Eine Eisenacher Handball-Legende wird 75

Bildquelle: Archiv Th. Levknecht – Lutz Sinke beim Torwurf

„Lutz Sinke war der beste Linkshänder im rechten Rückraum von Motor Eisenach.“

„Lutz Sinke war der beste Linkshänder im rechten Rückraum von Motor Eisenach. Er war in den 70ern und Anfang der 80er Jahre nicht nur einer der besten Spieler bei Motor Eisenach, sondern auch einer der besten Angriffsspieler der höchsten Spielklasse der ehemaligen DDR“, betont Rainer Osmann, langjähriger Mannschaftskollege von Lutz Sinke und Kapitän der legendären Mannschaft von Motor Eisenach. Rainer Osmann, als Trainer mit dem ThSV Eisenach 1997 in die 1. Handballbundesliga aufgestiegen, stellt Lutz Sinke auf die gleiche Stufe wie Titel Raduta, einer der Helden des ThSV Eisenach in den 90er Jahren, von den Fans zum „Spieler des Jahrzehnts“ gewählt. Der ThSV Eisenach ehrte Lutz Sinke vor drei Jahren mit der Aufnahme in die „Hall of Fame“.  „Wenn ich in die Werner-Aßmann-Halle komme, sehe ich meinen Namen neben denen von Bongo Beck und Eddi Nositschka sowie Namen unserer Helden von 1958. Darauf bin ich sehr stolz“, erklärt Lutz Sinke. 

Am Samstag, 08.03.2025 feiert Lutz Sinke, der über 2.000 Tore für Motor Eisenach warf, seinen 75. Geburtstag. 

Th. Levknecht – Legendentreffen im Kurhotel Bad Staffelstein: Lutz Sinke (li.) mit Robert Weber (langjähriger Bundesliga- und österreichischer Nationalspieler) und Rainer Osmann (re.), einstiger Mannschaftskollege von Lutz Sinke beim Motor Eisenach, Trainer des ThSV Eisenach, der österreichischen Nationalmannschaft und der deutschen Frauen-Nationalmannschaft

Lutz Sinke kam 1968 von Optima Erfurt als Jugendspieler nach Eisenach. Horst Schmidt, damaliger Eisenacher Oberligatrainer, war auch Bezirksauswahl-Trainer und entdeckte faktisch den jungen Lutz Sinke. Dieser schaffte rasch den Sprung in die 1. Mannschaft. Er spielte noch mit Frieder Singwald und Horst Ehrhardt zusammen, die 1958 mit Motor Eisenach den Titel des Deutschen Meisters im Feldhandball der DDR eroberten. Lutz Sinke war der Angriffsgarant für Eisenachs Erstklassigkeit! Unvergessen eines seiner ersten Spiele gegen den SC DHfK Leipzig um National-Torwart Klaus Franke, in dem Lutz Sinke 9 Treffer zum überraschenden Sieg beisteuerte. Heute unvorstellbar, Motor Eisenach bestritt seine Erstliga-Heimspiele bis Mitte der 70er Jahre in der Jahnsporthalle, einem ehemaligen Pferdestall der Kasernierten Volkspolizei der DDR. Nahezu 500 Zuschauer drängten sich in der Halle und von außen an den Fenstern. Lutz Sinke spielte bis zur Saison 1985/86 in der ersten Mannschaft. Er lebte Vereinstreue. „Ja, es gab Anfragen, aber ein Wechsel kam für mich nicht in Frage“, erklärt der einstige Vollblut-Handballer rückblickend. Während seiner Armeezeit spielte er in Rudolstadt, gemeinsam mit dem kürzlich verstorbenen Bernd Schreiter aus Aue. „Wir wurden zwei Mal NVA-Meister“, berichtet der Jubilar augenzwinkernd. Nach 1986 spielte Lutz Sinke noch in der 2. Mannschaft von Motor Eisenach, die in der DDR-Liga, der zweithöchsten Spielklasse um Punkte am Ball war, unterstützte junge Sportler in ihrer Entwicklung. Ab 1993 war er noch viele Jahre für die TSG Ruhla am Ball. Er freut sich, dass der ThSV Eisenach die Traditionspflege vor einigen Jahren neu belebt hat. Die Motor-Mannschaft, die 1982 mit dem „Goldenen Ball des Bezirkes Erfurt“ ausgezeichnet wurde, fand sich 40 Jahre später zu einem Wiedersehenstreffen zusammen. 

