Großfeldhandballvergleich: Auch ohne Taktiktafel erfolgreich

Natürlich stand der Spaß im Vordergrund, doch ein gehöriges Stück sportlicher Ehrgeiz steckt noch immer in ihnen, obwohl ihre leistungssportliche Kariere teilweise Jahrzehnte zurückliegt. So geschehen am vergangenen Wochenende: Das Traditionsteam des ThSV/Motor Eisenach gastierte anlässlich der 20. Handballtage des VfB TM Mühlhausen zu einem Großfeld-Handballvergleich in der Thomas-Müntzer-Stadt. Da haderte Lutz Sinke, fast zwei Jahrzehnte eine Säule von Motor Eisenach in der 1. Liga der DDR, inzwischen 60 Jahre, aber noch immer sportlich drahtig, lautstark mit sich, seinen Nebenleuten, den Gegenspielern, ja mit Gott und der ganzen (Handball-)Welt, wenn etwas nicht klappte. Ja, ja der Lutz; wie während seiner langen Laufbahn, so wie ihn die Eisenacher Handballfans kannten und auch liebten. Da ärgerte sich Jürgen «Bongo» Beck, weil eben jener Lutz Sinke einen Spielzug einfach abbrach.

«Pausenpredigt» von Rainer Osmann
Und Rainer Osmann, das Urgestein des Eisenacher Handballs, Spieler, Kapitän und Trainer, Coach jener Eisenacher Mannschaft, die 1997 in die 1. Handballbundesliga aufstieg, bald das 61. Lebensjahr vollendend, fand während der Halbzeitpause im Mühlhäuser «Aue-Stadion» klare Worte: «Ihr steht in der Abwehr wie Eimer. Da hat unser Torhüter ja kaum eine Abwehrchance.» Keeper Uwe Schreiber bekam binnen der ersten dreißig Minuten kaum einen Ball vor der Linie zu fassen. Der sportliche Kontrahent, eine Mühlhäuser Stadtauswahl, vornehmlich mit einstigen Aktiven des VfB TM Mühlhausen, hatte bis zum Halbzeitpfiff von Ex-Handballbundesliga-Referee Ralf Illert den Oldies von der Wartburg elf Bälle ins Netz gezirkelt. Vor allem Christoph Liebau hatte mit präzisen Fernwürfen, seine Freiheiten nutzend, Erfolg.
Die Osmann-Crew führte nur knapp mit 13:11. Kam sie so schwer in Fahrt, weil die Taktiktafel vom dafür Verantwortlichen vergessen wurde? Oder war es die Ungewissheit während der Anfahrt, ob überhaupt alle mitspielen dürfen, weil Mannschaftsleiter Peter Weiß trotz intensiven Suchens die Spielerpässe nicht fand? Sabine Schattenberg, eine treue Begleiterin (und Busfahrerin auf der Rückfahrt!) sowie Mitspielerin munterte bis zu ihrer Einwechslung die Teamgefährten auf, die Mitte der ersten Halbzeit gar mit 7:8 zurücklagen.
Doch Scherz beiseite! In der Offensive öffneten die ThSV-Oldies von Beginn ihre Trickkiste. Uwe Seidel, Ex-Nationalspieler, sowohl für die ehemalige DDR und später auch für das wiedervereinte Deutschland, einer der Jüngsten im Team, traf immer wieder von Linksaußen vor allem mit wohl temperierten Hebern. Mit sieben Treffern war er zugleich erfolgreichster Werfer seines Teams. Rainer Osmann, wie auch Lutz Sinke, die beiden aus der Kategorie Ü 60, die die komplette Spielzeit absolvierten, dirigierte den Spielaufbau. Er wurde wie auf vielen Trainerstationen von Andreas «Willi» Schwabe, derzeit DHB-Junioren-Auswahltrainer, unterstützt. Viel lief auch über rechts, über die zwei Linkshänder Jürgen Beck und Lutz Sinke.
Ab Mitte der ersten Halbzeit durften die Eisenacher Oldies auf «Ergänzungsspieler» Benjamin Trautvetter zurückgreifen. Der Kapitän des aktuellen Eisenacher Zweitligateams war von einem Nordseeurlaub direkt nach Mühlhausen geeilt und «stopfte die Löcher» zwischen Abwehr und Angriff. Einer seiner Vor-, Vorgänger im Amt des Spielführers, Detlef Henkel, mühte sich um Struktur, traf selbst zum 8:8-Ausgleich, ließ aber zu Beginn der zweiten Halbzeit eine Strafwurfchance aus.
Die Gastgeber, vom Edmund Nositschka betreut, derzeit Trainer des Männer-Thüringenligisten VfB TM Mühlhausen, viele Jahre selbst erfolgreich für Motor Eisenach in der höchsten Spielklasse am Ball, später Trainer im Nachwuchsbereich des ThSV Eisenach, überbrückten immer wieder geschickt das Mittelfeld. Andreas Nositschka, Sohn von Edmund Nositschka und bis zum Vorjahr zur Torhütergilde des ThSV Eisenach gehörend, jetzt beim VfB TM Mühlhausen im Kasten und als «Leihgabe» (wie auch der Ex-Eisenacher Lars Hartmann) aus der aktuellen Mannschaft in den Mühlhäuser Reihern als Feldspieler dabei, traf beim 9:9 zum letztmaligen Gleichstand. Uwe Seidel und Benjamin Trautvetter brachten die Eisenacher mit ihren Treffern zum 12:9 auf die Siegerstraße.

