Am Ende wurde es auch eine Kraftfrage

Im zweiten thüringisch-hessischen Nachbarschaftsvergleich binnen weniger Tage bot der ThSV Eisenach auch der MT Melsungen in deren Heimstätte Rothenbach-Halle in Kassel
erneut über weite Strecken Paroli. Beim Abpfiff vor 3293 Zuschauern bejubelten jedoch die mit ihrer körperlichen Präsenz wuchernden Gastgeber einen 29:23 (13:14)-Erfolg. «Wir haben ein tolles kampfbetontes Derby gesehen», bilanzierte Karsten Wöhler, der Geschäftsführer der ThSV-Markeing GmbH, während seiner eigenen Laufbahn drei Jahre das Trikot der MT Melsungen tragend. Die Hessen spielen gerade ihre beste Erstligasaison, stehen auf dem Sprung unter die Top 5 und haben als «Sahnehäubchen» das Final Four des DHB-Pokals erreicht. Ein klarer Leistungsunterschied zum in akuten Abstiegsnöten schwebenden Nachbarn von der Wartburg war allerdings nicht zu sehen. Die etwa 200 Fans des ThSV Eisenach verschafften sich im weiten Rund nachhaltig Gehör, waren mit dem Schlachtruf des Eisenacher Sommergewinns, des größten deutschen Frühlingsfestes, «Gut Ei und Kikeriki», in die Rothenbach-Halle eingezogen und verabschiedeten ihr Team mit donnerndem Applaus.

«Kampf und Engagement vorbildlich!»
Der ThSV Eisenach, wiederum aus Verletzungs- und Krankheitsgründen ohne fünf Leistungsträger, bot eine starke kämpferische Leistung. Mit Nick Heinemann und Faruk Vrazalic fehlten beide Rechtsaußen, sodass Rechtshänder Adrian Wöhler in die Bresche springen musste. «Kampf und Engagement waren vorbildlich», unterstrich Karsten Wöhler. «So ab der 48. Minute gingen uns angesichts der aufwendigen Kraftarbeit und fehlender personeller Alternativen die Kräfte aus», fügte der einstige Vollblut-Handballer hinzu. Michael Roth, der Coach der MT Melsungen, pflichtete ihm bei: «Der personellen Reserven sprachen für uns.» Die Eisenacher mussten die kraftintensiven 60 Minuten mit nur vier Rückraumspielern (Sklenak, Jurdzs, Jaanimaa, Aguirrezabalaga) bestreiten. Insbesondere Aivis Jurdzs (7 Treffer) und Dener Jaanimaa (5) ließen sich von der rustikalen Gangart der Hessen nicht beeindrucken. Der junge Dener Jaanimaa agierte unbeeindruckt von einem fortwährenden Pfeifkonzert bei Ballbesitz in der Schlussviertelstunde. (Da bewies ein Teil des Publikums wenig Sachkenntnis!)
Michael Roth hatte die Eisenacher in der Partie gegen die HSG Wetzlar vor Ort unter die Lupe genommen. «Der ThSV Eisenach ist eine intakte Mannschaft mit einer gut funktionierenden neuen 3:2:1-Deckung. Gegen diese haben wir gute Lösungen gefunden, konnten aber vielfach die Torchancen nicht nutzen», bilanzierte Michael Roth. Seine Mannen scheiterten insbesondere im ersten Abschnitt mehrfach an Rene Villadsen im Eisenacher Kasten, der auch Top-Torjäger Michael Allendorf (9.) und Johannes Sellin (11.) von der Siebenmeterlinie das Leder abkaufte. «Wir haben Melsungen über weite Strecken arge Probleme bereitet und lange geführt», blickte Adalsteinn Eyjolfsson, der Trainer des ThSV Eisenach, auf die Partie. Schwungvoller kreativer Angriffshandball gepaart mit leidenschaftlicher Stabilität in der Abwehr waren die Eisenacher Trümpfe im ersten Abschnitt. Nicolai Hansen rackerte in Abwehr und Angriff mit großem Einsatz. Aivis Jurdzs zog aus dem rechten Rückraum scharf und platziert ab (3:5, 7./ 6:8, 9.). Benjamin Trautvetter, der Eisenacher Kapitän, der am Spieltag seinen 29. Geburtstag feierte und vom eigenen Anhang ein «Ständchen» bekam, traf nach 13 Minuten zum 6:9. Ballstafetten zu Linksaußen Bjarki Elisson hieß eines der Erfolgsrezepte (8:10, 18.). Tomas Sklenak versenkte in bekannter Manier zur aus Eisenacher Sicht völlig verdienten Halbzeitführung (13:14).

