In Eisenach wird ganz viel Wert auf Mentalität gelegt

Auszeit mit Simone Mengon, dem ersten Italiener beim ThSV Eisenach, vor dem Kellerderby gegen die HSG Wetzlar

Simone Mengon ist gerade mit einem besonderen Nationalmannschafts-Erlebnis zum ThSV Eisenach zurückgekehrt. Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Marco, der in Selestat unter Vertrag ist, unterlag er mit Italien zunächst der Türkei mit 28:37, um dann drei Tage später im Rückspiel mit 37:27 zu gewinnen und damit die erste Hürde in der WM-Qualifikation zu nehmen.

Mit 17 Jahren machten sich Simone und Marco Mengon auf den Weg nach Frankreich, um an der dortigen Handballakademie den Weg zum Profi einzuschlagen, aber auch um an der dortigen Schule das Abitur abzulegen. Simone spielte von 2017 bis 2020 beim Erstligisten Montpellier HB und im Anschluss bis zum Sommer 2023 bei Billere HB in der 2. französischen Liga. Seit dem 01.07.2023 trägt der 23-jährige Rückraumspieler das Trikot des ThSV Eisenach.

Am Freitag, 10.11.2023 empfängt Simone Mengon mit dem ThSV Eisenach um 19.00 Uhr zum thüringisch-hessischen Nachbarschaftsvergleich die HSG Wetzlar. Eine Partie von zwei direkten Mitkonkurrenten um den Klassenerhalt. Das erhöht die Wertigkeit.

© Ch. Heilwagen / ThSV Eisenach
Simone Mengon beim Torwurf.

Wir sprachen zu Wochenbeginn mit Simone Mengon, dem ersten Italiener beim ThSV Eisenach, über seinen bisherigen Lebensweg, die Eingewöhnung in Eisenach und die anstehenden Aufgaben.

Wann haben Sie mit dem Handball im Verein angefangen?
Im Alter von 9 Jahren haben mich Freunde in Trento zum Handball mitgenommen. Es hat mir gefallen und ich bin dabeigeblieben, bis zum 17. Lebensjahr in meiner Heimatstadt.

Dann folgte eine sehr mutige Entscheidung….
Mein Bruder und ich wollten im Handball vorankommen, den nächsten wichtigen Schritt vollziehen. Natürlich war es zunächst an der Handballakademie in Frankreich schwierig; wir sprachen kein Französisch. Aber zu zweit haben wir es geschafft, auch Handball und Schule unter einen Hut zu bringen. Das Erlernen der französischen Sprache hatte zunächst Vorrang. In der Akademie waren etwa 12 junge Handballer verschiedener Jahrgänge. Die Trainingseinheiten, manchmal auch mit der 1. Mannschaft, waren sehr intensiv. Nach zwei Jahren stand die Entscheidung an, ob ein Weg zum Profi-Handballer möglich und sinnvoll ist. Bei den Champions-League-Spielen von Montpellier HB war ich natürlich als Zuschauer in der Halle. Das bestärkte mich in meinen Bestrebungen.

Von Montpellier ging es in die 2. Französische Liga, zu Billere HB. Ein Rückschritt?
Meine Spielanteile in Montpellier waren sehr gering. Wahrscheinlich war ich auch noch nicht bereit. Ich wollte mehr Spielanteile. Der Wechsel war der richtige Schritt.

Im Sommer 2023 folgte der Wechsel nach Deutschland, zum ThSV Eisenach?
Der nächste Schritt stand an. Mir lagen Angebote aus Frankreich vor, aber auch vom ThSV Eisenach aus Deutschland. Mein Spielerberater nahm Kontakt mit Misha Kaufmann auf. Da war noch nicht klar, in welcher Liga der ThSV Eisenach spielen wird. Die 1. und die 2. Bundesliga sind die stärksten Ligen der Welt. Da wollte ich hin. Wir haben Videos ausgetauscht. Hinzu kam, Rene Witte und ich kannten uns schon länger. Rene Witte hätte mich bei seinem vorherigen Verein schon gern verpflichtet. Mit dem Vertrag hat es dann in Eisenach geklappt.

Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit Ihrem Engagement in Eisenach?
Ich spiele in der stärksten Liga der Welt. Das erfüllt mich mit Stolz. Die Anforderungen sind sehr hoch, ich will mich denen stellen. Im Training und im Wettkampf werden stets 100 Prozent gefordert und ich will das auch geben. In der 2. Liga Frankreichs haben manchmal 80 Prozent ausgereicht. Das ist aber nicht mein Ding.

