Faustdicke Überraschung des ThSV in Willstätt
Der Sport lebt von Überraschungen. Eine faustdicke ist dem ThSV Eisenach in der Hanauerlandhalle zu Willstätt gelungen. Beim noch mit Relegationsplatz 2 liebäugelnden TV Willstätt-Ortenau erreichten die Wartburgstädter ein 36:36 (18:17)-Remis. «Das ganze Team hat sich den Punktgewinn verdient. Einer hat für den anderen gespielt und gekämpft, keiner war sich für die so genannte Drecksarbeit zu schade», betonte ein aufgekratzter Eisenacher Trainer Hans-Joachim Ursinus. Das Ergebnis wird noch aufgewertet, standen doch zwei sonstige Leistungsträger nicht zur Verfügung. An seinem 23. Geburtstag musste der bisher torgefährlichste Spieler, Benjamin Trautvetter (141 Tore), krankheitsbedingt das Bett hüten, Pavel Prokopec pausierte aus Verletzungsgründen. Der erneut bärenstarke Karsten Wöhler (9 Treffer) und der ständig den Turbo zündende Tomas Sklenak (8 Tore) ragten aus einer geschlossenen Mannschaftsleistung heraus.
Stefan Kneer happy, Till Bitterlich bitter enttäuscht
Die kleine Schar der mitgereisten ThSV-Anhänger war hellauf begeistert. Zu ihr hatte sich der Ex-Eisenacher Stefan Kneer mit Freundin und Eltern gesellt, die über 60 Minuten das Team kräftig anfeuerten. Ein anderer Ex-Eisenacher war hingegen bitter enttäuscht; Till Bitterlich, viele Jahre für den ThSV Eisenach als Abwehrspezialist am Ball, inzwischen Kapitän des TV Willstätt-Ortenau. «Wir sind in eigener Halle besonders erfolgsverwöhnt, mussten ausgerechnet gegen Eisenach einen Zähler abgegeben. Bei gleichzeitiger 28:32-Niederlage von Düsseldorf in Korschenbroich verpassten wir es, dem begehrten zweiten Tabellenplatz bis auf einen Zähler nahe zu rücken», bilanzierte der inzwischen 31-Jährige. Bei Verkündung des Ergebnisses aus Korschenbroich führte der TV Willstätt-Ortenau 28:25 (42.). Am Ende gab es lange Gesichter im weiten Rund. «Der ThSV Eisenach hat sich den Punkt redlich verdient», erkannte Goran Suton, der Coach der Gastgeber, an. «Für den Punktverlust meiner Mannschaft übernehme ich die Verantwortung. Ich habe ein paar falsche Entscheidungen gefällt», fügte Goran Suton mit überraschender Ehrlichkeit hinzu.
Guter Timo Meinl bringt Gastgeber zunächst zur Verzweiflung
Die Eisenacher, mit Till Riehn auf der zentralen Aufbauposition und Daniel Luther im linken Rückraum, begannen in Angriff und Abwehr respektlos. Die Hausherren waren sichtlich überrascht. Alle ihre ersten fünf Würfe wurden eine Beute von Eisenachs Schlussmann Timo Meinl. «Ich kam bestens ins Spiel rein», freute sich der ThSV-Kapitän. Alle drei (!) eingesetzten Torhüter der Gastgeber vermochten im gesamten Spiel nicht so viele Bälle wie Timo Meinl in der ersten Halbzeit abzuwehren. Im Vorwärtsgang schlossen seine Teamgefährten zum 0:3 (Hoffmann, 6. Min.) ab. Erst in der 8. Minute vermochten die Südbadener erstmals das Leder unterzubringen (1:3). Postwendend hob Martin Hoffmann das Leder von Rechtsaußen zum 1:4 ins lange Eck (9.). Till Riehn, Daniel Luther und Tomas Sklenak powerten aus dem Rückraum. Eine blitzschnelle Ballstafette schloss Karsten Wöhler von Linksaußen mit präzisem Wurf zum 5:7 (13.) ab, schmetterte Daniel Luther selbstbewusst den Ball zum 7:9 (17.) in die Maschen. Till Bitterlich räumte seinen Platz im Angriff bei den Gastgebern für Felix Danner, Routinier Martin Valo kam im Rückraum. Auch wenn der eine oder andere Angriffszug zum Kreis misslang, ungenaue Zuspiele die Hausherren in Ballbesitz brachten, die Führung behaupteten die Thüringer weiterhin. Eine Sklenak-Fackel schlug zum 11:14 (23.) ein. Nach Regelwidrigkeit an Christoph Jauernik versenkte Karsten Wöhler den fälligen Siebenmeter zum 11:15 (24.). Als Tomas Sklenak eine 2-Minuten-Strafe kassierte, unterliefen den Eisenachern mehrere Ballverluste. Der TV Willstätt-Ortenau konterte über seine pfeilschnellen Außen, allen voran der 9-fache Torschütze Rafal Ginski, die Gäste zum 15:15 (28.) aus. Erstmaliger Gleichstand. ThSV-Keeper Timo Meinl blieb im Siebenmeterduell gegen Vladimir Temelkov Sieger, musste aber praktisch mit der Halbzeitsirene einen Valo-Ball zur hauchdünnen 18:17-Führung der Hausherren passieren lassen.
