Grippegeschwächte Eisenacher beißen sich durch

Was für eine famose Willensleistung! Der ThSV Eisenach feierte am 10. Spieltag der laufenden Saison mit einem 30:29 (16:14) bei der SG Leutershausen seinen siebenten Saisonsieg. Der 4. Auswärtssieg im 5. Auswärtsspiel (!) untermauerte zugleich den dritten Tabellenplatz. Somit steigt am Samstag, 10.11.2012 um 19.30 Uhr in der Eisenacher Werner-Aßmann-Halle das Spitzenspiel des 11. Spieltages, wenn der ThSV Eisenach Spitzenreiter TV Emsdetten empfängt. Die Emsstädter siegten am Mittwoch mit 32.26 über TV Bittenfeld und führen mit 18:2 Punkten die Tabelle an.

Kabine zur Halbzeitpause ein Krankenzimmer
«Ein Riesenkompliment an das gesamte Team, das alle Widrigkeiten wegsteckte», betonte Eisenachs Marketing-Geschäftsführer Karsten Wöhler nach dem Abpfiff in der Heinrich-Beck-Halle in Hirschberg-Leutershausen. Aus Verletzungs- oder Krankheitsgründen hatten mit Hannes Jonsson, Nicolai Hansen und Alexander Schiffner gleich drei Stammkräfte die Fahrt gar nicht angetreten. Die Rückraumspieler Tomas Sklenak und Girts Lilienfelds waren erst am Vorabend von Länderspieleinsätzen inklusive Reisestrapazen zurückgekehrt. Tomas Sklenak bestritt die Partie an der Wurfhand bandagiert und hielt 60 Minuten tapfer durch. Sein Trikot war beim Abpfiff besonders schweißgetränkt! Ein Grippevirus hatte nahezu alle Spieler samt Trainer mächtig geschlaucht. «In der Halbzeitpause waren in der Kabine nur Husten und heftiges Atmen zu vernehmen», berichtete ein vom Virus selbst gehandicapter Eisenacher Trainer Adalsteinn Eyjolfsson. Seine Schützlinge bestachen durch kämpferischen Einsatz, handballerisches Können und dem Glauben an sich selbst bis zur letzten Sekunde. «Alle haben sich durchgebissen und einen Riesencharakter gezeigt», unterstrich Adalsteinn Eyjolfsson. Er hob zugleich die famose Leistung von Leutershausens Torhüter Alexander Hübe hervor, der seiner Mannschaft das Leben sehr schwer gemacht habe. Besonders aus dem 6-Meter-Bereich scheiterten die Eisenacher in Serie am Schlussmann der Hausherren, der insgesamt 20 Bälle abwehrte. Mit schnellem Umkehrspiel kam die junge Mannschaft des Aufsteigers, Durchschnittsalter 23 Jahre, immer wieder zum Erfolg. Die HG Saarlouis wurde so kürzlich mit 39:29 überrollt. «Letztlich gaben die individuellen Qualitäten der Eisenacher den Ausschlag. Spielerisch hatten wir wohl Vorteile. Mit einfachen Fehlern haben wir uns um einen möglichen Lohn gebracht», bilanzierte Ex-Nationalspieler Holger Löhr, Trainer der SG Leutershausen.

