Fast sogar noch verloren

Vertan die Chance, mit einem Doppelpunktgewinn bis auf einen Zähler an das Führungstrio heranzurücken. Vertan die Chance, vor der Saisonrekordkulisse von 2500 Zuschauern beste Werbung in eigener Sache zu betreiben. Drei Tage nach dem 21:20-Auswärtssieg bei Erstbundesligaabsteiger Eintracht Hildesheim kam der ThSV Eisenach in der heimischen Werner-Aßmann-Halle gegen Liganeuling SV Henstedt-Ulzburg nur zu einem 29:29 (16:12)-Remis.
Fast hätte es am zweiten Weihnachtsfeiertag eine ganz böse Bescherung gegeben, denn die Gäste aus Hamburg trafen wenigen Sekunden vor Ultimo durch Rasmus Gersch gar zum 28:29. Die Eisenacher tauschten blitzschnell ihren Torhüter zugunsten eines zusätzlichen Feldspielers, und dieser – Alexander Schiffner – schob in allerletzte Sekunde das Leder von Linksaußen mit Können und viel Glück zum Ausgleich über die Linie. Das alles nach einer 15:7-Fürung des ThSV Eisenach (26.). Kaum zu glauben, ja nahezu unfassbar, die anschließende Etappe ging mit 22:14 Toren an den Aufsteiger!

Adalsteinn Eyjolfsson, der Coach der Wartburgstädter, rang sichtlich um Fassung, ging mit seinen Mannen hart ins Gericht. «Nach 26 Minuten war bei meinen Spielern anscheinend schon Urlaub angesagt. Wir verfielen in die Art und Weise der ersten 42 Minuten des Auswärtsspieles in Hildesheim. Wir haben einen 8-Tore-Vorsprung leichtfertig aus der Hand gegeben. Absprachen wurden nicht eingehalten, der Faden ging völlig verloren. Die Verantwortung wurde an den Nebenmann weiter geschoben. Personelle Wechsel brachten keine Änderungen. Das darf einer Mannschaft mit Ambitionen, wie der meinen, nicht passieren. Ich muss mich bei unseren Zuschauern für diese Leistung entschuldigen», formulierte der Isländer auf der Pressekonferenz.

Er lobte zugleich die Norddeutschen: «Die Gäste haben stets an sich geglaubt. Sie bewiesen mentale Stärke. Wir verfielen in Hektik.»
Tobias Skerka, der Coach des SV Henstedt-Ulzburg, war nach den 60 Minuten natürlich aufgekratzt. Hatte der Mannschaftsbus seines Teams beim Einparken auf dem reservierten Platz aufgesetzt und musste erst durch technische Hilfsmittel (Keile, Wagenheber) wieder flott gemacht werden, bekam Tobias Skerka sein Team durch Wechsel im Innenblock der Deckung wieder flott.
Der ThSV Eisenach manövrierte den Abwehrverband der Norddeutschen zunächst immer wieder mit Ballstafetten zur Kreismitte, zu Benjamin Trautvetter, aus. Der Kapitän traf beispielsweise mit seinem sechsten Treffer zum 12:6 (20.), brachte wenig später allerdings einen Strafwurf nicht an Gästetorhüter Markus Noel, der nach einer Viertelstunde Stammkeeper Jan Peveling abgelöst hatte, vorbei. Der erst- und zweitbundesligaerfahrene Nico Kibat, im Sommer von der SG Bietigheim gekommen, eigentlich der Angriffsregisseur, kam als Häuptling in der Abwehr. Dessen Rolle im Angriff übernahm Stefan Pries. Personelle Schachzüge der Gäste mit durchschlagendem Erfolg; freilich unterstützt durch immer desolater werdende Hausherren.
Die Abwehr der Norddeutschen gewann deutlich an Stabilität, die Offensivabteilung nahm Fahrt auf, brachte Maik Makowka im rechten Rückraum immer wieder in Position, der sich erfolgreich behauptete und den verdutzten Gastgebern gleich sieben Bälle ins Netz legte. Die Wartburgstädter blieben, zur Enttäuschung der großen Kulisse, die passenden Antworten schuldig. «Wir hatten in den ersten zwanzig Minuten Probleme mit dem Eisenacher Angriffsspiel und der Eisenacher Abwehr, fanden nach dem klaren Rückstand zurück ins Spiel. Im zweiten Abschnitt agierte unsere Abwehr deutlich besser, marschierte unser Angriff erfolgreich in die Nahtstellen der Eisenacher Abwehr. Maik Makowka hat uns mit seinen so genannten leichten Toren natürlich sehr geholfen. Wir genießen den Punktgewinn. Die Mannschaft hat sich dafür zwei zusätzliche freie Tage verdient. Wir haben gute Chancen für die Rückrunde und den Klassenerhalt», erklärte Tobias Skerka, der Trainer der Norddeutschen, in Hochstimmung. Sein Team liegt mit 13 Pluszählern punktgleich mit dem ASV Hamm und nur einen Zähler hinter dem ambitionierten SC DHfK Leipzig, der mit 25:41 beim TV Bittenfeld baden ging.

