In Westfalen gehörig unter die Räder gekommen

Eryk Kaluzinski stapfte mit versteinerter Miene in die Katakomben der modernstes Erstligaflair ausstrahlenden MaxiparkArena in Hamm Werries. Der Eisenacher Rückraumroutinier war frustriert über den Auftritt des Teams und sicher auch der eigenen Leistung.
Währenddessen feierte die Saisonrekordkulisse der 2100 Zuschauer einen 38:23 (17:10)-Erfolg des ASV Hamm-Westfalen über den ThSV Eisenach. Die «Mannschaft der Stunde» setzte ihren Erfolgskurs fort (jetzt 12:2 Punkte in Folge). «Unsere Deckung war der Schlüssel zum Erfolg. Wir haben die Räume ganz eng gemacht und mit Tomas Sklenak den Kopf der Eisenacher Mannschaft aus dem Spiel genommen. Die linken und rechten Rückraumspieler der Eisenacher kamen zudem nicht wie gewohnt zur Entfaltung. Unsere Trumpfasse waren Geradlinigkeit und Entschlossenheit», bilanzierte Kay Rothenpieler, nach der Ablösung von Maik Machulla Anfang November als Spielertrainer jetzt in der Doppelfunktion des Managers und Trainers beim ASV Hamm.
Von Geradlinigkeit und Entschlossenheit war beim ThSV Eisenach, trotz guten Starts, kaum etwas zu sehen. Das Team war gegenüber des vorwöchentlichen 41:29-Sieges über den HC Empor Rostock nicht wieder zu erkennen. «Ab der 12. Minute haben wir völlig unseren Faden verloren. Wir haben uns demontieren und auseinander nehmen lassen. Ich habe mit personellen Wechseln alles versucht, doch von Courage keine Spur. Meine Mannschaft war nicht wieder zu erkennen. Wir fabrizierten Fehler auf Fehler, lösten damit 17 Tempogegenstöße der Gastgeber aus. Wir agierten extrem verunsichert», erklärte ein spürbar niedergeschlagener Eisenacher Trainer Adalsteinn Eyjolfsson. Er musste in dieser Partie auf die verletzten Daniel Luther und Alexander Schiffner verzichten.
Zur Verunsicherung in den Eisenacher Reihen trugen zweifellos auch die Unparteiischen Hohlwein/Michalzik bei, deren Entscheidungen mehrfach zumindest diskussionwürdig waren. Bereits nach 50 Sekunden entschieden sie bei einer typischen Sklenak-Aktion auf Schrittfehler, legten bei der Verteilung von Zeitstrafen zweierlei Maß an. «Hamm spielte sich in einen Rausch. Wir hingegen ließen selbst freie Chancen aus. In den bisherigen Auswärtsspielen haben wir nur knappe Niederlagen hinnehmen müssen. Die Partie in Hamm war der absolute Tiefpunkt meiner Amtszeit beim ThSV Eisenach. Da müssen wir als Mannschaft, als Team gemeinsam raus», betonte Adalsteinn Eyjolfsson. Diese herbe Niederlage gilt es ganz rasch zu verdauen, denn am Mittwoch, 21.12.2011 wartet bereits die nächste Punktspielaufgabe, wenn mit dem TV Emsdetten ein Spitzenteam der Liga in der Werner-Aßmann-Halle gastiert (Anwurf 20.00 Uhr).

