Kopflose Eisenacher versinken im Tabellenkeller

«Jetzt gewinnt sogar schon Obernburg in Eisenach», schüttelte ThSV-Fanprojekt-Chef Frank Hartung mit aschfahlem Gesicht den Kopf. Der ThSV Eisenach strapaziert die Leidensfähigkeit seiner Anhänger, das waren am Samstag erneut über 1300 in der Werner-Aßmann-Halle, über alle Maßen. «Ich glaube, Obernburg hat zwei Jahre kein Auswärtsspiel gewonnen», fühlte sich deren erst seit wenigen Monaten im Amt befindliche Trainer Christian Barthel mit seinen Mannen nach dem 27:29 (14:12) auf Wolke sieben.
Die «Festung» Eisenach zu nehmen, davon wagten sie bis zum Anpfiff wohl nicht einmal zu träumen. Fassungslosigkeit, Unverständnis im Lager des ThSV Eisenach nach der richtungsweisenden Begegnung. Die Richtung ist nach der Heimpleite klar. Der ambitionierte, personell aber dünn bestückte, ThSV Eisenach ist im Tabellenkeller versunken und steht vor ganz schweren Wochen, in denen er neben dem langzeitverletzten Girts Lilienfelds möglicherweise mit dem am Samstag nach 21 Minuten ausgeschiedenen Nick Heinemann (Bänderverletzung) auf einen weiteren Linkshänder länger verzichten muss. Völlig unnötig die Niederlage, weil die Eisenacher gegen den großgewachsenen bulligen Innenblock der Obernburger Deckung das passende Gegenmittel eigentlich parat hatten. Mit Ballstafetten zu den Außenpositionen, vornehmlich zu Linksaußen Alexander Schiffner (8 Treffer), kamen sie immer wieder zum Erfolg, führten 10:6 (22.) und 14:10 (29.). Unverständlicherweise verließen sie den Erfolgspfad. «Kopflosigkeit», so ThSV-Coach Maik Handschke, machte sich breit, führte die Hausherren auf den Weg zum Abgrund, zur Niederlage. Aus dem 14:10 (29.) wurde ein 16:19 (39.). Mit biederen Zweikämpfen über die Mitte, vornehmlich durch die erfahrenen Pavel Prokopec und Krisztian Szep-Kis, holten sie sich eine Abfuhr auf die andere. Die Obernburger hatten von Beginn Eisenachs sonstigen «Turbo» Tomas Sklenak mittels Sonderbewachung, erst durch Otto Fetser, später durch Felix Hain, an die kurze Leine gelegt. «Unser Abwehrkonzept, in Verbindung mit dem bestens aufgelegten Torhüter Milos Hacko ging voll auf», strahlte Obernburgs Coach Christoph Barthel mit Verweis auf die kärgliche Torausbeute des Eisenacher Rückraums.
ThSV-Kapitän Pavel Prokopec markierte in der 57. Minute seinen ersten und einzigen Treffer! «Keine Frage der Kraft, zumal ich frühzeitig gewechselt habe. Es ist eine Kopffrage. Pavel Prokopec setzt sich wohl selbst zu sehr unter Druck», argumentierte Maik Handschke. Routinier Krisztian Szep-Kis war quasi direkt vom Flughafen nach einem Ungarn-Aufenthalt zur Mannschaft geeilt, um als Linkshänder im rechten Rückraum zu helfen. Ihm fehlten Kraft und Spritzigkeit, der 37-Jährige produzierte mit schwindenden Kräften zahlreiche Patzer. Andreas Nositschka, beruflich als Physiotherapeut bei den Radprofis, in der Vorsaison zur Torhütergilde des ThSV Eisenach gehörend, gerade auf «Heimaturlaub» in Eisenach, hatte Mail Handschke per Handy seine Einsatzbereitschaft angeboten. Der Eisenacher Coach nahm dankend an, da sein zweiter Keeper Stanislaw Gorobtschuk wegen eines Magen- und Darminfektes nicht zur Verfügung stand. Andreas Nositschka, mit «neuer drahtiger Figur», übernahm ab der 38. Minute den Part von Stammkeeper Radek Musil und nährte mit vielen guten Paraden die Hoffnung der Eisenacher auf ein Happyend. «Mit Geduld und Disziplin haben wir in der zweiten Halbzeit das Spiel an uns gezogen», bilanzierte ein aufgekratzter Obernburger Trainer Christoph Barthel, dessen «Rückraumwalze» Martin Justus die Freiräume durch Eisenachs Defensivabteilung zu 11 Treffern nutzte. Und dennoch, nach dem 22:25 (52.) besannen sich die Eisenacher auf ihre Qualitäten, setzten zur Schlussoffensive an. Benjamin Trautvetter vom Kreis (wenig später allerdings mit völlig überzogener Attacke gegen Obernburgs Mathias Conrad, 53.), Daniel Luther mit Schärfe und Präzision, Pavel Prokopec (mit viel Dusel) und Alexander Schiffner nach Tempogegenstoß glichen zum 26:26 aus (57.). Die Phonstärke auf den Rängen war längst zum Orkan angewachsen. Die Obernburger zeigten Nerven, leisteten sich Ballverluste. Die riesengroße Chance für den ThSV Eisenach, die Partie noch zu einem guten Ende zu bringen! Doch ausgerechnet jetzt brachte Alexander Schiffner das Leder von Linksaußen nicht an Obernburgs «Nichtabstiegsgarantie», Schlussmann Milos Hacko vorbei (58.), leistete sich Pavel Prokopec einen Stockfehler. Die Gäste antworten durch ihren an diesem Tag schier explodierenden Rückraumspieler Martin Justus mit dem 26:27 (59.), begegneten der nun im Alles oder Nichts offensiv operierenden Eisenacher Deckung mit kaltblütigem Aktion zu Regisseur Jurai Niznan (26:28, 59.), der überschäumende Freudenausbrüche bei den Gästen und tiefe Niedergeschlagenheit bei den Thüringern auslöste. Daniel Luthers Treffer zum 27:28 konnte das Unheil nicht mehr abwenden.

Statistik

ThSV Eisenach: Musil, Nositschka (ab 38.); Hoffmann (3), Trautvetter (5/2), Sklenak (3), A. Wöhler, Luther (3), Bitterlich, Schiffner (8), Lindner, Heinemann (2), Prokopec (1), Szep-Kis (2)
Tuspo Obernburg: Hacko, Klimmer; Wilhelm, Wengerter, Niznan (5), Fetser (5/3), Justus (11/2), Hain (1), Volk (3), Maas (3), Liebald, Beck, Schüßler

Zeitstrafen: Eisenach 4 x 2 Min.; Obernburg 6 x 2 Min.

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Siebenmeter: Eisenach 4/2; Obernburg 6/5

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