Der ThSV Eisenach beendet die Hinrunde mit 22:14 Punkten auf dem sechsten Tabellenplatz, mit lediglich zwei Zählern Rückstand auf das Führungstrio. Das Remis gegen den SV Henstedt-Ulzburg war allerdings der achte Punktverlust in eigener Halle. Und das bereits nach der Hinrunde! Eine für den ThSV Eisenach ungewöhnliche Bilanz: 10:6-Auswärtspunkte, aber nur 12:8 Zähler in der sonstigen Heimfestung Werner-Aßmann-Halle. «Wir haben ausgerechnet zuhause zu wenig gute Spiele gezeigt. Das muss sich im neuen Kalenderjahr, in der Rückrunde, unbedingt ändern», betonte ThSV-Trainer Adalsteinn Eyjolfsson. Die Handballbegeisterung in und um Eisenach ist groß, was der Spitzenwert in der Zuschauertabelle beweist. Das Anspruchsdenken ist allerdings ebenfalls groß.

Auftakt nach Maß, doch schon vor der Pause bröckelte die Eisenacher Vorherrschaft
Die Gastgeber, ohne ihre verletzten bzw. erkrankten Stammkräfte Nick Heinemann und Hannes Jonsson, starteten so richtig nach dem Geschmack der großen Kulisse. In der Besetzung mit Adrian Wöhler auf Linksaußen, Daniel Luther im linken Rückraum, Tomas Sklenak auf der mittleren Aufbauposition, Girts Lilienfelds und Duje Miljak zwischen dem rechten Rückraum und Rechtsaußen pendelnd, Benjamin Trautvetter am Kreis (in der Abwehr von Nicolai Hansen abgelöst) und Radek Musil im Tor, kombinierte der ThSV Eisenach frisch, munter und erfolgreich. Kombinationen zur Kreismitte hieß das erfolgreiche Strickmuster. Benjamin Trautvetter schloss zum 5:1 ab (8.). Im zweiten Versuch bugsierte der aus Krankheitsgründen nicht im Vollbesitz seiner Kräfte stehende Daniel Luther das Leder zum 6:1 über die Linie (9.). Die Gäste zückten die grüne Karte, die 2500 auf den Traversen intonierten bereits das Rennsteiglied. Zu früh gefreut, wie sich später herausstellte! Die Gäste nahmen personelle Veränderungen vor. Die Hausherren blieben zunächst Chef auf eigenem Parkett. Duje Miljak wuchtete zum 7:1 ein (11.). Was auf den Eisenacher Kasten kam, wurde zumeist eine sichere Beute von Routinier Radek Musil. Rückraumspieler Eryk Kaluzinski löste Daniel Luther ab. Benjamin Trautvetter traf zum 11:5 (19.) und 12:6 (20.). Eine Ballstafette auf die Rechtsaußenposition nutzte Girts Lilienfelds zum 14:7 (24.). Als alle ein Sklenak-Zuspiel auf Benjamin Trautvetter erwarteten, zog der Tscheche selbst zum 15:7 ab (26.). Der erwartete Dopperlpunktgewinn der Thüringer schien nur noch Formsache. Dass die Gäste durch Maik Makowka und dem immer stärker werdenden Tim Völzke bis zur Halbzeitpause den Rückstand halbierten, werteten viele Augenzeugen zunächst nur als Konzentrationsschwächen der Eisenacher.

