Das Feuer unter der Wartburg lodert noch

ThSV Eisenach köpft mit Marcel Schliedermann als emotionalen Anführer Tabellen-Dritten VfL Lübeck-Schwartau beim 23:23 einen Zähler ab

Das Feuer lodert noch! Im Team des ThSV Eisenach und bei der blau-weißen Anhängerschaft! Mit Marcel Schliedermann als emotionalen Anführer knöpfte der von Verletzungen und Erkrankungen gebeutelte Abstiegskandidat dem Tabellen-Dritten VfL Bad Schwartau beim 23:23 (10:8) einen Zähler ab. Von Resignation, trotz der prekären Lage, keine Spur. Das im Saisonverlauf insbesondere zuhause so arg enttäuschte Publikum begrüßte das eigene Team mit stehenden Ovationen und verabschiedete es mit stehenden Ovationen. Die Handball-Uhren ticken in Eisenach, bei einem echten Traditionsverein, eben doch ein bisschen anders. Da passte es ins Bild, dass mit Ex-Nationalspieler Peter Rost jener Mann zugegen war, dem als Trainer des ThSV Eisenach im Jahr 2002 mit einem ausgeglichenen Punkteverhältnis (32:32) und Platz 10 die beste Erstbundesliga-Platzierung einer Eisenacher Mannschaft gelang. Mit seiner Ehefrau Christina, ehemalige Handball-Nationalspielerin, weilte er zum 70. Geburtstag von Rüdiger „Apollo“ Just in Eisenach, schaute natürlich in der Werner-Aßmann-Halle rein und wurde herzlich begrüßt. Freilich auch mit einem gehörigen Stück Wehmut!

Miljak: Wir zeigten ganz viel Charakter. Einfach fantastisch unsere Fans!
Aktuell steht knallharter Abstiegskampf in der 2. Handballbundesliga an. Ein Remis gegen den Tabellen-Dritten von der Ostseeküste wird als Pluszähler für die Tabelle und als ganz wichtig für die Moral eingestuft.

Leidenschaft und Kampf prägten unser Spiel bis zur letzten Sekunde. Beim 17:20 und 21:23 kurz vor dem Ende zeigten wir ganz viel Charakter, unterstützt von unseren fantastischen Zuschauern, strahlte Duje Miljak nach dem Abpfiff.

Alexander Saul musste nach 20 Minuten mit akuten Magenproblemen passen, Linkshänder-Kollege Duje Miljak war fortan in Abwehr und Angriff gefordert.

Ich spiele gern im Angriff, erklärte der stets als Abwehrspezialist gehandelte Routinier.

Mit Übersicht setzte er Linksaußen Adrian Wöhler mehrfach in Szene, ließ aber selbst bei vier platzierten Bällen das Netz der Gäste wackeln. Fast hätten die Eisenacher dennoch mit leeren Händen dagestanden. Nach dem 21:23 (57.) mobilisierten sie die letzten Kräfte, wollten eine erneute Heimniederlage unbedingt verhindern. Duje Miljak setzte den Jungen Jonas Richardt in Szene, der zum 22:23-Anschlußtreffer einnetzte. Ein Steilpass von Marcel Schliedermann, dem Ex-Schwartauer, landete nicht in den eigenen Reihen. Die Norddeutschen patzten. Ballgewinn für die Hausherren. Auszeit durch ThSV-Coach Arne Kühr. Spielzug zum Kreis, wo Nicolai Hansen nur regelwidrig gestoppt werden konnte. Der nach einer Verletzung sichtlich noch nicht wieder völlig hergestellte Matthias Gerlich, in der Anfangsphase von gleicher Stelle gescheitert, übernahm die Verantwortung von der Siebenmeterlinie, ließ 2,10-Meter-Mann Dennis Klockmann keine Abwehrchance. Doch da waren noch 40 Sekunden zu spielen. Ganz viel Zeit im Handball unserer Tage. Die Ostseestädter trafen sich zur Besprechung. Die „Kämpfer von der Wartburg“ ließen keinen zielführenden Angriff mehr zu.

Wir haben es erneut nicht geschafft, im letzten Angriff uns eine gute Torchance zu erarbeiten, konstatierte ein selbstkritischer VfL-Trainer Torge Greve.

Youngster Pascal Küstner stand in der Abwehr seinen Mann

Die Mannschaft lebt. Die Mannschaft arbeitet. Die Mannschaft will. Die Mannschaft hat ganz viel Charakter gezeigt. Und wir haben einen Punkt mehr als vor dem Anpfiff, resümierte Arne Kühr.

