Erst verbessert, aber dann aus dem Konzept ausgebrochen

Am Freitagabend durfte Adalsteinn Eyjolfsson, der Coach des ThSV Eisenach, bei der Geburt seines Sohnes Vaterfreuden genießen. Tags darauf holte ihn der raue Alltag in der DKB Handballbundesliga wieder ein. Der ThSV Eisenach musste in der Landesmetropole Niedersachsens über die vierte Niederlage in Folge quittieren, die letztlich auch noch überaus klar ausfiel.

Lange Zeit sah es nicht danach aus, spielten die Eisenacher gegenüber den letzten beiden Partien deutlich verbessert, nicht gehemmt und ungebremst auf. «Bis zur 40. Minute war ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Doch dann haben wir, wie so oft in dieser Saison, unsere Linie verloren. Ausgelassene Torchancen und technische Fehler reihten sich aneinander», konstatierte der Isländer nach dem Rückrundenstart seines Teams beim TSV Hannover-Burgdorf. Die Wartburgstädter hatten mit starken zehn Minuten einen 14:17-Halbzeitrückstand in eine 20:19-Führung umgewandelt. Da wackelten die Niedersachsen. Der TSV Hannover-Burgdorf, «Die Recken», ein Team mit Gardemaßen in Größe und Gewicht, legte einen weitaus höheren Gang ein, profitierte weidlich von den Fehlern der Eisenacher. «Wir agierten viel zu hektisch», gestand Karsten Wöhler, der ThSV-Marketing-Geschäftsführer, der ein klares Plus auf der Torhüterposition für die Hausherren ausgemacht hatte. Recken-Keeper Martin Ziemer, von seinen Vorderleuten auch bestens unterstützt, parierte 19 Bälle und gewann das Duell mit seinen Eisenacher Kollegen Rene Villadsen und Stanislaw Gorobtschuk klar. Mit erfolglosen Einzelaktionen trugen die Gäste zu einem 12:2-Tore-Lauf der Hausherren bei, die einen 19:20-Rückstand (39.) in eine 31:22-Führung (56.) umwandelten und am Ende einen klaren 33:24-Erfolg bejubelten. «Der ThSV Eisenach war über 40 Minuten ein ebenbürtiger Kontrahent. Erst seine Fehler öffneten uns die Tür zum Sieg. Ich wünsche dem ThSV Eisenach den Klassenerhalt», erklärte Benjamin Charton, der Manager des TSV Hannover-Burgdorf. «Zwölf Tore vom Kreis sprechen eine deutliche Sprache für uns», unterstrich Christopher Nordmeyer, der Coach des TSV Hannover-Burgdorf.

«Zu viel Verantwortung auf zu wenigen Schultern»
Insgesamt entwickelten der Aufsteiger von der Wartburg zu wenig Druck aus dem Rückraum, so dass sich die Gastgeber nicht veranlasst sahen, aus der Deckung herauszutreten. Somit eröffneten sich kaum Möglichkeiten für die Kreisläufer. Genau das Gegenteil auf Seiten des TSV Hannover-Burgdorf, der kürzlich seine Europapokalpremiere feierte. Deren Rückraumreihe um Csaba Szücs und Runar Karason entwickelte permanent Torgefahr. Die Eisenacher Abwehrspieler mussten heraustreten. Mit bestens strukturierten Kombinationen brachten die Niedersachsen ihre bei Ballbesitz nicht mehr zu stoppenden Hünen an der Kreismitte in Wurfposition. Joakim Hykkerud und Juan Andreu Candau versenkten insgesamt zwölf Bälle. «Tomas Sklenak lieferte eine sehr gute erste Halbzeit», erklärte ThSV-Marketing-Geschäftsführer Karsten Wöhler. Doch dem Tschechen, der über weite Strecken auch in der Abwehr ran musste, schwanden die Kräfte. In der Spielsteuerung steht er derzeit alleine, da Hannes Jon Jonsson nach einer Schulter-Operation pausiert. Schmerzlich vermissten die Eisenacher Linkshänder Girts Lilienfelds, der sich in der Vorwoche erneut einen Bruch des rechten Armes zuzog und mehrere Monate ausfällt. «Bei uns lastet zu viel Verantwortung auf wenigen Schultern», sprach Adalsteinn Eyjolfsson ein Manko in seinen Reihen an. Die hohe Fehlerquote in den letzten zwölf Minuten ärgerte ihn gewaltig. «Wir befinden uns nun in einem richtigen Tal. Als Aufsteiger mussten wir mit solch schwierigen Phasen rechnen. Wichtig, wie Mannschaft, Verein und Umfeld damit umgehen. Wir müssen Ruhe bewahren und kontinuierlich weiter arbeiten», betonte Adalsteinn Eyjolfsson. Am kommenden Samstag, 21.12.2013 wartet im Heimspiel mit den Füchsen Berlin ein Topteam der Liga (Anwurf 19.00 Uhr).