Personelle Alternativen und körperliche Präsenz sprachen für die Hessen
Der Knackpunkt der Partie war die Phase nach der 35. Minute. Die Hessen verwandelten einen 16:17-Rückstand (35.) in eine 21:17-Führung (44.). «Da unterliefen uns technische Fehler und Fehlwürfe. Wir verloren den Faden, fanden unsere Balance zu spät zurück», resümierte Adalsteinn Eyjolfsson. Der Isländer in Diensten der Thüringer strich ausdrücklich «das kämpferisch hohe Engagement gegen körperlich robuste Hessen» heraus. Die Hessen warfen ihre körperlichen Vorteile entscheidend in die Waagschale. Der ThSV Eisenach fightete bis zum Schlusspfiff, ließ sich weder zermürben noch entmutigen, bewies Moral und Charakterstärke. Bis auf mehr als drei Treffer (22:19) kam der ThSV Eisenach nicht mehr heran. Personelle Alternativen auf der Wechselbank und die körperliche Präsenz sprachen nun für die Hausherren. Jonathan Stenbäcken versenkte zum 25:20 (53.). Dener Jaanimaaa – trotz des Pfeifkonzertes – und Aivis Jurdzs stockten die Eisenacher Trefferausbeute noch etwas auf.
Michael Roth lobte die Leistung von Nenad Vuckovic. Der Spielgestalter fühlte sich an keine Position gebunden, bot sich mehrfach an der Kreismitte an, versenkte fünf Bälle. «Wir bekamen Michael Müller, obwohl wir im Vorfeld auf dessen Spielweise eingegangen sind, auf der rechten Seite nicht in den Griff», bekannte Eisenachs Trainer Adalsteinn Eyjolfsson. Die Abwehr der Hessen präsentierte sich im Zusammenspiel mit ihrem sich steigernden Schlussmann Mikael Appelgren im zweiten Abschnitt wesentlich stabiler. Die Offensive lebte von frischen Kräften wie Jonathan Stenbäcken, der in der Schlussviertelstunde aus dem linken Rückraum gleich vier Bälle versenkte. Ähnliche personelle Alternativen hatten die Eisenacher nicht, fehlten ihnen mit Hannes Jon Jonsson, Daniel Luther und Girts Lilienfelds eine komplette Rückraumreihe….

Statistik

MT Melsungen: Appelgren, Räbiger; Stenbäcken (4), Masnnson, Selin (1), Kubes (4), Fahlgren, Schröder, Hildebrand (1), Danner (3), P. Müller (1), Allendorf (5/2), Vuckovic (5), M. Müller (5)

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ThSV Eisenach: Villadsen, Gorobtschuk; Trautvetter (1), Elisson (3), Skelank (2), Wöhler (1), Jurdzs (7), Jaanimaa (5), Hansen (3), Aguirrezabalaga (1), Koloper

Zeitstrafen: Melsungen: 4 x 2 Min. – Eisenach 5 x 2 Min.

Siebenmeter: Melsungen 6/3 – Eisenach 2/1

Schiedsrichter: Grobe/Kinzel

Zuschauer: 3293 in Kassel

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