Ein Thüringer Traditionsverein reist an einem geschichtsträchtigen Tag nach Bayern

ThSV Eisenach gastiert am Tag der deutschen Einheit in Fürstenfeldbruck
Zum Punktspielauftakt in der 2. Handballbundesliga reist der ThSV Eisenach in die Metropolregion München. An einem geschichtsträchtigen Tag, am 03.Oktober, dem Tag der deutschen Einheit, ist Aufsteiger TuS Fürstenfeldbruck um 19.30 Uhr in der heimischen Wittelsbacher Halle Gastgeber.

Vor 31 Jahren glaubte keiner im Kreis der Erstliga-Handballer von Motor Eisenach daran, zu einem Punktspiel nach Bayern zu fahren. Vor 31 Jahren bereitete die DDR-Oberen gerade den 40. Jahrestag des deutschen Arbeiter- und Bauern-Staates vor. Doch es rumorte bereits überall im Lande. Das gegängelte und eingemauerte Volk rebellierte. Vor 31 Jahren, Anfang Oktober, empfing Motor Eisenach in der heimischen Sporthalle Katzenaue den verhassten SC Dynamo Berlin. „Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen“ erinnern sich Hans-Joachim Ursinus und Rainer Osmann, das damalige Eisenacher Trainerduo. Die Halle brodelte, die Luft brannte, der verhasste Stasiclub aus der DDR-Hauptstadt ging als glücklicher 28:27-Sieger vom Parkett. Der SC Dynamo Berlin und die DDR waren ein Jahr später bereits Geschichte. Am 03.10.1990 trafen sich in der Eisenacher Sporthalle Katzenaue der aus der Sektion Handball der BSG Motor Eisenach gegründete ThSV Eisenach und der damaligeTabellenführer der 1. Handballbundesliga, die SG Wallau-Massenheim aus dem benachbarten Hessen, zu einem freundschaftlichen Vergleich, der dem Anlass gemäß 17:17 endete. Die SG Wallau-Massenheim ist längst von der Bundesligakarte verschwunden. Ebenso der TSV Milbertshofen aus Bayern, den die Eisenacher im Herbst 1991 zum ersten Bundesliga-Heimspiel unter der Wartburg begrüßen konnten. Matthias Allonge erzielte in der Schlussminute gegen den Europapokalsieger den Ausgleichstreffer zum 18:18- Endstand. Der ThSV Eisenach ist seit der Wiedervereinigung Deutschlands bis auf eine einzige Unterbrechung stets in der 1. oder 2. Handballbundesliga am Ball gewesen!Tusch!!

Nun, am 30.Jahretag der Wiedervereingung Deutschlands, reist der Traditionsverein aus Thüringen nach Bayern, zum TuS Fürstenfeldbruck. Und das in der Zeit der Corona-Pandemie. Diese Partie und wohl viele weitere der Saison werden keine normalen Handballspiele sein. Von den örtlichen Gesundheitsämtern genehmigte Hygienekonzepte und Vorgaben der HBL sind streng einzuhalten. Dazu gehört, in den Hallen sind keine Gästefans zugelassen. Der ThSV Eisenach, mit An- und Abreise am Spieltag, muss auf die Unterstützung seiner reisfreudigen Fangemeinde verzichten. Der TuS Fürstenfeldbruck hofft auf die Zulassung von 200 Zuschauern in der Wittelsbacher Halle (Fassungsvermögen 1.000 Zuschauer).

