Ausführlich, die Überraschung: Notaufgebot des ThSV Eisenach punktet in Wetzlar

Die launische Diva ThSV Eisenach! Die Anhänger des Handballerstbundesligisten aus der Wartburgstadt erleben im Saisonverlauf ein Wellental der Gefühle. Am Ostersamstag bescherte ihnen der ThSV Eisenach eine Überraschung der besonderen Art. Mit einem Notaufgebot entführten die Schützlinge von Peter Rost bei der HSG Wetzlar mit einem 23:23 (10:11) Unentschieden einen völlig unerwarteten Punkt.

Neben den langzeitverletzten Stephane Joulin und Karsten Wöhler standen nämlich auch die «Stars« Sergej Pogorelov und Edgar Schwank nicht im Aufgebot. Edgar Schwank hatte wegen Rückenproblemen die Reise ins Hessische erst gar nicht angetreten. Sergej Pogorelov kam aus den gleichen Gründen gehandicapt in die Sporthalle Dutenhofen. Eisenachs Cheftrainer Peter Rost musste mit einer umgekrempelten Rumpftruppe in diese Begegnung gehen. Kreisspieler Stephan Just erhielt das Vertrauen auf der Regieposition. Für den 20-jährigen Nationalspieler rückte Till Bitterlich an den Kreis. Der sonstige Spielmacher Jörn Schläger agierte im linken Rückraum. Preben Vildalen besetzte den rechten Rückraum. Auf Außen liefen Eric Amalou (links) und Andrei Kourtchev (rechts) auf. Hinzu kam Torhüter und Kapitän Frode Scheie, der für wenige Augenblicke durch Karsten Lehmann ersetzt wurde.

Dieses Rumpfaufgebot hatte sich von Beginn einen Leitspruch gegeben, «einer für alle, alle für einen«. Praktisch mit 6 Feldspielern und einem Torhüter absolvierte der ThSV Eisenach dieses Erstligaspiel bei der äußerst heimstarken HSG Wetzlar, die in eigener Halle beispielsweise Kiel und Flensburg mit 29:23 «wegputzte«. Bei Eisenach rackerte einer für den anderen, war sich keiner zu schade, «Drecksarbeit« für den anderen zu verrichten. Aus diesem Team ragten jedoch zwei Leuchttürme heraus. Kapitän und Torhüter Frode Scheie schwang sich zu einem Teufelskerl zwischen den Pfosten auf. Der 34-jährige wehrte 5 (!) Strafwürfe (von 8) , zahlreiche Würfe aus Nahdistanz und der 2. Reihe ab. Er wird Nationalspieler Markus Baur zu einem Alptraum verholfen haben! Preben Vildalen, das «Kampfschwein«, entwickelte ungeahnte Torjägerqualitäten. Mit 9 Treffern war der Norweger der absolute Goalgetter dieser Begegnung vor 1200 Zuschauern.

Für die mitgereisten Anhänger ging es angesichts der Verletzungsmisere eigentlich nur um ein achtbares Resultat, auch angesichts der permanenten Auswärtsschwäche. Doch das Notaufgebot auf dem Parkett wollte mehr! Eisenach ließ sich von 4:2 (9.), 7:4 (18.) und 8:5 (20.) Führungen der Hessen nicht schocken. Mit Anspielen zu ihrem wuchtigen Kapitän Wolfgang Klimpke an der Kreismitte versuchte die HSG Wetzlar zum Torerfolg zu kommen. Die Thüringer offenbarten zunächst deutliche Nachteile beim Torwurf, so als Eric Amalou mutterseelenallein auf das Tor zusteuerte und das Leder neben den Kasten setzte (13.). In dieser Phase hätte der ThSV Eisenach beim Stand von 4:4 sogar in Führung gehen müssen. Allein Preben Vildalen strahlte zunächst Torgefahr aus dem Rückraum aus. Nahezu im Alleingang hielt er seine Farben auf Tuchfühlung. Selbst als die insgesamt wenig überzeugenden Schiedsrichter Ehlers/Schnare Eisenachs Schlussmann Frode Scheie beim Stand von 8:6 (22.) wegen Reklamierens für zwei Minuten auf die Bank schickten, behielt der ThSV kühlen Kopf. In Unterzahl markierte Till Bitterlich den Anschlusstreffer zum 8:7 (23.). Die Eisenacher Abwehr steigerte sich von Minute zu Minute, von ihrem Kapitän im Gehäuse förmlich angestachelt. Ein Ballgewinn von Till Bitterlich führte das Leder zum sprintenden Eric Amalou, der zum 9:9 (27.) vollendete. Die folgenden Tempogegenstöße schließen die Thüringer jedoch zu überhastet ab (Just, Kourtchev, Amalou), vergeben eine klare Führung. Doch dann wuchtete Andrei Kourtchev zum 9:10 (29.) und 9:11 (30.) ein. ThSV-Keeper Frode Scheie ließ sich mit der Halbzeitsirene vom Siebenmeterpunkt erst im Nachwurf von Markus Baur zum 10:11 Halbzeitstand bezwingen.
Die zweite Spielhälfte begann mit einem weiteren von Frode Scheie gehaltenen Strafwurf. Andreas Kestawitz fand im Eisenacher Torhüter seinen Meister. Das Norweger Duo Scheie/Vildalen hält das Eisenacher Schiff auf Kurs, bekommt von Jörn Schläger und Stephan Just in Sache Torewerfen kräftig Unterstützung. Mit einem Schlagwurf hatte Jörn Schläger zum 11:13 (34.) Erfolg. Sekunden später meisterte Frode Scheie seinen 4. Strafwurf (Baur). Mit Power wuchtete Preben Vildalen zum 12:15 (38.) ein. Mit überhasteten Aktionen bei eigenem Ballgewinn setzten die Wartburgstädter diesen 3-Tore-Vorsprung leichtfertig aufs Spiel. Aus einem 12:15 Rückstand (38.) machten die Gastgeber eine 16:15 Führung (44.), dabei von Eisenacher Geschenken profitierend. Doch die Thüringer wankten zwar, fielen jedoch nicht um. Zwei kraftvolle Aktionen von Jörn Schläger brachten wieder den ThSV Eisenach in Vorhand (16:17, 47.). Stephan Just legte zum 16:18 (48.) nach. Nach einem Amalou-Schrittfehler glich Wetzlars Markus Baur zum 18:18 aus (51.). Die Eisenacher Deckung leistete Schwerstarbeit. Jörn Schläger und Preben Vildalen wuchteten zum 18:20 (54.) ein.

