Mit Deckungsumstellung das Spiel gedreht

Der ThSV Eisenach feierte am 30. Spieltag der laufenden Saison der 2. Handballbundesliga seinen vierten Auswärtssieg und kletterte nach dem insgesamt 16. Doppelpunktgewinn auf Tabellenplatz 7. Nach den ersten dreißig Minuten sah es allerdings nicht nach einem Erfolg der Wartburgstädter aus. Deren 6:0-Abwehr glich dem berühmten Schweizer Käse. «Zu offen zu passiv», fand Eisenachs Trainer Adalsteinn Eyjolfsson in der Analyse klare Worte.
Nahezu jeder Ball der Hausherren zappelte im Eisenacher Kasten. Beide Torleute, Radek Musil und Stanislaw Gorobtschuk, schauten nur hinterdrein. «Wir hatten Glück, dass wir zur Halbzeitpause nicht schon weitaus höher im Rückstand lagen», gestand Adalsteinn Eyjolfsson. Der DHC Rheinland, der nach einer Viertelstunde mit 12:9 vorn lag, führte beim Gang zu den Halbzeitgetränken nur mit 19:18. Das hatte zwei Gründe: Zum einen, die Offensivqualitäten der Eisenacher, voran der erst am Vortag von Auswahlspielen mit Tschechien zurückgekehrte vor Spielfreude sprühende Tomas Sklenak (10 Treffer) und der mit platzierten Bällen erfolgreiche Girts Lilienfelds (7 Treffer). Zum anderen, dem DHC Rheinland fehlten beide Stammkeeper, musste kurzfristig des A-Jugend-Talent Max-Henri Herrmann einspringen, und das als alleiniger Torhüter. Der Youngster mühte sich redlich, konnte auch den einen oder anderen Ball parieren. «Im ersten Abschnitt haben wir unsere Chancen konsequent genutzt. Im zweiten Abschnitt gelang uns dies nicht», resümierte Richard Ratka, der Coach des DHC Rheinland. Seine Offensivabteilung wurde nach dem Seitenwechsel zunehmend ausgebremst. Eisenachs Trainer Adalsteinn Eyjolfsson verordnete seiner Abwehr ein verändertes, ein offensiveres System mit mehr Körperkontakt, phasenweise eine 4:2-Variante, mit Branimir Koloper und Tomas Sklenak vorgezogen. Das zeigte Wirkung! Nun bekam auch Radek Musil das Leder vor der Linie zu fassen, fand zur gewohnten Leistung, parierte im zweiten Abschnitt zehn Bälle. «Unsere Breite im Kader zahlte sich in der zweiten Halbzeit aus. Den Gastgebern schwanden offensichtlich die Kräfte», so Adalsteinn Eyjolfsson. Im Vorwärtsgang explodierten die Eisenacher. Der auf Linksaußen eine gute Partie liefernde Alexander Schiffner lief im Rücken der Abwehr zur Kreismitte ein und brachte seine Farben erstmalig in Führung 21:22 (36.). Doch noch hatte der DHC Rheinland, mit Ex.Nationalspieler Michael Hegemann als Regisseur, dem vorjährigen Toptorjäger der Liga, David Breuer (damals TV Korschenbroich), im rechten Rückraum sowie Bartosz Konitz durchschlagende Antworten (24:23, Breuer, 42.).

