«Die Punkte nimmt der SC Magdeburg mit»

Vor elf Jahren wechselte Stefan Kneer aus dem heimischen Sinzheim ins Nachwuchsprojekt des ThSV Eisenach, schnupperte als 17-Jähriger mit dem ThSV Eisenach bereits Erstligaluft. Am Samstag kehrt er in den Reihen des SC Magdeburg in die Wartburgstadt zurück, wenn nach neunjähriger Unterbrechung der Handball-Klassiker Eisenach – Magdeburg am Samstag, 30.11.2013 eine Neuauflage erfährt.

Stefan Kneer begann beim BSV Phönix Sinzheim mit dem Handball, sein Debüt in der Nationalmannschaft gab der Rückraumspieler am 24. April 2007 in Konstanz gegen die Schweiz. Inzwischen stehen für den Rechtshänder 44 Länderspiele zu Buche. „Meine Mutter war Handballerin. Da war ich als Kind jedes Wochenende in der Halle und habe schließlich mit fünf oder sechs Jahren bei den Minis angefangen“, berichtete Kneer. Als 16-Jähriger wechselte er ins Nachwuchsprojekt des ThSV Eisenach, schnupperte als 17-Jähriger in der Saison 2003/2004 mit den Wartburgstädtern bereits Erstligaluft. Seine gesamte Familie begleitete ihn und den ThSV Eisenach auch zu den Auswärtsspielen. 2006 heuerte er beim HBW Balingen-Weilstetten an. Zwei Jahre später unterschrieb der Nationalspieler beim TV Großwallstadt, ehe es ihn 2012 zum SC Magdeburg zog. Im nächsten Jahr kehrt er mit seiner kleinen Familie in seine Heimat zurück und schließt sich den Rhein-Neckar-Löwen, einem nationalen und internationalen Top-Club an.

Wir sprachen vor dem Derby mit dem 27-jährigen Stefan Kneer, seit drei Monaten Vater eines kleinen Mädchen:

Blicken Sie mit Freude oder mit Anspannung auf den kommenden Samstag?
Stefan Kneer:
Ich freue mich auf die Rückkehr nach Eisenach. Im Sommer war ich mit dem SCM ja bereits zum Sparkassencup in der Werner-Aßmann-Halle. Natürlich blicke ich auch mit Anspannung auf den Samstagnachmittag. Wir haben zuletzt viele Punkte liegen gelassen, wir müssen gewinnen. Mir ist natürlich auch klar, dass Eisenach Pluspunkte ganz dringend nötig hat. Ich blicke also mit einer Mischung aus Freude und Anspannung auf die Partie.

Gemeinsam mit Ihren Eltern entschieden Sie sich vor elf Jahren dafür, das heimische Sinzheim zu verlassen und ins Nachwuchsprojekt des ThSV Eisenach zu wechseln. Sie betonten stets, dass dies ein richtiger Schritt war. Was sprach für den ThSV Eisenach?
Stefan Kneer:
Mit Südbaden habe ich im Länderpokal gegen Thüringen gespielt. Stefan Albrecht, der damalige Jugendkoordinator des ThSV Eisenach, hat mich angesprochen und mein Interesse für das Nachwuchsprojekt in Eisenach geweckt. Mit meinen Eltern bin ich dann zur Vor-Ort-Besichtigung in die Wartburgstadt gefahren. Wir haben uns die sportliche und die schulische Ausbildung angeschaut. Das hat alles einen guten Eindruck gemacht. Sich im Nachwuchsbereich eines Erstbundesligisten, das war der ThSV Eisenach auch damals, zu entwickeln und zu reifen, war natürlich sehr lukrativ. Zudem gab es zu jener Zeit noch nicht so viele leistungssportlich ausgerichtete Nachwuchsprojekte. Wir haben uns für den ThSV Eisenach entschieden.

Was bleibt Ihnen aus der Zeit im Internat und dem Nachwuchsbereich des ThSV Eisenach haften? Haben Sie noch Kontakt mit Teamkollegen von damals?
Stefan Kneer:
Die Jahre von 16 bis 20 sind eine prägende Zeit. Die habe ich in Eisenach verbracht. Die «wilden Jahre» galt es, erstmals weg vom heimischen Tisch, selbst zu organisieren. Am Elisabeth-Gymnasium, dessen Direktor Gerhard Sippel auch der Präsident des ThSV Eisenach war, habe ich mein Abitur abgelegt. Ich habe meine Freundin kennen gelernt, mit der ich noch immer zusammen bin. Vor drei Monaten erblickte unsere kleine Tochter des Licht der Welt. Mit mir im Nachwuchsprojekt waren Christoph Jauernik und Benjamin Trautvetter, zu denen ich noch heute – zwar nicht mehr so intensiv – Kontakt habe. Das Abitur habe ich mit Adrian Wöhler gemacht. Gespielt habe ich noch zusammen mit Tomas Sklenak.

