im Buch einer großen Geschichte seien erst einige Kapitel geschrieben. „Ich bin stolz, Teil dieses wunderbaren Vereins ThSV Eisenach zu sein. In diesem Verein, dieser Stadt mit ihren Menschen und einer faszinierenden Umgebung, ist noch vieles möglich. Das gibt mir Mut“, erklärt Misha Kaufmann. „Ich habe an mich selbst eine große Erwartungshaltung. An meinen Zielen und Visionen will ich noch detaillierter, noch akribischer arbeiten. Als Spieler bin ich verletzungsbedingt an dieser Mission gescheitert, als Trainer sehe ich mich nun auf diesem Weg. Harte Arbeit bildet die Grundlage des Erfolges“, fügt der Jubilar hinzu. Er hofft, seine Familie unterstützt ihn weiter auf diesem Weg. Seine Frau und seine zwei Mädels im Alter von 6 und 11 Jahren leben weiter in Aarau, in der Schweiz. „Das war eine ganz schwierige Entscheidung, wir haben uns lange Gedanken darüber gemacht. Sollen die Kinder aus ihrem vertrauten Umfeld mit Schule und Freunden, meine Frau aus ihrem Umfeld mit Verwandten und Freunden herausgerissen werden, um mich in Eisenach vielleicht zwei Stunden am Tag zu sehen“, erläutert Misha Kaufmann. Die Antwort darauf war dann klar. Mit seiner intensiven und akribischen Arbeit sind die Werner-Aßmann-Halle und das Trainerzimmer sein Hauptaufenthaltsort. 

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Hier arbeitet Misha Kaufmann an seiner Handballphilosophie, tüftelt neue Taktiken aus. Diese werden von Flexibilität geprägt. Einige Kollegen sprechen von „unorthodoxer Abwehrarbeit“, andere streichen das Offensivspiel des Aufsteigers von der Wartburg heraus. „Mutig sein, agieren, nicht reagieren“, lautet eine Überschrift bei Misha Kaufmann. Und: „Wir wollen nicht analysierbar sein.“ Er weiß natürlich, die Trainer der Konkurrenz bereiten sich per Videoanalyse auf seine Mannschaft vor. Auf dem Parkett finden sie dann oftmals keine Lösungen. Die Philosophie der „Nicht-Analysierbarkeit“ ist die Stärke des ThSV Eisenach. Misha Kaufmann bereitet gemeinsam mit Maik Nowak, dem Sportlichen Leiter, und Torwarttrainer Stanislaw Gorobtschuk seinTeam akribisch vor. Das geht bis zur richtigen Fußstellung im Zweikampf. 

Handball-Gen von den Eltern geerbt 

In seiner Kinder- und Jugendzeit war Misha Kaufmann sportlich vielseitig aktiv, war beim Fußball, Hockey, Turnen und auch Handball. „Ich habe viele Sportarten kennengelernt“, erinnert sich der Eisenacher Trainer. Doch das Handball-Gen war ihm schon eingepflanzt, jagten doch Mutter, Vater und Bruder dem kleinen runden Leder nach. Ab dem Alter von 11 Jahren konzentrierte er sich beim HBC Grenchen auf Handball. „Hier habe ich ganz viel gelernt“, betont Misha Kaufmann. Er wechselte dann zum TV Solothum, dem Elite-Handballverein der Region. Bis zur 1. Männermannschaft, in der Nationalliga B, durchlief er hier verschiedene Altersklassen. Mit dem TV Olten spielte er in der Nationalliga B, mit dem TV Zofingen in der Nationalliga A. Mit 300 Toren wurde er Torjäger Nummer 1 in der Nationalliga A. In jungen Jahren zog es ihn kurzzeitig zum deutschen Regionalligisten SG Köndringen/Tenningen. Aus privaten Gründen führte der Weg zurück in die Schweiz. Mit dem BSV Bern, dessen Trikot er 4 Jahre trug, war er auch international gegen namhafte Mannschaften gefordert, u.a. gegen den VfL Gummersbach. Mit dem damals jungen Keeper Nikola Portner (jetzt SCM) und dem seinerzeit ebenso jungen Kreisläufer Alan Milosevic (später viele Jahre beim SC DHfK Leipzig) spielte er zusammen. Im Jahr 2013 wechselte zumHSC Suhr Aarau, mit dem er in die Nationalliga A auf-, aber bereits nach einer Saison wieder abstieg. Im Frühjahr 2016 musste Misha Kaufmann aufgrund einer schweren Knieverletzung seine Karriere beenden. Sein Verein stieg wieder in die Nationalliga A auf. Misha Kaufmann übernahm 2016 das Traineramt. „Wir hatten nicht die besten Einzelspieler. Ich musste mir was einfallen lassen, entschied mich für eine 5:1-Abwehrvariante, die ich immer weiterentwickelte“, berichtet Misha Kaufmann. Er eroberte 2020 mit dem HSC Suhr Aarau den Supercup, feierte auch international beachtliche Erfolge. Im Oktober 2021 übernahm er das Traineramt beim ins sportliche Schlingern geratenen Zweitbundesligisten ThSV Eisenach. 

1. Handballbundesliga frühzeitig im Blick 

Als kleiner Junge habe er im DSF-Fernsehen die Handballbundesliga verfolgt. Daniel Stephan war sein großes Idol. Der Wunsch, einmal in der 1. Handballbundesliga zu spielen, erfüllte sich nicht. Doch er wurde Trainer in eben dieser Liga. Die ersten Kontakte vom ThSV Eisenach nahm Rene Witte mit ihm auf. Einige Zeit später wurden diese von Maik Nowak intensiviert. „Die Gespräche dann in Eisenach verliefen ausgesprochen gut. Ich fühlte mich rasch hingezogen. Zum 18. Oktober 2021 wurde ich dann Trainer beim auf dem vorletzten Tabellenplatz der 2. Handballbundesliga stehenden ThSV Eisenach. Gegen den TV Emsdetten, jetzt in der 3. Liga, saß ich erstmals auf der Bank“, erinnert sich der Schweizer. Inzwischen gastiert er als Coach der Wartburgstädter bei den Großen des deutschen Handballs, die dem Thüringer Traditionsverein mit allerhöchstem Respekt begegnen. Wahrscheinlich auch in der nächsten Saison. Wirtschaftlich hat der ThSV Eisenach gerade mit der Lizenzerteilung grünes Licht erhalten, sportlich stehen die Eisenacher, mit 5 Zählern Vorsprung auf einen Nichtabstiegsplatz dicht vor dem Klassenerhalt und damit einem weiteren Jahr im deutschen Handballoberaus. In der Vorwoche wurde die Bundesliga-Handballer des ThSV Eisenach bei der Wahl der Thüringer Sportler des Jahres 2023 in der Kategorie „Mannschaften“ Zweiter. Und das im Wintersportland Thüringen. Was für eine riesige Wertschätzung! 

Th. Levknecht

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