„Wir kennen uns seit über 50 Jahren, haben zusammen in der Jugendauswahl Erfurts gespielt, sind nach wie vor befreundet, auch wenn unsere Freundschaft während unserer aktiven Handballzeit noch viel enger war, gemeinsame Freizeit, gemeinsamer Urlaub. Lutz ist einer der bescheidensten Menschen und Sportler, die ich kenne. Leider war das gerade in den Jahren der politischen Wende bei einer Neuorientierung nicht einfach und hilfreich. Als Handballspieler war Lutz ein großartiger Sportkamerad mit einer tollen Einstellung zum damaligen Leistungshandball in einer BSG, mit 7- bis 8-maligem Training in der Woche“, erinnert sich Rainer Osmann. 

sportfotoeisenach – Lutz Sinke wird in die Hall of Fame des ThSV Eisenach aufgenommen. Links ThSV-Präsident Shpetim Alaj

Wir sprachen mit Lutz Sinke über seine Karriere und Aktuelles: 

Zu Ihrer aktiven Zeit gab es Doppelspiele?

Ja, in der 10- oder 12 Teams umfassenden 1. Liga der DDR wurden jeweils zwei Heim- oder zwei Auswärtsspiele ausgetragen. Samstag um 16.00 und Sonntag um 11.00 Uhr. Zuvor, um 14.30 und 9.30 Uhr, spielten die jeweiligen Jugendoberliga-Mannschaften. Wir spielten beispielsweise Samstag in Frankfurt/Oder und Sonntag in Berlin oder Samstag in Schwerin und Sonntag in Rostock. Analog dann auch die Heimspiele. Zu den Spielen in die Nordbezirke waren wir mit unserem Robur-Bus 9 Stunden unterwegs. In sechs Wochen war eine Halbserie schon beendet. Wir bestritten viele Turniere, auch in der CSSR, an die ich mich gern erinnere.  

Lutz Sinke trug sein blau-weißes Motor-Herz auf der Zunge?

Ja, deswegen habe ich etliche Zeittrafen kassiert. Das war mein Manko. Es wurden sogar „Erziehungsmaßnahmen“ ergriffen. Für jede Zeitstrafe wegen Reklamierens oder Meckern musste ich 20 Mark zahlen. Das hätte teuer werden können….

Apropos Geld. Gab es Prämien? 

Wir waren überwiegend im Automobilwerk Eisenach angestellt, wurden zum Training freigestellt. Kleine Prämien, nicht vergleichbar mit heutigen, gab es für besondere Leistungen, wie Teilnahme an der Endrunde im FDGB-Pokal.  Ich bin auch vom AWE als „Sportler des Jahres“ und „Verdienstvoller Mitarbeiter“ ausgezeichnet worden. 

Welche Erinnerungen haben Sie an die Heimspielstätten?

Die Jahnsporthalle mit ihrer einzigartigen Atmosphäre war der Garant für unseren Klassenerhalt. Post Schwerin spielte seinerzeit schon in der 5.000 Zuschauer fassenden Stadt- und Kongresshalle. Auch ZAB Dessau bekam eine große Halle, die heutige Anhalt Arena.  Alle hatten Dampf, wenn sie nach Eisenach mussten. Die Luft brannte besonders gegen die Sportclubs, denen wir das Fürchten lehrten. Nach einem Heimsieg über den SC Dynamo Berlin legte dieser Protest ein. Das Wiederholungspiel wurde in Leinefelde ausgetragen. Wir gingen erneut als Sieger vom Parkett. Ende der 70er Jahre wurde die Jahnsporthalle für Erstligaspiele nicht mehr zugelassen. Wir zogen nach Mühlhausen in die Damaschke-Sporthalle um. Es kam keine Heimspielatmosphäre auf. Als Volltreffer erwies sich hernach der Wechsel nach Erfurt, in die Sporthalle am Beethoven-Platz, die „Schalenhalle“. Schalenhalle deshalb, weil es da schon seinerzeit Schalensitze für die Zuschauer gab. Wir spielten praktisch in meiner Heimatstadt vor einem fantastischen Publikum. Mit 1.200 Zuschauern war sie regelmäßig ausverkauft. Ich erinnere mich, wenn wir mit dem Mannschaftsbus nach Erfurt fuhren, überholten uns hupende Autos mit winkenden Menschen aus Eisenach. In Erfurt feierten wir etliche Erfolge über die Sportclubs. Im Jahr 1984 erhielten wir dann in Eisenach mit der Sporthalle Katzenaue, heute Werner-Aßmann-Halle, eine echte Heimspielstätte. Ein Quantensprung! 