Von Resignation auch nach 4-Tore-Rückstand keine Spur
Kurz nach Wiederanpfiff der Unparteiischen Moles/Pittner (Heddersheim/Hemsbach) kaufte Timo Meinl Willstätts Vladimir Temelkov erneut einen Strafwurf ab. Nach vorne blieb kurzzeitig einiges Stückwerk. Der wuchtige Rückraumspieler Grzwegorz Garbacz (8 Tore) und Konterspezialist Rafal Ginski, jüngst mit Debüt in der polnischen Nationalmannschaft, erhöhten für den Favoriten auf 21:17 (34.). Treffer fielen nun auf beiden Seiten in Sekundenabständen. Die Eisenacher blieben auf Tuchfühlung. Martin Valo, der alte Fuchs, traf für die Gastgeber zum 28:25 (42.), der Hallensprecher verkündete das Resultat aus Korschenbroich. Jedoch nur verhaltener Jubel auf den gut gefüllten Traversen. Die Eisenacher fighteten. Till Riehn zog platziert ab. Stephan Mellack traf vom Kreis. Der kurzzeitig die Rechtsaußenposition einnehmende Adrian Wöhler lochte zum 28:28 ein (45.). Die Hausherren suchten die Vorentscheidung. Till Bitterlich traf zum 30:28 (47.). Die Eisenacher antworteten prompt. Till Riehn mit tollem Solo und Daniel Luther zogen selbstbewusst ab (31:30, 48.). Ansatzlos lochte Tomas Sklenak ein (32:31, 50.). Technische Fehler der Eisenacher brachten die Gastgeber in Ballbesitz. Grzegorz Garbacz «dankte» zum 34:31 (55.), musste nach «Catchergriff» gegen Till Riehn ebenso wie Martin Valo (absichtliche Fußabwehr) für zwei Minuten auf die Bank. Den Zuschauern schmeckten die Entscheidungen der Referees nicht. Tomas Sklenak hatte kurz zuvor den 32. Eisenacher Treffer markiert. In doppelter Überzahl gelang Martin Hoffmann der Anschlusstreffer der Gäste (34:33). Das nicht zu bremsende Energiebündel Karsten Wöhler setzte sich zum neuerlichen Anschlusstreffer durch (35:34, 58.), wollte wenig später nach einem Ballgewinn zum Tempogegenstoß starten, geriet aber in ein Gerangel mit seinem Gegenspieler, der ihn per Fußangel von den Beinen holte. Zur Verblüffung aller wurde jedoch ausschließlich der Eisenacher mit einer Zeitstrafe belegt. Martin Hoffmann sorgte dennoch von Rechtsaußen für das 35:35 (59.). Nur wenige Augenblicke später jubelte der Aufstiegsanwärter über das 36:35 (Gerber, 60.).
Nervenstarker Till Riehn
Es knisterte im weiten Rund. Der durchstartende Eisenacher Regisseur Till Riehn wurde regelwidrig gestoppt. Siebenmeter. Doch der sichere Eisenacher Siebenmeter-Werfer Karsten Wöhler saß eine Zeitstrafe ab. Till Riehn schnappte sich selbst das Leder und verwandelte gegen Schlussmann Daniel Sdunek zum 36:36. Auszeit durch die Gastgeber. Die Ursinus-Schützlinge wollten sich diesen einen Zähler nicht mehr entreißen lassen, kämpften wie die Löwen. Ein Freiwurf in der Schlusssekunde wurde unbeschadet überstanden. Ausgelassen tanzten die Eisenacher auf dem Parkett. Das Salz in der Suppe des Sports sind Überraschungen. Dem ThSV Eisenach ist eine solche zweifellos gelungen. «Eine gute Basis für die noch zu absolvierenden sechs Saisonspiele», unterstrich ThSV-Coach Hans-Joachim Ursinus. Durch diesen Punktgewinn ist der ThSV Eisenach auf Tabellenplatz 8 hoch gerückt.
Am Samstag, 5. April 2008 gastiert zum thüringisch-hessischen Nachbarschaftsderby die HSG Gensungen/Felsberg, die mit einem Erfolg über Obernburg neue Hoffnung im Abstiegskampf geschöpft hat.
Statistik
TV Willstätt-Ortenau: Sdunek, Ritschel, Henne; Schöngarth, Garbacz (8), Bitterlich (2), Helm (1), Stock (1), Temelkov (5/1), Danner (3), Schmelzle, Gerber, Ginski (9), Vallo (5)
ThSV Eisenach: Meinl, Luckert; Hoffmann (6), Sklenak (8), A. Wöhler (1), Riehn (5/1), Luther (4), Emmelmann, Mellack (2), K. Wöhler (9/4), Kastelic, Jauernik (1/1)
Zeitstrafen: Willstätt 4 x 2 Min. – Eisenach 7 x 2 Min.
Siebenmeter: Willstätt 4/1 – Eisenach 7/6
Schiedsrichter: Moles/Pittner (Heddesheim/Hemsbach)
Zuschauer: 1400 in der Hanauerlandhalle Willstätt