Ein Mix aus festgelegten Abläufen und individuellen Freiheiten soll den Erfolg im Angriff bringen

Auszeit mit Christoph Jauernik, Coach des Handball-Zweitbundesligisten ThSV Eisenach:
Nachdem Sie mehrere Jahre erfolgreich als Trainer im Nachwuchsbereich des ThSV Eisenach gearbeitet haben, liegt das erste Jahr als Coach der Zweitbundesliga-Männer hinter Ihnen. Welche persönlichen Erkenntnisse haben Sie gewonnen?
Ich stellte fest, auch in unserer Leistungsklasse ist es nötig, Grundfertigkeiten zu erarbeiten. Spielerisch ist eine höhere Eigenverantwortung als im Nachwuchsbereich angesagt. Alter, charakterliche Ausprägung und persönliche Erfahrungen sind zu beachten. Die nicht zu erwartende Verletzungsmisere von Stammkräften war eine sehr große Herausforderung. Es galt, schwierige Klippen zu umschiffen. Als Bundesligatrainer kann ich auf viel Unterstützung seitens der Mitarbeiter bauen. Die Geschäftsstelle, das Team um das Team, treten kräftig in die Pedalen. Im Nachwuchsbereich ist der Trainer zugleich der Mann für alle Fälle, muss viel im organisatorischen Bereich erledigen.

Aus diesen Erkenntnissen heraus, was wollen Sie verändern, was verbessern?
Auf der Schiene Prävention hat sich das Trainerteam mit Unterstützung vieler, wie der Sportklinik Erfurt, verstärkt eingebracht. Und dennoch, trotz entsprechender Vorbereitung, waren im Vorjahr die Verletzungen nicht zu vermeiden. Die eine oder andere Muskelverletzung, im geringen Prozentbereich, hätte es in der Endphase der Vorsaison weniger sein können. Ein Hauptaugenmerk war in der aktuellen Saisonvorbereitung die Prävention. Das heißt aber nicht, dass wir die bisherigen Inhalte komplett über den Haufen werfen.

Wie soll die gerade angesprochene Prävention konkret aussehen?
Zu Beginn der Saisonvorbereitung wurden individuelle Checks gemacht, um Ungleichheiten in der körperlichen Ausprägung darstellen zu können. Je nach Befund gab es individuelle Empfehlungen. Auch vor dem Hintergrund, der Eigenverantwortlichkeit der Spieler, um mit speziellen Übungen diesen Ungleichgewichten entgegen zusteuern. Dabei kommen wir freilich nicht auf das Niveau von Bayern München. Wichtige Elemente sind u.a. die Ernährung und Regeneration nach Training und Wettkampf. Diese Aspekte haben wir beispielsweise im Trainingslager mit theoretischen Einblicken bearbeitet. Wie erwähnt, die Eigenverantwortlichkeit der Spieler, für sich selbst Sorge zu tragen. Wir betreiben Kontaktsport, Verletzungen bleiben nicht aus. Aber wir können denen um ein paar Prozente gegenüber der Vorsaison vorbeugen.

Einige neue Gesichter stehen im Team. Was erwarten Sie von diesen?
Vor deren Verpflichtung haben Karsten Wöhler und ich vielerlei Informationen gesammelt, Videos gesichtet, teilweise mit Beratern und natürlich den Spielern selbst Gespräche geführt. Karsten Wöhler hat den finanziellen Rahmen vorgegeben. Letztendlich haben wir nach bestem Wissen entschieden.

Foto 2: Rückraumspieler Marcel Popa, vom SV Anhalt Bernburg gekommen, feierte gerade seinen 20. Geburtstag.

Mit Marcel Popa, Justin Mürköster und Alexander Saul haben wir junge Spieler mit Zweitliga-Niveau sowie zu erschließendem Potential verpflichtet. Wir als Trainer und Mannschaft helfen bei der Integration und charakterlichen Weiterentwicklung. Die Spieler sind natürlich selbst gefordert. Ibai Meoki Etxebeste ist als Mann mit gewissen Erfahrungswerten und Qualitäten als Spielgestalter, als Vorbereiter zu uns gekommen. Die Mitspieler werden von ihm profitieren. Bei Ibai Meoki steht nicht der persönliche Torerfolg im Vordergrund, er soll der zentrale Faktor sein. Zumal Marcel Schliedermann zunächst nicht dabei ist. Alle anderen Neuzugänge (Lars Kremmer, Thomas Bobe, Jonas Bogatzki, Luca Baur, Maximilian Manys, Noah Streckhardt)  sind Spieler aus unseren eigenen Nachwuchs-Reihen, die wir bei uns und in der Region halten wollten. Sie sind mit einem Zweitspielrecht ausgestattet oder erhalten viele Spielanteile in unserer zweiten Mannschaft, sollen dort ein wichtiger Faktor sein. Sie nehmen regelmäßig am Training des Bundesligateams teil, auch um sich für Einsatzzeiten zu empfehlen.