Archiv Th. Levknecht – Lutz Sinke beim Torwurf

Welches waren die Highlights Ihrer Laufbahn?

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Da stehen natürlich ganz oben die Siege über die Sportclubs aus Rostock, Berlin, Leipzig, Magdeburg und Frankfurt/Oder. Die Spiele gegen die anderen BSG-Mannschaften, wie gegen Wismut Aue, atmeten stets Rasse und Klasse. Wir schafften auch zwei Einzüge in die in Rostock stattfindende Pokal-Endrunde.  Einmal qualifizierten wir uns im Siebenmeter-Werfen über Dynamo Berlin. In der Hauptstadt hatten wir 21:24 verloren, im Rückspiel 24:21 gewonnen. Das Siebenmeter-Werfen musste entscheiden. In der Jahnsporthalle! Die Dynamos verstanden die Welt nicht mehr. Keiner hatte damit gerechnet. An „unserer“ Kabinentür in Rostock hing das Schild „Dynamo Berlin“. Keiner hatte mit Motor Eisenach gerechnet….

Unter welchen Trainern waren Sie am Ball?  

Das waren zuerst Horst Schmidt, Werner Aßmann und Dieter Illert. Und natürlich Hans-Joachim Ursinus. Mit seinem an der DHfK Leipzig erworbenem fundierten Fachwissen kitzelte er Höchstleistungen aus uns heraus, sorgte für beste körperliche Fitness als Grundlage für handballerischer Erfolge. Ganz oben stand unser Kampfgeist. Gemeinsam konnten wir Berge versetzen!  

Wer waren Ihre härtesten Gegenspieler?

Da gibt es einige. Genannt seien Dietmar Schmidt, Michael Wahl und der Berliner Siegbert Brutschin. 

Welche Mannschaftskameraden sind Ihnen besonders in Erinnerung?

Das waren alles durchweg tolle Kerle und dufte Typen! Stellvertretend nennen möchte ich Rainer Osmann, Jochen Mascher, Edmund Nositschka, Viktor Eiser, Franz Fischer, Horst Ehrhardt und Frieder Singwald. 

Mit wem haben Sie noch heute Kontakt? 

Mit Rainer Osmann treffe ich mich hin und wieder in Bad Staffelstein. Vor Ort sehe ich Horst Ehrhardt, mit dem ich als 18-Jähriger noch zusammengespielt habe. Aber auch mit Jürgen Beck, Stefan Scheidt und manchmal Gerhard Wagner und Viktor Eiser treffe ich mich.

Sie sind oft in der Halle, besitzen eine Ehren-Dauerkarte. Wie sehen Sie die Entwicklung der 1. Mannschaft des ThSV Eisenach in den letzten Jahren? 

Unsere Mannschaft hat eine famose, ja sagenhafte Entwicklung genommen. Im Vorjahr der vorzeitige Klassenerhalt in der 1. Bundesliga, aktuell mit 21 Pluspunkten im gesicherten Mittelfeld. Das ist nur mit einer eingeschworenen Truppe möglich. Das spricht für Spieler und Trainer. Da stimmt es auch in den Köpfen. Beim jüngsten Punktspiel in Wetzlar wurde ein 7-Tore-Rückstand aufgeholt, beim Schlusspfiff ein 31:30-Sieg bejubelt. Grandios! 

Der ThSV Eisenach wartet sehnsüchtig auf eine neue Spielstätte, die Wartburg-Arena….

Um konkurrenzfähig zu bleiben, brauchen wir eine neue Spielstätte. Ich warte sehsüchtig darauf. Ich bin oft mit dem Fahrrad unterwegs, fahre am einstigen AWE-Gelände und dem ehemaligen 0 1 vorbei, in dem die neue Arena entstehen soll. Leider tut sich bisher nichts. Ich hoffe, die Bagger rollen endlich an….

Wie verbringen Sie Ihren 75. Geburtstag?

Ich fahre mit meiner Frau und meiner Tochter ein paar Tage weg. 

Th. Levknecht 

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