Können Sie sich noch entsinnen, Zeit und ehrenamtliche Helfer waren knapp, Sie unterstützten mit anderen Nachwuchssportlern den Aufbau der schweren Werbeträger von den Bundesligaheimspielen?
Stefan Kneer:
Jeder war ein Teil des Vereins, jeder packte mit an. Für uns Nachwuchs-Sportler war es selbstverständlich, beim Aufbau der Werbung mit zuzugreifen. Das Ausfahren und Installieren der schweren Werbebanden war – und es ist wohl noch immer so – eine Knochenarbeit beim ThSV Eisenach. Mein allerhöchster Respekt an die ehrenamtlichen Helfer, die alle zwei Wochen die schweren Werbebanden pünktlich und einsatzbereit an Ort und Stelle bringen. Der Großteil der Zuschauer weiß gar nicht, was vorab durch ehrenamtliche Kräfte geleistet wird. Das ist aber auch ein Teil des Handballs, zeichnet diese Sportart aus. Das ist auch in Magdeburg so. Der greift jeder zu, wenn Hilfe nötig ist.

>B>Im Januar lädt der ThSV Eisenach wieder zu einer bundesweiten Sichtung ein. Was können Sie jenen Talenten empfehlen, die vielleicht noch schwanken, ob sie sich der Herausforderung stellen?
Stefan Kneer: Sich für ein solches Projekt zu entscheiden, das bietet eine riesige Chance. Der Sportler muss allerdings zu 100 Prozent dahinter stehen. In seinem vorherigen Verein war er bestimmt Stammspieler, wird er dies nicht gleich in Eisenach, darf er nicht kneifen, die Flinte ins Korn werfen. Solche Beispiele habe ich selbst erlebt. Er muss weiter hart an sich arbeiten. Ganz wichtig: Klar im Kopf bleiben! Als junger Mensch alles unter einen Hut zu bekommen, ist nicht einfach, da sind ganz einfach Prioritäten gefragt!

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Sie schnupperten als 17-jähriger mit dem ThSV Eisenach Erstbundesligaluft, waren beispielsweise bei der Einweihung der ganz neuen Heimstätte der SG Flensburg-Handewitt (damals Campus-Halle) dabei. Erinnern Sie sich noch an ihr Debüt im Oberhaus?
Stefan Kneer:
Das war im Heimspiel gegen Wetzlar. Ich hatte zwei Mal mit der ersten Mannschaft trainiert. Peter Rost schickte mich für etwa zwei Minuten ins Spiel. Es war sein letztes Spiel als Trainer des ThSV Eisenach. Es war der für Handball-Eisenach berühmt berüchtigte Monat November. Zlatko Feric wurde Trainer. Als 17/18-Jähriger habe ich unter seiner Leitung viele Einsatzzeiten erhalten. Ein unbeschreibliches Gefühl! Ich war ins Nachwuchsprojekt des ThSV Eisenach gekommen, um zum Bundesligaspieler zu reifen und war dann selbst mitten drin in dieser 1. Bundesliga! Was da noch geschah, ob da eine neue Halle eingeweiht wurde, habe ich mittelbar gar nicht wahrgenommen. Zudem, der ThSV Eisenach steckte tief im Abstiegskampf.

Auch, als sie längst Trikots anderer Vereine trugen, besuchten Sie mit Ihren Eltern und Geschwistern, dann später mit Ihrer Freundin, Spiele des ThSV Eisenach in der 2. Liga. Ein kleines Stück ThSV Eisenach dürfte wohl in Ihrem Herzen verankert sein?
Stefan Kneer:
Der ThSV Eisenach hat mir die Chance gegeben, 1. Bundesliga zu spielen, mich in der 2. Liga für andere Vereine zu präsentieren. Der ThSV Eisenach bleibt somit stets auch ein Stück meiner Geschichte. Was die Herzensangelegenheit betrifft, ist das weit mehr wie eine Verankerung. Schließlich habe ich ja – wir sprachen bereits davon – aus jener Zeit meine Freundin.