Ballstafetten wie «in guten alten Zeiten»
Jürgen Beck traf nach Wiederanpfiff zum 14:11 und verließ wenig später das Spielfeld. Das lädierte Knie meldete sich nachdrücklich. Lutz Sinke ließ einige gute Wurfchancen aus, die Schlussleute der Gastgeber zeichneten sich aus. Lars Hartmann, einst im Internat des ThSV Eisenach, verkürzte für die Mühlhäuser Auswahl noch einmal bis auf zwei Treffer, doch dann kam das Kombinationsspiel der Eisenacher so richtig auf Touren. «Endlich» rief Lutz Sinke und traf zum 18:14. Eine Ballstafette Lutz Sinke, Rainer Osmann, Detlef Henkel führte zum 19:14. Martin Münzberg, kürzlich das 40. Lebensjahr vollendend, als Physiotherapeut ganz nah am aktuellen Eisenacher Handballgeschehen, setzte sich energisch zum 20:15 durch. Per Doppelpack erhöhte Rainer Osmann auf 23:17. Den 18. Treffer für Mühlhausen und gleichzeitig der letzte der Partie, von Andreas Nositschka mit gefühlvollem Heber erzielt, verkündete Walter Oppel, der kurzfristig als charmanter und sachkundiger Conférencier eingesprungen war.

Traditionsteam ThSV/Motor Eisenach: Uwe Schreiber; Martin Münzberg (1), Detlef Henkel (2), Rainer Osmann (2), Uwe Seidel (7), Andreas Schwabe (1), Jürgen Beck (2), Lutz Sinke (5), Sabine Schattenberg, Maik Lämmerhirt, Marcel Schwanz, Jürgen Reuter –
Spielertrainer: Rainer Osmann/ Betreuerteam: Peter Weiß/Karsten Lehmann

Anzeige

Stadtauswahl Mühlhausen: Karsten Nickel, Christian Stretzel; Andreas Maeß, Andreas Nositschka, Erik Richter, Christoph Liebau, Axel Kapell, Jörg Schreiber, Sebastian Fernschild, Jürgen Fick, Michael Frohna, Michael Piontek, Lars Hartmann, Daniel Pfannschmidt – Trainer: Edmund Nositschka

Anzeige