Heute im MDR: Die größte Show der DDR

„Es lebe der Sozialismus“, „Wir lieben das Leben“, „Stärkt die DDR“. Solche und ähnliche Losungen gingen über die Sender, wenn die 12000 Mitwirkenden auf der Osttribüne im Leipziger Zentralstadion sich durch hochrecken bunter Schwenkelemente oder anderer Spezialutensilien zu diesen bizarren Losungen formierten. Massen-Inszenierungen, präzise und diszipliniert – das Markenzeichen der regelmäßig veranstalteten Turn- und Sportfeste der DDR. Ein bunter Reigen real existierenden Größenwahns? Nirgends sonst in der Welt (außer in China) wurden derartig aufwändige Massendarbietungen so präzise zelebriert. Bei den ersten Massendarbietungen im Jahre 1954 steckte manches noch in den Kinderschuhen. Die szenische Umsetzung der Losung „Aus Stahl wird Brot“, bei der eine Walzstraße von Menschen sich in grauen Trainingsanzügen wälzte, stieß sogar an höchster Stelle auf Kritik. Walter Ulbrichts Ratschlag „Zieht die Sportler farbenfroher an!“ haben sich die Organisatoren wirklich zu Herzen genommen. So viel Farbe wie zu den Sportfesten gab es selten in der ansonsten eher grauen DDR.

Insgesamt acht Mal strömten die Massen nach Leipzig, um sich, der Partei und der Welt Harmonie, Optimismus, Dynamik und Verbundenheit mit dem
Arbeiter- und Bauernstaat zu demonstrieren – beim großen „Fest der Lebensfreude“. Die Show wurde von Mal zu Mal gigantischer. Für die Teilnehmer ein echtes Erlebnis. Es war immer was los in Leipzig, wenn Hunderttausende im Sommer zusammen waren. Begegnungen, Flirts, Partys, Spaß – und außerdem gab es auch noch Südfrüchte.

Organisatoren und Mitwirkende – was hat all diese Leute motiviert (oder gar fasziniert), jahrelang regelmäßig die Keulen zu schwingen oder andere mehr oder weniger schwierige Übungen einzustudieren, für diesen einen großen Augenblick, wo sich aus der Brownschen Bewegung der Individuen dann die klassenkämpferischen Losungen formten – vor den Augen der auf der Westtribüne versammelten Polit-Prominenz?

Ein „West“-Journalist schrieb über diese Veranstaltung: „Ein wenig lustiger als ein Parteitag und etwas ernster als Karneval“.

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In Teil 1 der Dokumentation betrachten die MDR-Autoren Kerstin Mauersberger und Frank-Otto Sperlich vor allem die ersten Turn- und Sportfeste der DDR, die in den Jahren 1954, 1956, 1959, 1963 und 1969 in Leipzig über die Bühne gingen. Es ist die Zeit, in der Parteichef Walter Ulbricht noch das Ruder in der Hand hat und in Leipzig höchst selbst seine Losung „Jeder Mann an jedem Ort, einmal in der Woche Sport“ mit Leben zu erfüllen versucht – am Volleyballnetz und bei der Massengymnastik im Zentralstadion 1959.

Das Leipziger Turn- und Sportfest Teil 1: Die Ulbricht-Jahre am heutigen Dienstag, 30. April 2002, um 22.05 Uhr im MDR FERNSEHEN. Teil 2 gibt es dann am 7. Mai um 22.05 Uhr.

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