Mit welcher Spielphilosophie gehen Sie in die Saison?
Eine gute Abwehr soll den Grundstein bilden. Das ist uns in der Vorsaison über weite Strecken gelungen. Hierbei ist das Laufbahnende unseres Abwehrchefs  Nicolai Hansen zu kompensieren. Wir nehmen uns vor, noch mehr schnelle Tore zu erzielen. In der letzten Phase der Vorsaison war das – aufgrund der Kaderzusammensetzung – weniger der Fall. Wir müssen die richtige Balance zwischen Abwehrstabilität und Umschaltfähigkeit finden. Angriffsmäßig erachte ich einen Mix aus fest gelegten Abläufen und individuellen Freiheiten als den richtigen Weg. Unsere neuen Spieler können hierbei ihre Stärken einbringen.

Sie werden wieder die Möglichkeit des zusätzlichen Feldspielers nutzen?
Wenn wir ihn brauchen, werden wir davon Gebrauch machen.

Es ist die Rede von der stärksten 2. Liga seit Einführung der Eingleisigkeit. Was geht da für den ThSV Eisenach?
Es ist so, seit Einführung der Eingleisigkeit haben wir nun die stärkste 2. Liga. Da sind die Erstliga-Absteiger, die in einem ganz engen Saisonfinale den Verbleib im Oberhaus nur knapp verfehlten. Da sind andererseits potente Aufsteiger, wie Eintracht Hildesheim, viele Jahre in der 1. Liga. Da sind die Rhein Vikings, die die Handballtradition 1. und 2. Liga im Düsseldorfer Raum neu aufleben lassen wollen. Da ist Eintracht Hagen, schon in der 2. Liga, mit einem ambitionierten Projekt. Und da ist natürlich Elbflorenz Dresden, das mit dem Bau einer privatfinanzierten hochmodernen Spielstätte in einer Großstadt riesige Möglichkeiten hat. Schon im letzten Jahr präsentierte sich die Liga ausgeglichen, bezwang der Absteiger Empor Rostock Ligaprimus TuS Nettelstedt-Lübbecke. Und in dieser Saison ist, ich erwähnte es, weiterer qualitativer Zuwachs hinzugekommen. Wir alle – auch die Fans – stehen vor einer ganz spannenden Saison.

Um das Feuer unter dem Kessel für den Bau einer neuen Spielstätte mit Erstligastandard zu schüren, sollten Sie so nah wie möglich an den Aufstiegsplätzen kratzen…?
Wir werden als Mannschaft des ThSV Eisenach, unterstützt durch die Eisenacher Fanschar, bestmögliche Ergebnisse erzielen. Als Bürger und Sportler dieser Stadt beobachte ich natürlich, wie wichtig der Neubau einer Sporthalle für alle Sportler unserer Stadt ist. Wir wollen gern unseren Teil beitragen, um dieses Projekt zu forcieren.

Die Reduzierung der 2. Handballbundesliga ist beschlossene Sache. Aus Ihrer Sicht eine richtige Entscheidung?
Die Reduzierung geht einher mit weniger Heimspielen und damit weniger Einnahmen. Fakt ist natürlich, aktuell ist der Terminkalender sehr, sehr eng gestrickt. In der 2. Liga sind viele Nationalspieler verschiedener Nationen am Ball, die für ihre Heimatländer an Auswahlmaßnahmen im Saisonverlauf das Trikot überstreifen. Internationale Handball-Highlights, wie WM und EM, Qualifikationsspiele, finden zumeist im Januar und Anfang Februar statt. Dadurch entfallen in dieser handballfreundlichen Zeit die Punktspiele in den beiden Hanfball-Bundesligen. Den überaus engen Terminkalender beachtend, ist die Argumentation für eine Reduzierung nachvollziehbar. Die Reduzierung ist beschlossene Sache, an uns liegt es, nun damit umzugehen.

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