Für Sie ist in der Wartburgstadt vieles neu. Wie kommen Sie damit zurecht?
Zunächst gilt es, die deutsche Sprache zu erlernen. Die Trainingsintensität ist deutlich höher als bei meinem vorherigen Club. Meine volle Konzentration gilt dem Handball. Ich kann in jeder Trainingseinheit was lernen, vom Trainer und meinen Mitspielern. Ich habe auch mitbekommen, Einsatz und Kampf sind in Eisenach besonders gefragt.

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Welche Unterschiede haben Sie zwischen der 2. Liga in Frankreich und der 1. Liga in Deutschland festgestellt?
Da gibt es etliche. Der Körpereinsatz ist in Deutschland deutlich höher. Aktuell kann wohl in der 1. Bundesliga jeder jeden schlagen. Dass es keinen festen Spielplan für die gesamte Saison gibt, daran muss ich mich erst gewöhnen. Was für mich in Eisenach heraussticht, neben der akribischen Vorbereitung, der mentale Faktor. Trainer Misha Kaufmann legt darauf ganz besonderen Wert.

Wie reflektieren Sie Ihre ersten 12 Pflichtspiele beim ThSV Eisenach?
Wie bereits angesprochen, für mich war vieles neu. Dazu gehörten die Sprache, die neue Umgebung, das spezielle Spielsystem. Mit meinen Trainingsleistungen habe ich mich wahrscheinlich zunächst nicht aufgedrängt, sodass meine Einsatzzeiten gering waren. Ich brauchte Zeit, um mich einzufinden. Meine Leistungen wurden besser. Ich bot mich an. Der Trainer schenkt mir Vertrauen, ich rechtfertige das. Wenn man in einem Flow ist, steigt das Selbstvertrauen, läuft es ganz einfach gut.

Ja, das „System Kaufmann“ ist nicht so einfach?
Das Training ist ausgesprochen anstrengend, erfordert vollste Konzentration. Das 6 gegen 6 im Training, mit exakter Positionierung und Timing der Spieler im System, der Druck im Angriff. Auf die mentale Vorbereitung wird ganz großen Wert gelegt. Das hilft mir und allen im Team! Auch bei der Videoanalyse wird der mentale Aspekt angesprochen.

Wie empfinden Sie das Leben in der thüringischen Kleinstadt Eisenach?
Sonne und Meer fehlen mir schon ein wenig. Jetzt habe ich viel Wald in der Nähe. Doch Eisenach hat auch seine besonderen Schönheiten. Na klar, die Wartburg habe ich schon besucht. Faszinierend! Die italienischen Restaurants habe ich schon ausgekundschaftet.

Wie sieht es mit der deutschen Sprache aus? Wie verständigen Sie sich im Training, im Spiel?
Ab dem Zeitpunkt meiner Vertragsunterschrift beim ThSV Eisenach habe ich begonnen, deutsch zu lernen. Dennoch war die erste Zeit in Eisenach schwer, ich habe kaum etwas verstanden. Die Kommunikation ist wichtig. Was das Handballerische betrifft, verstehe ich inzwischen fast alles. Ansonsten helfen mir meine Mannschaftskameraden. Es wird jeden Tag besser mit der deutschen Sprache. Ich befleißige mich beim Erlernen.

Nun steht für Ihre Mannschaft ein Kellerderby, das Heimspiel gegen die HSG Wetzlar an. Es geht um ganz wichtige Punkte…
Die Heimniederlage gegen Hamburg tat weh. Wir wollen alles tun, damit die Werner-Aßmann-Halle eine Festung bleibt. Gegen einen Mitkonkurrenten doppelt zu punkten, das ist enorm wichtig.

Ihre Lieblingsmusik?
Ich höre gern moderne spanische, italienische und französische Musik.

Ihr Lieblingsessen?
In italienischen Restaurants bevorzuge ich die klassische italienische Pizza. Zuhause esse ich gern Nudeln. Ich koche selbst. Gesundes sportgerechtes Essen. Da ich in Deutschland bin, probiere ich natürlich auch deutsche Gerichte.

Welche Freizeitinteressen haben Sie?
Ich lese gern japanische Comics. Im Sommer spiele ich gern im Freien Volleyball. Als Handballer schaue ich mir natürlich auch etliche Handballspiele über verschiedene Kanäle an.

© Ch. Heilwagen / ThSV Eisenach
Simone Mengon resolut im Zweikampf.

Th. Levknecht

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