Achterbahnfahrt endete mit Herzschlagfinale
Fehlende Konsequenz beim Torwurf aus dem Nahwurfbereich hieß der Pferdefuss der Eisenacher von Beginn. Der Auftakt gelang jedoch. Duje Miljak glänzte als Vorbereiter zum 1:2 (4., abgeschlossen durch Kapitän Benjamin Trautvetter) und per «Fackel» zum 1:3 (7.). Benjamin Trautvetter und Adrian Wöhler brachten in der Folge bestens freigespielt das Leder einfach nicht an Schlussmann Alexander Hübe vorbei. Durch ihren Keeper angestachelt wurden die Hausherren immer mutiger und kesser, sie verwandelten ein 5:6 (13.) in eine 9:6-Führung (17.). Blitzschnell starteten die Gastgeber immer wieder zum Tempogegenstoß, insbesondere über ihren Rechtsaußen Manuel Frietsch. Eisenachs Defensive bekam ständig neue Gesichter präsentiert, wechselten die Hausherren doch ständig durch. Auch die Thüringer brachten neues Personal, Branimir Koloper, zunächst nur für Abwehraufgaben kommend, übernahm im Angriff die Kreismitteposition. Eryk Kaluzinski und Girts Lilienfelds rückten im Aufbaubereich an die Seite von Tomas Sklenak. Doch der gastgebende Aufsteiger spielte frisch auf. «Mit den Schlagwürfen von Leutershausen hatten wir Probleme», gestand Eisenachs Trainer Adalsteinn Eyjolfsson. Die Hausherren führten 10:7 (19.) und 13:10 (22.). Dann ließen die Thüringer ihre Abwehrqualitäten aufblitzen, im Zusammenspiel mit Torhüter Stanislaw Gorobtschuk, der an die gute Form der jüngsten Spiele anknüpfte, im Siebenmeterduell mit Leutershausens Jonas Gunst Sieger blieb (27.). Ein Ballgewinn von Eryk Kaluzinski war Ausgangspunkt für eine Steilvorlage auf den sprintenden Nick Heinemann, der zum Anschlusstreffer einnetzte, wenig später einen an Benjamin Trautvetter verwirkten Siebenmeter per Heber zum 13:13-Ausgleich verwandelte. Girts Lilienfelds besorgte mit platziertem Wurf den 14:15-Pausenstand.
Aus den Kabinen zurück waren die Eisenacher sofort präsent, trafen zum 14:17 (34.). Wie gewonnen, so zerronnen! Wieder wurden Wurfchancen aus dem 6-Meter-Bereich nicht genutzt. Anders die leichtfüßigen und spielfreudigen Gastgeber, die zum 18:17 (38.) vollendeten. Jan Forstbauer nutzte Freiheiten aus dem Fernwurfbereich. Es folgte ein Eisenacher Zwischenspurt, dem das Duo Miljak/Koloper seinen Stempel aufdrückte. Branimir Koloper nutzte ein Miljak-Zuspiel zum 19:21 (42.), kassierte aber wenig später eine Zeitstrafe. Die Überzahl nutzend, mit viel Begeisterung, trafen die Hausherren durch einen «Dreierpack» von Jochen Geppert zur 23:21 (46.). Nun erwachte die bis dahin doch sehr reservierte Halle. Die vage Hoffnung, den «großen ThSV Eisenach in die Knie zwingen zu können», nahm plötzlich Formen an. Doch die Wartburgstädter verloren – anders wie in den Vorjahren bei kniffligen Situationen auswärts – nicht den Durchblick. Nick Heinemann ließ sich von einem ausgelassenen Strafwurf nicht beeindrucken (45.), schritt wenig später erneut zur ominösen Linie und versenkte kaltblütig (48.). Und auch der bis dato beim Torwurf zumeist glücklose Adrian Wöhler steckte den Kopf nicht in den Sand, traf – in Unterzahl von Außen zur Kreismitte eingelaufen (50.). Die «Roten Teufel» nutzten eine erneute Überzahlphase, um Niklas Ruß auf Linksaußen freizuspielen, der zum 26:24 (53.) vollendete. Doch dann musste auch Leutershausens Hannes Volk nach einer Attacke gegen Nick Heinemann auf die Bank.

Altmeister Radek Musil leitet die Wende ein
Für den Schlussabschnitt schenkten die Eisenacher ihrem drei Tage zuvor das 39.Lebensjahr vollendenden Keeper Radek Musil das Vertrauen. Volltreffer! Der Routinier wehrte vier Bälle ab, sendete wichtige Signale an seine Vorderleute, die die letzten Kraftreserven abriefen. Daniel Luther brachte mit ganz viel Herzblut seine Qualitäten ein. Girts Lilienfelds zirkelte das Leder zum 26:26-Ausgleich in die Maschen (56.). Und wieder war ThSV-Keeper Radek Musil zur Stelle! Tomas Sklenak zündete den für ihn typischen Turbo zum 26:27 (58.). Dann erfasste Daniel Luther eine etwas unübersichtliche Situation am schnellsten und es hieß 26:28 (59.). Doch die ebenso viel Herzblut investierenden Hausherren hatten Antworten in Form der Anschlusstreffer zum 27:28 (Frietsch, 59.) und nach dem Wöhler-Treffer zum 27:29 (59.) durch Hannes Volk zum 28:29 (59.) parat. Nach wenigen Spielzügen, nach gerade einmal 20 Sekunden, signalisierten die Referees Behrens/Fasthoff Zeitspiel. Adalsteinn Eyjolfsson zückte die grüne Karte zur Auszeit. Der eigene Angriff nach Wiederanpfiff musste rasch abgeschlossen werden. Daniel Luther wuchtete das Leder zum 28:30 und zur Eisenacher Glückseeligkeit ein. Der Treffer von Niclas Ruß zum Endstand änderte nicht mehr an der Punktvergabe. Völlig ausgelaugt tanzten die Eisenacher Spieler auf dem Parkett, jubelte die kleine aber hörbare Gruppe der mitgereisten Anhänger.

Statistik
SG Leutershausen: Hübe, Peribonio; Frietsch (6), Kuch (2), Gunst (3), Forstbauer (5), Ruß (5), Volk (4), Geppert (3), Gäßler, Conrad, Engels (1), Kohlbacher

ThSV Eisenach: Musil, Gorobtschuk; Trautvetter (2), Sklenak (3), Wöhler (4), Luther (3), Miljak (3), Kaluzinski (2), Heinemann (6/5), Lilienfelds (4), Koloper (3)
Siebenmeter: SG Leutershausen 2/1 – ThSV Eisenach 6/5
Zeitstrafen: SG Leutershausen 2 x 2 Min. – ThSV Eisenach 4 x 2 Min.