Die Perspektive, in der nächsten Saison Champions-League zu spielen und mit Ihrer kleinen Familie in die Heimat zurückkehren, waren das die alles entscheidenden Argumente für den Wechsel zu den Rhein-Neckar-Löwen?
Stefan Kneer:
Die angeführten waren die Hauptgründe. Es war eine 50:50-Entscheidung. Den Ausschlag gab die Nähe zu meinem Elternhaus, das steht nur etwa 70 Kilometer von Mannheim entfernt. Meine Eltern sind natürlich sehr froh, ihr Enkelkind nun öfter zu sehen.

Der SC Magdeburg wird in dieser Saison von einer nicht endenwollenden Verletzungsseuche heimgesucht; der alleinige Grund für das bisherige Abschneiden, zuletzt setzte es in fünf Spielen vier Niederlagen?
Stefan Kneer:
Wir haben ganz viele Langzeitverletzte. Drei allein aus der Stamm-Sieben! Das ist nicht vollends zu kompensieren. Doch das kann nicht als alleiniger Grund für unsere schlechten Heimspielauftritte herhalten. Gegen Lemgo und Wetzlar müssen wir zuhause trotzdem gewinnen! Durch die Ausfälle ist die Belastung für die anderen gestiegen; sicherlich ein Grund dafür, dass nicht jeder seine optimale Leistung abrufen konnte. Potential zu mehr steckt auch in dem geschrumpften Kader.

Steht beim Spiel in Eisenach das eine oder andere Comeback in Aussicht?
Stefan Kneer:
Zwei bis drei Spieler fangen diese Woche wohl wieder mit dem Training an. Ob es nach so langen Verletzungszeiten für Einsätze in Eisenach reicht, kann ich nicht einschätzen.

Wie stufen Sie die Entwicklung beim ThSV Eisenach der letzten Jahre ein?
Stefan Kneer:
Der ThSV Eisenach hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt, von einem Team aus der unteren Tabellenhälfte der 2. Liga Süd zum Erstbundesligisten. Das spricht für die Verantwortlichen. Vielleicht kam der Aufstieg ein Jahr zu früh. Wenn die Problematik der Heimspielstätte gelöst wird, traue ich dem ThSV Eisenach durchaus ein längeres Verweilen im Oberhaus zu. Die handballbegeisterte Region hat das einfach verdient!

Würden Sie eine Prognose über den Spielverlauf am Samstag in Eisenach wagen?
Stefan Kneer:
Derbyatmosphäre, hitzige Atmosphäre ist angesagt. Kühlen Kopf bewahren, wird das oberste Gebot lauten. Im Oktober 2003 standen sich der ThSV Eisenach und der SC Magdeburg letztmalig in der Eisenacher Werner-Aßmann-Halle gegenüber. Eisenach siegte mit 21:19. Eine Wiederholung wird es, da bin ich mir ganz sicher, am Samstag nicht geben! Die Neuauflage wird ein anderes Ende haben! Wir haben schon zu viele Punkte abgegeben. Die zwei aus Eisenach nehmen wir mit!

Das Thema Nationalmannschaft können wir nicht außen vorlassen. Im besten Handball-Alter findet die EM in Dänemark ohne Stefan Kneer statt, weil die DHB-Auswahl die Qualifikation nicht schaffte. Wie kommt die Nationalmannschaft aus ihrem Tal heraus?
Stefan Kneer:
Nach Erfolgen im Vorjahr wurden wir bejubelt. Dem Hoch folgte ein Tief. Während der Qualifikationsspiele vermochten wir einfach unser Leistungspotential nicht abzurufen, der EM-Zug fuhr ohne Deutschland ab. Zuletzt gewannen wir den Supercup. Ein Freundschaftsturnier. Dafür können wir uns nichts kaufen. Wir müssen hart weiter trainieren, um in den im nächsten Jahr anstehenden Qualifikationsspielen erfolgreich abzuschneiden.

Gern kommen wir einer Bitte vieler Eisenacher Handballfans nach: Bitte grüßen Sie Ihre gesamte Familie, mit der viele Eisenacher Fans unvergessliche Stunden, auch auf dem Privatgrundstück in Sinzheim, verleben durften!

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