Der Coach des ThSV Eisenach stellte die Teamleistung aller 14 Spieler heraus. Wie der 19-jährige Pascal Küstner den ab der 25. Minute nach seiner 2. Zeitstrafe Rot gefährdeten Marcel Schliedermann für Abwehraufgaben ablöste, an der Seite der Routiniers Duje Miljak und Nicolai Hansen rackerte, das trug Symbolcharakter. Marcel Niemeyer, dessen Verpflichtung für die nächste Saison Ligakonkurrent HBW Balingen-Weilstetten am Freitag bekanntgegeben hatte, kniete sich trotz muskulärer Probleme voll rein, zählte neben Marcel Schliedermann zu den Besten seines Teams. Mit der Besetzung der Torhüterposition bewies Arne Kühr ein glückliches Händchen. Stanislaw Gorobtschok war dem in der Liga-Skala weitaus höher angesiedelten Gästekeeper Dennis Klockmann ebenbürtig. Beide wurden mit je 13 parierten Bällen notiert. Die so völlig unterschiedlichen Typen Ibai Meoiki und Marcel Schliedermann befruchteten das Eisenacher Angriffsspiel. Eines der Erfolgsrezepte im Angriff hießen Spielzüge zu Linksaußen Adrian Wöhler. Fünf Treffer resultierten aus sieben würfen.

Handballerischer Zungenschnalzer
Die am Spieltag angereisten Hansestädter schienen überrascht von der Leidenschaft des Abstiegskandidaten. Der steckte zwei ausgelassene Strafwürfe (9./11.) weg. Die Abwehrreihen dominierten. Gerade einmal 4 Treffer leuchteten nach einer Viertelstunde an der Anzeigetafel (2:2). Die abgeklärtere Spielweise der Gäste um Rikard Akermann führte zum 4:5 (19.). Das feurigere Team stellten die Gastgeber. Nach einem üblen Foul an Eisenachs Willy Weyhrauch und anschließender Beratung der Unparteiischen war Toni Podpolinski mit einer Zeitstrafe gut bedient (22.). Das Signal für die Eisenacher, noch mehr zu investieren. Willy Weyhrauch und Duje Miljak lochten zum 7:5 ein (25.). Ein handballerischer Zungenschnalzer der Treffer zum 8:6: Willy Weyhrauch bedient von Rechtsaußen den aus dem linken Rückraum in den Kreis fliegenden Ibai Meoki.

Heißer Atem gegen kühle Norddeutsche

Den 2-Tore-Rückstand zur Pause egalisierten wir nach Wiederbeginn recht rasch, bilanzierte Torge Greve.

In Überzahl traf Julian Lauenroth zum 13:14 (40.). Die Einwechslung des kleinen Tim Claasen als Spielgestalter erwies sich für die Gäste als Volltreffer.

Gegen den Eisenacher Innenblock mit Gardemaß wollte ich einen kleinen flinken und technisch versierten Mann stellen. Das ging einige Male auf, resümierte Torge Greve. Wir haben den Spielverlauf dominiert, fügte der VfL-Coach zum Verlauf der zweiten Halbzeit an.

Die Hansestädter hatten aber ihre Rechnung nicht ohne die Eisenacher gemacht. Zwar unterliefen denen nun einige Patzer, die die Gäste im Umschaltspiel und Ballstafetten zum Kreis 17:20 (50.) und 21:23 (57.) nutzten, doch die Eisenacher ließen den kühlen Norddeutschen ihren heißen Atem spüren, kamen letztlich zum verdienten Ausgleich.

Statistik
ThSV Eisenach: Gorobtschuk (1.-60./ 13 Paraden – 22 Gegentore), Redwitz (bei 1 Siebenmeter/ 0 Paraden – 1 Gegentor); Küstner, Wöhler (5), Meiko (2), Gerlich (3/3), Miljak (4), Schliedermann (2), Hansen (1), Richardt (2), Streckhardt, Niemeyer (3), Weyhrauch (1), Saul
VfL Lübeck-Schwartau: Klockmann (1.-60./13 Paraden – 23 Gegentore), Mallwitz; Glabisch, Lauenroth (2), Genda (4), Podpolinski, Akermann (1), Ranke, Waschul, Schult (1), Damm (5/4), Köhler (5), Claasen (1), Schlichting, Bruhn, Metzner (4)
Siebenmeter: ThSV Eisenach 5/3 (Gerlich verwandelt 3 x gegen Klockmann, Saul u. Gerlich scheitern je 1 x an Klockmann) / VfL Lübeck-Schwartau: 5/4 (Damm scheitert 1 x an Gorobtschuk, verwandelt 3 x gegen Gorobtschuk u. 1 x gegen Redwitz)
Zeitstrafen: ThSV Eisenach 6 x 2 Min. (Wöhler u. Schliedermann je 2 x 2 Min., Küstner, Hansen je 2 Min.)
Schiedsrichter: Fedtke/ Wienrich
Zuschauer: 1.416
Beste Spieler: ThSV Eisenach: Schliedermann, Niemeyer / VfL Lübeck- Schwartau: Köhler, Metzner
Spielfilm: 2:2 (15.), 7:5 (25.), 10:8 (30.), 11:12 (37.), 15:15 (43.), 17:20 (50.), 21:23 (57.), 23:23 (60.)

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