Leichlinger «Piraten» entern erneut ThSV-Schiff

Die Spieler des Leichlinger TV samt ihres impulsiven Trainers Frank Lorenzet tanzten ausgelassen auf dem Parkett. Sie hatten den höher dotierten ThSV Eisenach in einer auf spielerisch bescheidenen Niveau stehenden Partie mit 24:23 (13:11) sprichwörtlich niedergekämpft. Doch nur 250 Zuschauer wollten das sehen. Auch im zweiten Jahr nimmt die Region Leichlingen kaum Notiz von der zweithöchsten Handballspielklasse!
«Ich bin bitter enttäuscht. Die Absprachen zur Angriffsgestaltung wurden kaum eingehalten», resümierte ein zerknirschter Eisenacher Trainer Maik Handschke. Während der Hinfahrt hatte er per Video nochmals auf die Wege zum Ausmanövrieren der offensiv ausgerichteten Deckung hingewiesen. Verinnerlicht hatten das seine Mannen wohl nur wenig. Der junge Leichlinger Benjamin Göller glänzte als «Abfangjäger», als «Staubsauger» vor der eigenen Deckung mit großer Leidenschaft und Einsatzbereitschaft. «Er neutralisierte mit einer Superleistung Eisenachs Herzstück Tomas Sklenak», verteilte Leichlingens Trainer ein Riesenkompliment.
«Die Einsatzbereitschaft eines Benjamin Göller hätte ich mir insbesondere von unseren Außen gewünscht», sprach Maik Handschke als einen entscheidenden Aspekt aus seiner Sicht für die knappe Niederlage an. «Ich bin von der Einsatzbereitschaft, von der Konsequenz beim Torwurf unserer Außen enttäuscht. Das war der Unterschied gegenüber den Gastgebern», betonte Eisenachs Trainer. In der Torwurfeffektivität wollte er Adrian Wöhler (7 Würfe – 5 Treffer) aus der Kritik herausnehmen. In der Abwehr unterliefen dem inzwischen 22-Jährigen eklatante Patzer, kassierte in einer ganz wichtigen Phase eine völlig unnötige Zeitstrafe. Matthias Reckzeh, der 2,04-Meter-Mann im Leichlinger Kasten, in jungen Jahren beim HSV Suhl, bis zum Sommer bei Erstbundesligist TSV Dormagen, vernagelte insbesondere im entscheidenden Spielabschnitt förmlich seinen Kasten. Eisenachs Außen schien das Herz im Duell mit dem sich vor ihnen aufbauenden «Riesen» in die Hose zu rutschen. Da die Leichlinger Eisenachs Rückraum frühzeitig stellten, initiierten die Eisenacher Angriffszüge zu den Außenpositionen. Beim letzten Heimspiel klappte das noch bestens. Nicht aber in Leichlingen. Alexander Schiffner brauchte für einen Treffer vier Versuche. Gleiches bei Nick Heinemann, der in der 21. Minute zu seinem Saisondebüt im Eisenacher Trikot kam, weil Stamm-Rechtsaußen Martin Hoffmann in Angriff (ohne Torerfolg) und Abwehr an diesem Abend indisponiert wirkte. Ohne den verletzt zuschauenden Girts Lilienfelds kam die Rückraumreihe nicht auf die gewohnte Betriebstemperatur. Bei eigener Überzahl (!) unterliefen den Eisenachern immer wieder Fehler. Tomas Sklenak, frühzeitig gestellt, zündete nicht wie gewohnt den «Turbo». Daniel Luther wirkte gegen die offensive Abwehr verunsichert. Verantwortung beim Torwurf übernahm immer wieder Oldie Krisztian Szep-Kis. Doch ein Vielzahl seiner Würfe wurden eine Beute von Leichlingens Keeper Matthias Reckzeh oder landeten neben dem Kasten. In 6:4-Überzahl traf der 37-jährige Linkshänder in der Schlussminute zum Anschlusstreffer (Leichlingen wähnte sich nach 52 Minuten beim 23:19 schon am Ziel.) In den turbulenten letzten Sekunden, beim Stand von 24:23, bot sich den Eisenachern plötzlich noch die Möglichkeit zum Ausgleich und damit zu einem Punkt. Ausgerechnet der erfahrene Krisztian Szep-Kiss setzte bei eigener Spielerüberzahl zu früh und unvorbereitet zum Torwurf an. Der Ball wurde eine sichere Beute von Matthias Reckzeh. Die verbleibenden Sekunden wurden seitens der Gastgeber schon zum Jubeln genutzt. «Meine Mannschaft hat wahrlich Charakter gezeigt, fehlten uns mehrere Spieler aus Verletzungsgründen. Mit acht Aufrechten haben wir den ThSV Eisenach in die Knie gezwungen», zeigte sich Leichlingens Coach Frank Lorenzet ausgesprochen happy.
«Mit nur 23 eigenen Treffern ist kaum in Spiel zu gewinnen», sinnierte Eisenachs Abwehrspezialist Till Bitterlich nach dem Abpfiff. Er machte in den letzten Sekunden schmerzhafte Bekanntschaft mit der feurigen Wechselbank der Hausherren. Diese hatte einen im Seitenaus gelandeten Ball eingeklemmt. Beim Versuch, diesen wieder rasch ins Spiel zu bringen, wurde der wahrlich nicht schmächtige Till Bitterlich per Ellenbogencheck zu Boden gestreckt und musste benommen behandelt werden. Zur Überraschung verhängten die Unparteiischen Kuntz/Schmitt nach diesem Tumult lediglich eine Zeitstrafe gegen Till Bitterlich. Er und seine Nebenleute standen in der Defensive im Zusammenspiel mit Torhüter Radek Musil, der 44 Prozent der Bälle, darunter erneut einen Strafwurf, parierte, sehr kompakt.
An der Abwehr hat es also nicht gelegen, dass der ThSV Eisenach und sein mitgereister Anhang, wie im Februar schon einmal, Leichlingen als Verlierer die 317-Kilometer-Heimfahrt antrat. Eisenachs Stanislaw Gorobtschuk, vor zwei Jahren mit dem Leichlinger TV in die 2. Bundesliga aufgestiegen, hatte sich die Rückkehr an eine einstige Wirkungsstätte anders vorgestellt! Der Leichlinger TV feierte den zweiten Saisonsieg, auf den der ThSV Eisenach nach 3:7 Punkten noch wartet. Nun folgen zwei Heimspiele binnen weniger Tage: am Samstag, 10.10.09 um 19.30 Uhr gegen die SG BBM Bietigheim, am Mittwoch, 14.10.09 um 20.00 Uhr gegen den starken Aufsteiger TV Neuhausen.

Statistik

Leichlinger TV: Reckzeh, Ross; Pistolesi (2), Korte (4), Göller (3), Schumacher (4), Oelze (9/4), Scherer (1), Jansen, Kreckler (1), Sommer, Rechlin

ThSV Eisenach: Musil, Gorobtschuk; Hoffmann, Trautvetter (5/1), Sklenak (2), A. Wöhler (5), Luther, Bitterlich, Schiffner (1), Lindner, Heinemann (1), Prokopec (4), Szep-Kis (5)

Siebenmeter: Leichlingen 5/4; Eisenach 1/1

Zeitstrafen: Leichlingen 7 x 2 Min., Rot für Göller nach 3. ZS, 59.; Eisenach 5 x 2 Min.

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