Entscheidung binnen 11 Minuten
Die Gastgeber hatten im Vorfeld gehörigen Respekt vor den Wartburgstädtern. «Eisenach ist eine Mannschaft mit sehr guter Qualität. Nach dem Coup in Minden hatte ich ein komisches Gefühl, doch es ist uns gelungen, die Spannung hochzuhalten. Anfangs spielten wir zu pomadig. Unsere Deckungsarbeit bildete die Basis des Erfolges. Die Höhe des Sieges ist schon überraschend», resümierte ein von den eigenen Fans in Sprechchören gefeierter Kay Rothenpieler. Mit der Rückholaktion ihres «verloren Sohnes» Chen Pomeranz Mitte November kehrte der Erfolg zum seinerzeit abstiegsbedrohten ASV Hamm zurück. Der kleine israelische Nationalspieler brillierte in der Rolle des torgefährlichen Spielgestalters, narrte mehrfach die Abwehr der Eisenacher und versenkte selbst neun Bälle. Binnen elf Minuten sorgte der ASV Hamm für klare Verhältnisse, konterte die Thüringer vom 3:3 (8) zum 13:5 (19.) aus. Zuspielversuche mit «Ansage» zum Kreis, Würfe in die Deckung der Gastgeber, die geblockt wurden, das waren in dieser Phase und bis zum Spielende die «Einladungen» zum Konten für die Hausherren. Nur bei Ballpassagen auf Rechtsaußen Nick Heinemann drohte den Westfalen Gefahr. Ausgerechnet nach einer Eisenacher Auszeit beim 7:3 (12.) nahm das Unheil erst richtig seinen Lauf. Duje Miljak und Roel Adams kamen im Aufbaubereich der Eisenacher, doch die Wartburgstädter kapitulierten regelrecht vor der engmaschigen Deckung der Gastgeber. Der ASV Hamm hatte sichtlich Freude am gemeinsamen Handballspielen. Dirk Hartmann traf zum 17:9 (29.).
Gleich nach Wiederbeginn zwei Szenen, die den Unterschied an diesem Tag nachhaltig belegen. Endlich mal ein Tempogegenstoß der Eisenacher, ihre sonstige Stärke, doch der Aufsetzer von Eryk Kaluzinski hat zu viel Schmackes und geht über den Kasten. Sekunden später vollendet Lars Gudat zum 18:10 für den ASV Hamm (31.). Kurz darauf startet Eisenachs schneller Rückraumspieler Girts Lilienfelds zum Tempogegenstoß und schmettert das Leder ans Gebälk. Sekunden später liegt ein Hartmann-Ball zum 20:11 für den ASV Hamm im Eisenacher Kasten (20:11, 33.). Der körperlich kleine Chen Pomeranz trumpft technisch versiert, trickreich und geradlinig auf. Simon Andreas trifft zur erstmaligen 10-Tore-Führung für die Gastgeber (24:14, 38.). Dann rückten die Spielleiter wieder in den Blickwinkel. Einen bösen Griff seines Gegenspielers zwischen die Beine, von den Schiedsrichtern nicht geahndet, hatte Eisenachs Nick Heinemann zu verkraften und musste sich «als Zugabe» eines Wortscharmützels mit den zwei Köpfen größeren Thomas Lammers an der Außenlinie in Höhe der Mittellinie erwehren. (Er hätte sich dabei sicherlich körperlichen Beistand von zumindest einem der Rückraumhünen seines Teams erhofft. Erst der herbeigeeilte Adrian Wöhler trug zur Auflösung der angeheizten Debatte bei.) Eine abfällige Geste von Nick Heinemann in Richtung Publikum war der Auslöser für ein Pfeifkonzert bei Ballbesitz des kleinen Eisenacher Rechtsaußen bis zum Spielende. Nervenstark verwandelte Nick Heinemann, von gellenden Pfiffen begleitet, einen Strafwurf (35:20, 52.). Hämische Schadenfreude im weiten Rund, als Nick Heinemann vom Punkt am eingewechselten 40-jährigen Keeper Torsten Friedrich, dem Garanten des 32:26-Auswärtssieg des ASV Hamm bei Titelfavorit Minden, scheiterte (58.).
Da führte der ASV Hamm freilich bereits mit 38:20, beteiligten sich auch die Wechselspieler der Gastgeber am munteren Torwerfen. Zdenek Polasek hatte beim 31:16 (47.) zur erstmaligen 15-Tore-Führung der Hausherren getroffen. Zu selten ließen die Eisenacher ihre spielerischen Qualitäten aufblitzen, wie beim Heinemann-Treffer von Rechtsaußen (47.), wie bei der Dublette zwischen Tomas Sklenak und Branimir Koloper (48.). Philipp Lindner, im zweiten Abschnitt auf Links- und Rechtsaußen eingesetzt, und Branimir Koloper sorgten in den beiden Schlussminuten noch für geringfügige Ergebniskosmetik der Eisenacher.

Statistik
ASV Hamm-Westfalen: Mrkva, Friedrich; Rycharski (1), Schumann, Simon (8/2). Wiegers, Schmetz (2/2), Macke (1), Polasek (3), Hynek, Gudat (6), Hartmann (6), Pomeranz (9), Lammers (2)

ThSV Eisenach: Musil, Gorobtschuk; Trautvetter (1), Sklenak (2), Wöhler (2), Miljak (2), Kaluzinski, Adams (1), Heinemann (7/2), Lilienfelds (3), Koloper (3), Lindner (2)

Zeitstrafen: ASV Hamm 3 x 2 Min. – ThSV Eisenach 6 x 2 Min.
Siebenmeter: ASV Hamm 4/4 – ThSV Eisenach 4/2

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