Ein Handballkrimi kennzeichnet die Schlussphase. Durch Bjarnasson und Wolfgang Klimpke gleichen die gastgebenden Petkovic-Schützlinge zum 20:20 (56.) aus. Per Sonderbewachung versuchen die Hessen Preben Vildalen zu stoppen. Doch der Wikinger lässt sich nicht stellen, zieht zum 20:21 (57.) ab. Andreas Kestawitz kann im Gegenzug ausgleichen. Jörn Schläger (Eisenach) und Bojan Stefanovic (Wetzlar) kassieren eine 2-Minuten-Strafe; für Eisenach ein herber Verlust in der Schlussphase. Stephan Just bringt Eisenach in Führung, Wolfgang Klimpke gleicht aus (59.). Im Gegenzug findet Stephan Just im 2. Versuch das Ziel- 22:23 in der 60. Minute. Till Bitterlich muss für 2 Minuten auf die Bank. Noch sind 23 Sekunden zu spielen. Beim Abwehrversuch geht Preben Vildalen mit vollstem Einsatz zur Sache – muss ebenso 2 Minuten auf die Bank. Die Hallenuhr zeigte noch 7 Sekunden an. Wetzlar nahm seinen Torhüter zugunsten eines zusätzlichen Feldspielers vom Parkett. In 6:3 Überzahl wird Genadij Khalepo freigespielt, der zum 23:23 Endstand trifft.

STIMMEN ZUM SPIEL

Peter Rost (Trainer ThSV Eisenach):

Ein Riesenkompliment meiner dezimierten Mannschaft. Sie hat mit Herz, Seele und Kampf gezeigt, dass sie auch auswärts erfolgreich bestehen kann. Der Glaube hat Berge versetzt. Wir hatten sogar die Möglichkeit zum Sieg, versäumten es, unseren Vorsprung entscheidend auszubauen. Was die 6 Feldspieler über 60 Minuten geleistet haben, verdient höchste Hochachtung!

Velimir Petkovic (Trainer Wetzlar):

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Eisenach hat hervorragend gekämpft und gespielt. Wir bestritten das 4. Spiel in 10 Tagen, der Substanzverlust war offensichtlich. Die Frische fehlte, auch wenn die Mannschaft unbedingt den Sieg wollte. In der Deckung haperte es doch mehrfach. Preben Vildalen und Jörn Schläger haben wir nicht in den Griff bekommen. Wichtig, wir haben den 30. Pluspunkt geholt, ich will vom Abstieg nun nichts mehr hören.

Thomas Dröge (Manager Eisenach):

Hochachtung den 7 Spielern und dem Trainer in Sachen Personalentscheidung. Er setzte ausschließlich auf gesunde Spieler, die in allen Phasen alles geben, verzichtete bewusst auf Sergej Pogorelov.
Kompliment auch an die HSG Wetzlar für eine tolle Saison in der 1. Bundesliga und im Pokal. Einst hat die HSG den ThSV als Beispiel ausgegeben, dieses Kompliment heute zurück!

STATISTIK:

HSG Wetzlar: Rocksien, Strzelec; Bjarnasson (1), Michel, Bepler, Stefanovic (2), Khalepo (5), Kestawitz (1), Monnberg (3), W.Klimpke (3), A.Klimpke (2), Baur (6/3)

ThSV Eisenach: Scheie, Lehmann; Kourtchev (2), Amalou (1), Vildalen (9/1), Schläger (4), Bitterlich (3), Just (4)

Zeitstrafen: Wetzlar 3 x 2 Min/Eisenach 5 x 2 Min.

Siebenmeter: Wetzlar 8/3 für Eisenach 1/1

Schiedsrichter: Ehlers/Schnare (Köln- Hamm/Sieg)

Zuschauer: 1200

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