Reine Amateurmannschaft sieht sich vor großem Abenteuer
Die Wartburgstädter erwarten einen hochmotivierten Gastgeber, der heiß ist auf sein erstes Zweitligaspiel nach fast 30 Jahren. „Mit dem ThSV Eisenach kommt gleich ein dickes Brett zum Auftakt in unsere kleine Wittelsbacher Halle. Ich traue den ThSV eine Platzierung im oberen Tabellendrittel zu, weswegen sich auch die Frage nach der Favoritenrolle erst gar nicht stellt“, erklärt Martin Wild, der Coach des TuS Fürstenfeldbruck, mit Blick auf den Samstagabend. Wir können voraussichtlich auf den gesamten Kader zurückgreifen und hoffen auf die maximal zugelassenen 200 Fans. Da bei uns die Fallzahlen relativ hoch sind, entscheidet es sich aber wohl erst am Spieltag, ob zu unserem ersten Zweitliga-Spiel Zuschauer zugelassen werden“, fügt Martin Wild hinzu. Er stuft die Saison für seine Schützlinge als Abenteuer ein. „Für uns ist die anstehende Saison mit vielen unbekannten Gegnern eine Reise ins Ungewisse und ein großes Abenteuer. Lediglich zwei Spieler haben bislang eine Saison ZweitligaLuft bislang geschnuppert. Wir sind als reine Amateurmannschaft sicherlich der Exot der Liga und dementsprechend gehen wir aus der Außenseiterrolle ins Rennen. Wir wollen möglichst viele positive Erlebnisse aufsaugen und bauen auf unsere eingeschworene Mannschaft, die komplett zusammengeblieben ist und mit ihrem leidenschaftlichen Handball hoffentlich für die ein oder andere Überraschung sorgen kann. Der Klassenerhalt ist unser ambitioniertes Ziel“, berichtet Martin Wild. Wie beschreibt er sein Team? „Wir leben von einem starken Kollektiv mit vielen jungen, motivierten Spielern aus der Münchner Region. Auch in der 2.Liga wollen wir weiterhin mutigen, temporeichen und variablen Handball aus einer aggressiven Abwehr heraus spielen“, so der Coach des TuS Fürstenfeldbruck.

ThSV Eisenach ohne Drei aber mit allen Neuzugängen
Der ThSV Eisenach, mit gegenüber der Vorsaison reduzierter Personalstärke, statt 22 stehen 16 Akteure unter Vertrag, hat zum Saisonauftakt nicht alle an Deck. Kreisspieler Justin Mürköster zwingt noch eine Knieverletzung zum Zuschauen. Rückraum-Mitte-Mann Kristian Volar ist nach seinem im August des Vorjahres zugezogenen Kreuzbandrisses noch immer nicht fit. Linksaußen Adrian Wöhler, der Dienstälteste im Aufgebot, laboriert noch an einer im Testspiel gegen den HSC Coburg zugezogenen Verletzung. Drei Stammkräfte fehlen, alle drei Neuverpflichtungen sind aber dabei.

Im Konzept des neuen Cheftrainers Markus Krauthoff-Murfuni spielen die Neuzugänge eine wichtige Rolle. Einig sind sich alle, die beiden österreichischen EM-Helden Thomas Eichberger (Torwart) und Daniel Dicker Rückraum) sowie der Championsleague-Erfahrung vorweisende Kristian Beciri (Kreis), sind ein absoluter Gewinn. „Kristian Beciri, stets nach Höchstleistung strebend, ein Vollblutprofi, mit dem sich unser Kreisläuferspiel deutlich verbessert hat“, konstatiert Markus Krauthoff-Murfuni. Der 2-Meter-Hüne zählte in den Vorbereitungsspielen stets zu den Besten und erfolgreichsten Werfern. Kristian Beciri übernimmt mehr und mehr auch die Rolle des Abwehrchefs. Er wird im Deckungs-Innenblock von Daniel Dicker unterstützt. Der Rückraum-Linke ist, so sein Coach, „ein sehr intelligenter Spieler, der sehr viele Entscheidungen zu treffen hat.“ Keeper Thomas Eichberger habe sich akklimatisiert, schätzt Markus Krauthoff-Murfuni ein. Im letzten Testspiel bei Erstbundesligist HSG Wetzlar wehrte der Austria-Mann im ersten Abschnitt 11 Bälle ab, auch aus Nahdistanz. „Mit unserem Routinier Blaz Voncina stehen zwei ganz unterschiedliche Torwarttypen im Kader“, freuen sich die ThSV-Verantwortlichen. Andreas Fehr, Schlussmann der zweiten Mannschaft, unterstützt dieses Duo.

Th. Levknecht