Wartburgstädter ließen sich nicht abschütteln
Der ThSV Eisenach, von über 100 mitgereisten Fans unterstützt, begann frisch und unbekümmert. Die Gastgeber standen nach zwei Heimniederlagen binnen einer Woche unter Erfolgsdruck. Faruk Vrazalic traf zum 0:1 (1.), Aivis Jurdzs, der an einstiger Wirkungsstätte viele Hände schüttelte, netzte zum 1:2 (3.). Doch schon jetzt trat das Hauptdilemma der Eisenacher zu Tage: technische Fehler und das Auslassen bester Tormöglichkeiten. Martin Ziemer, der Torhüter der Gastgeber, kaufte binnen weniger Augenblicke Bjarki Elisson und Aivis Jurdzs das Leder ab (7.). Für einen Eisenacher Zuspielfehler «dankten» die Gastgeber durch Lars Lenhoff von Linksaußen zum 5:3 (8.). Aivis Jurdzs und Dener Jannimaa besorgten mit ihren Treffern den 5:5-Gleichstand (9.). Erneut patzten die Eisenacher, die Hausherren versenkten zum 8:5 (14.). Die Eisenacher trafen sich zur Auszeit. Adrian Wöhler besetzte die Linksaußenposition, Daniel Luther blieb im Angriff auf dem Parkett. Tomas Sklenak zündete mehrfach erfolgreich den Turbo. ThSV-Schlussmann Rene Villadsen parierte einige Bälle, doch die Abpraller wurden immer wieder eine Beute des bulligen Spaniers Juan Andreu Candau, der im Nachwurf versenkte, wie zum 12:8 (19.). Die Wurfversuche der Eisenacher Rückraumspieler wurden von der Abwehr mit Gardemaßen abgeblockt oder eine Beute von Torhüter Martin Ziemer. Zwischenzeitlich versuchten es die Eisenacher mit zwei Kreisläufern, mit Nicolai Hansen und Benjamin Trautvetter, um die Abwehr der Gastgeber in Bewegung zu bringen, Räume für die Rückraumspieler zu schaffen. Dener Jaanimaa (aus dem rechten Rückraum) und Faruk Vrazalic (per Strafwurf nach Regelwidrigkeit an Aivis Jurdzs) verkürzten bis auf zwei Treffer (12:10, 20.). Im Gegenzug versenkte Juan Andreu Candau im Nachsetzen zum 13:10 (21.) und erhöhte auch auf 14:10 (22.). Doch die Eisenacher blieben dran, auch Dank der Qualitäten von Tomas Sklenak, der auch in Unterzahl einnetzte (26.). Zwei Jaanimaa-Treffer kurz vor der Pause sorgten dafür, dass die Wartburgstädter zur Halbzeitpause auf Schlagdistanz waren (17:14).

Die «Recken» wankten – und machten dann Nägel mit Köpfen
Überzahlsituationen nutzte der ThSV Eisenach nach Wiederbeginn. Die Hausherren nahmen bei Ballbesitz ihren Torhüter zugunsten eines Feldspielers vom Parkett. Richtig fruchten tat diese Maßnahme nicht. Mit Ballstafetten zu Rechtsaußen Faruk Vrazalic netzten die Eisenacher zum Anschlusstreffer (17:16, 32.) und 18:17 (33.) ein. Der unermüdlich in Angriff und Abwehr rackernde Nicolai Hansen schloss einen der ganz wenigen Tempogegenstöße zum 18:18-Ausgleich ab (33.). Der ThSV Eisenach war klar im Aufwind. Angriff und Abwehr waren auf Betriebstemperatur. Die «Recken» wankten. Logische Folge: die grüne Karte und personelle Veränderungen beim TSV Hannover-Burgdorf, Nach zwei vergeblichen Anläufen, der Führungstreffer des ThSV Eisenach: Tomas Sklenak legte zum Rechtsaußen lauernden Varuk Frazalic ab, der zum 19:20 verwandelte (39.). Das Signal für den TSV Hannover-Burgdorf , die Segel zu setzen. Ballstafetten zur Kreismitte, zu Joakim Hykkerud, hieß die Erfolgsformel, der gleich drei Bälle in Serie zum 24:21 (43.) einlochte. ThSV-Coach Adalsteinn Eyjolfsson zückte die grüne Karte, brachte Peter Pucelj für Abwehraufgaben, Benjamin Trautvetter an der Kreismitte und Bjarki Elisson auf Linksaußen. Später besetzte Nick Heinemann die Rechtsaußenposition, rückte Varuk Frazalic in den rechten Rückraum. Die Angriffszüge der Eisenacher endeten spätestens bei Torhüter Martin Ziemer. Die Gastgeber schlossen ihre Angriffszüge resolut zum 26:21 (48.) und 31:22 (56.) ab. Dem ThSV Eisenach gelangen nach der eigenen 20:19-Führung binnen 21 Minuten nur noch vier eigene Treffer. Das vorgegebene Konzept wurde vollends verlassen.

Statistik
TSV Hannover-Burgdorf: Ziemer, Weber; Andreu Candau (5), Patrait (4), Buschmann, Hykkerud (7), Lehnhoff (5/1), Szücs (3), Sevaljevic (1), Karason (2), Hinz (1/1), Pollex, Mackovsek (4), Kastening (1)
ThSV Eisenach: Villadsen, Gorobtschuk; Trautvetter (1), Elisson (2), Sklenak (4), Wöhler, Judzs (4), Luther, Pucelj, Jaanimaa (6), Hansen (1), Vrazalic (6/2), Heinemann
Siebenmeter: Hannover-Burgdorf 2/2 – Eisenach 2/2
Zeitstrafen: Hannover 4 x 2 Min. – Eisenach 2 x 2 Min.
Zuschauer: 3104 in der Swiss-Life-Hall Hannover

Anzeige
Anzeige