Alexander Schiffner mit großem Anteil an der Entscheidung binnen fünf Minuten
Es folgten die fünf entscheidenden Minuten. Die Eisenacher eroberten sich das Leder in der Deckung und ab ging die Post. Alexander Schiffner hatte erheblichen Anteil, traf selbst zum 24:24 (42.), schickte nach einem Ballgewinn per präzisem Steilpass Tomas Sklenak, der zum 24:25 einnetzte (43.), setzte bei einem zurückspringenden Ball energisch zum 24:28 (46.) nach. Daniel Luther schmetterte das Leder zum 24:29 (47.) in die Maschen. Vom 24:23 (42.) zum 24:29 (47.)! Da half auch eine Pressdeckung von Michiel Lochtenbergh gegen Eisenachs «Turbo» Tomas Sklenak nichts, der ThSV Eisenach war längst auf der Überholspur am DHC Rheinland vorbeigezogen. Kapitän Benjamin Trautvetter schloss einen der zahlreichen Tempogegenstöße zum 26:32 (52.) ab. Kurz darauf parierte ThSV-Keeper Radek Musil einen Hegemann-Ball und blieb auch gegen Linksaußen Florian von Gruchalla Sieger. Die Punktevergabe war geklärt. Souverän steuerten die Wartburgstädter ihrem 16. Saisonsieg entgegen. Für den Spielausgang belanglos, dass Eryk Kaluzinski (57.) und Nick Heinemann (59.) nach ihrer jeweils dritten Zeitstrafe die rote Karte sahen.

Eisenachs Abwehr mit Einladungen zum Torwurf
Der ThSV Eisenach begann mit Alexander Schiffner auf Linksaußen. Duje Miljak, Branimir Koloper und Daniel Luther bildeten den Deckungsinnenblock. Eisenachs Prunkstück, die Abwehr, zeigte sich jedoch sehr porös, was 19 Gegentore binnen der ersten Halbzeit belegen. Eryk Kaluzinski, durch eine Krankheit geschwächt, blieb zunächst auf der Bank. Daniel Luther, Tomas Sklenak und Girts Lilienfelds agierten im Rückraum. Benjamin Trautvetter besetzte die Kreisposition, Nick Heinemann seine Stammposition auf Rechtsaußen. Duje Miljak und Branimir Koloper lösten Girts Lilienfelds und Benjamin Trautvetter für Abwehraufgaben ab. Nach dem 4:4 (8.) initiierten die Gastgeber Ballstafetten zu allen Kreispositionen, trafen aber auch aus dem Rückraum zum 8:5 (12.), 12:9 (16.). Nick Heinemann lieferte sich eine unnötige Privatfehde mit Michael Hegemann. Tomas Sklenak schmetterte das Leder zum 12:12-Ausgleich ins DHC-Gehäuse (21.). Die Eisenacher Abwehr sprach weiter Einladungen zum Torwurf aus. Trainer Adalsteinn Eyjolfsson wollte dem Abhilfe verschaffen, wechselte Eryk Kaluzinski ein, der jedoch kurz hintereinander (23./26.) zwei Zeitstrafen kassierte. Nach Regelwidrigkeit an Nick Heinemann verwandelte Benjamin Trautvetter den fälligen Siebenmeter zum 18:18-Ausgleich. Per Strafwurf besorgte Florian von Gruchalla die 19:18-Halbzeitführung für den DHC Rheinland.

Vorentscheidung binnen fünf Minuten
Mit der Umstellung auf ein offensiveres Abwehrsystem gelang den Eisenachern der wohl entscheidende Schachzug. Mehr Körperkontakt, mehr Biss! Das Zusammenspiel zwischen Abwehr und Torhüter klappte nun auch. Kurz vor einem Zeitspielpfiff landete eine Luther-Fackel zum 21:21-Ausgleich im Gastgebergehäuse (35.). Kurz darauf stieg Nick Heinemann, der drei Strafwürfe sicher verwandelte, zu ungestüm ein, kassierte seine zweite Zeitstrafe (38.). Damit waren er und Eryk Kaluzinski stark Rot gefährdet. Die Eisenacher forcierten das eigene Tempo, bremsten zugleich das Angriffsspiel der Hausherren aus. Es folgten die wohl entscheidenden fünf Minuten, vom 24:23 (42.) zum 24:29 (47.). Tomas Sklenak und seine Teamgefährten wirbelten die Hausherren gehörig durcheinander. Der 16. Saisonsieg des ThSV Eisenach geriet nicht mehr in Gefahr.