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Liganeuling dem Sieg ganz nahe
Doch die Gastgeber waren völlig aus der Spur geraten, fanden nach Wiederanpfiff der sicher amtierenden Unparteiischen Hanspeter Brodbeck/Simon Reich auch nicht wieder zurück. Ein erstes Warnzeichen, die Gäste verkürzten bis auf zwei Treffer (17:15, 35.). Mit Branimir Koloper und Nicolai Hansen im Deckungsinnenblock sollte die Eisenacher Defensive gestärkt werden. Tomas Sklenak und Benjamin Trautvetter kamen bei Ballbesitz. Tomas Sklenak, Girts Lilienfelds und Adrian Wöhler versenkten zum 20:15 (37.) und sorgten für Aufatmen im eigenen Lager. Die Wartburgstädter hielten den Aufsteiger zunächst zumindest auf Distanz (25:21), ließen sich in der Abwehr aber immer wieder «vernaschen». Beim 25:23 (48.) schwante Eisenachs Trainer Adalsteinn Eyjolfsson nichts Gutes. Er rief zur «Dienstbesprechung». Doch die Gäste netzten zum Anschlusstreffer ein (25:24, Völzke, 49.), sahen sich wenig später durch eine Zeitstrafe in Unterzahl. Girts Lilienfelds und Duje Miljak trafen für den ThSV Eisenach zum 27:24 (51.). Eryk Kaluzinski schloss einen Tempogegenstoß zum 28:25 (53.) ab.
Der letzte Eisenacher Treffer bis zur Schlusssekunde! Die Gastgeber waren nun völlig von der Rolle. Adrian Wöhler scheiterte, Gits Lilienfelds schmetterte ans Holz, keine zündenden Ideen, um im Teamwork die Deckung der Gäste einschließlich des sich steigernden Keepers Markus Noel zu überwinden. Maik Makowka (aus dem rechten Rückraum) und der der Eisenacher Deckung die Hacken zeigende Rasmus Gersch trafen zum Anschlusstreffer (28:27 (56.). Radek Musil konnte gegen den frei vor ihm zum Wurf kommenden Jan Wrage noch den Ausgleichstreffer verhindern (56.), musste dann aber den Ball von Julian Lauenroth zum 28:28 passieren lassen (58.).
Zunächst Glück für die Eisenacher, Sekundenbruchteile vor dem Ballverlust lag die grüne Karte von Adalsteinn Eyajolfsson beim Sekretär. Da waren noch 68 Sekunden zu spielen. Kurz vor dem Zeitspielpfiff endete ein Lilienfelds-Wurf bei Gäste-Schlussmann Markus Noel. Bei den Gästen hatte inzwischen Nico Kibat auch das Kommando im Angriff übernommen. Eine ganz große Sensation war greifbar. Während einer Auszeit 31 Sekunden vor dem Ende wurde der letzte Spielzug besprochen. Rasmus Gersch traf zum 28:29 (60.), wenige Augenblicke später, mit der Sirene, Alexander Schiffner zum 29:29. Der SV Henstedt-Ulzburg feierte ausgelassen einen Punktgewinn. Die Gastgeber mussten Pfiffe aus dem eigenen Lager einstecken.

Punktspielpause bis Anfang Februar
Die 2. Handballbundesliga der Männer verabschiedet sich bis Anfang Februar in eine Punktspielpause. Der ThSV Eisenach erwartet zum Rückrundenstart am Samstag, 09.02.2013 den SC DHfK Leipzig. Zuvor, am Mittwoch, 06.02.213, steigt in der Werner-Aßmann-Halle das DHB-Pokal-Viertelfinale gegen Erstbundesligist MT Melsungen. Der Ticketverkauf beginnt am 10.01.2013. Reservierungen werden vorab nicht entgegengenommen.

Statistik
ThSV Eisenach: Musil, Gorobtschuk (41.-48.); Trautvetter (8), Sklenak (4), Wöhler (3), Luther (1), Miljak (4), Stölzner, Kaluzinski (2), Hansen (2), Singwald, Schiffner (1), Lilienfelds (4)

SV Henstedt-Ulzburg: Peveling, Noel (ab 15.); Krügel, Pries (1), Kibat (2), Makowka (7), Kohnagel (1), Lang (1), Gersch (5/1), Lauenroth (2), Völzke (5), Wrage (2), Jurgeleit (3), Thönebohn

Siebenmeter: ThSV Eisenach 1/0; SV Henstedt-Ulzburg 1/1
Zeitstrafen: ThSV Eisenach 4 x 2 Min.; SV Henstedt-Ulzburg 5 x 2 Min.