ThSV Eisenach am Samstag mit Heimrecht
Der ThSV Eisenach ist bereits am Samstag, 14.04.2012 erneut um Punkte am Ball. Sie empfangen dann den TV Bittenfeld in der heimischen Werner-Aßmann-Halle (Anwurf 19.30 Uhr) und haben einen weiteren Doppelpunktgewinn fest im Visier

Handball-Dormagen stürzt erneut in die Drittklassigkeit
Beim DHC Rheinland gehen die Zweitbundesligalichter aus. Anfang März wurde beim zuständigen Amtsgericht ein Insolvenzantrag gestellt, gleichbedeutend mit dem Zwangsabstieg. Handball-Dormagen steht vor einem neuerlichen Zwangsabstieg in die Drittklassigkeit. Träume von einer gemeinsamen Bundesligamannschaft mit der HSG Düsseldorf zerplatzten wie eine Seifenblase. Auch die Landeshauptstädter sind finanziell am Ende. So hatte die Partie der Eisenacher am Mittwochabend «gespenstische Züge». Einzig die ehrenamtlichen Ordner waren «voll bei der Sache». Ins Bayer Sportcenter Dormagen, da wo sonst eine große Kulisse für feurige Stimmung sorgte, waren noch die Treuesten der Treuen gekommen. Der Hallensprecher sprach von 706 Zuschauern, allerdings mit dem Hinweis, dass da alle Dauerkartenbesitzer eingerechnet sind. Körperlich war maximal die Hälfte da. Jene, die gekommen waren, unterstützten ihr personell arg gebeuteltes Team allerdings vorbildlich. «Ich freue mich über jeden Zuschauer, der in dieser Situation zu uns in die Halle kommt und uns unterstützt», zollte Richard Ratka, der Coach des DHC Rheinland, den Treuesten der Treuen seine Anerkennung.
Ex-Nationalspieler Michael Hegemann, im Februar von der HSG Düsseldorf zum DHC Rheinland transferiert, schon mit Blick auf «eine starke Bundesligamannschaft in der Saison 12/13», machte keine Hehl daraus, dass er sich gelinkt fühlt und nun vor einer völlig ungewissen Zukunft steht. «Keine Ahnung, wie es bei mir weiter geht», so der 34-jährige Rückraumspieler. «Wir wollen als Mannschaft zusammenstehen und die Saison ordentlich zu Ende spielen», erklärte DHC-Trainer Richard Ratka. Eine ganz schwierige Situation auch für den Coach. Die ganze Handballgemeinde im Raum Dormagen bekam Zuspruch von Eisenachs Trainer Adalsteinn Eyjolfsson: «Ich wünsche, dass alle in der Region die zweifellos ganz schwierige Situation meistern. Die Handballtradition in Dormagen muss weiter leben.» Wie die Zukunft, wie die neue Struktur, wie Unterstützung durch den Bayer-Konzern, alles wohl noch offene Fragen. Der DHC Rheinland versucht, bis zum Saisonende Anfang Juni am Punktspielbetrieb teilzunehmen. Ob im nächsten Auswärtsspiel beim VfL Potsdam ein etatmäßiger Torwart zur Verfügung steht? Eine von vielen Fragen beim DHC Rheinland.

Anzeige

Statistik

DHC Rheinland: Herrmann; Szczesny (1), von Gruchalla (4/3), Plaz (3), D. Breuer (3), Hegemann (4), Zdrahalla (1), Wittig (2), Kübler (3), Lochtenbergh (3), Konitz (6)

ThSV Eisenach: Musil, Gorobtschuk; Trautvetter (4/1), Sklenak (10), Wöhler, Luther (4), Miljak (2), Kaluzinski, Adams, Schiffner (5), Heinemann (3/3), Lilienfelds (7), Koloper (1)

Zeitstrafen: DHC Rheinland 3 x 2 Min. / ThSV Eisenach 7 x 2 Min., Rot für Kaluzinski (57.) u. Heinemann (59.) n. 3. ZS

Siebenmeter: DHC Rheinland 3/3 ; ThSV Eisenach 3/3

Anzeige