Ohne Feuer und Leidenschaft

Das hatten sich die Anhänger des ThSV Eisenach anders vorgestellt. Gegen eine verletzungebedingt dezimierte HSG Düsseldorf (nur neun Feldspieler) reichte es für die Wartburgstädter lediglich zu einem 22:22 (11:9)-Remis. Die Schlussphase betrachtet, mussten die Eisenacher froh sein, wenigstens einen Zähler auf der Habenseite zu verbuchen. Beim 16:19 (48.) drohte gar eine Heimpleite. Nach einem starken Auftakt mit 6:1 (13.) und 8:4 (19.) verlor der ThSV Eisenach besonders im zweiten Abschnitt nahezu vollends seine Linie, fehlten – und das lässt aufhorchen – die ureigendsten Eisenacher Tugenden wie Kampfkraft und Einsatzwillen, «Spieler inklusive Trainer müssen sich Gedanken machen, weshalb sie Profisport zum Beruf gemacht haben. So ein Auftritt nahezu ohne Leidenschaft und Emotionen ist des ThSV Eisenach unwürdig.»
Starker Tobak von Eisenachs Trainer Adalsteinn Eyjolfsson nach dem Abpfiff, der sich sogar in Sarkasmus übte. «Da war ja der Kampf beim Training in der Woche größer als in der zweiten Halbzeit des Punktspieles.»

Als Tomas Sklenak in der 38. Minute den vierten Eisenacher Strafwurf nicht am Besten der Gäste, Torhüter Matthias Lenz vorbeibrachte, drohte die Stimmung im Rund der Werner-Aßmann-Halle zu kippen. Nicht wenige machten ihrem Unmut Luft. Die Eisenacher hatten es verpasst, bereits bis zur Halbzeit für klare Verhältnisse zu sorgen, scheiterten nach dem 8:4 (19.) in Serie. «Unserem Keeper Matthias Lenz haben wir es zu verdanken, dass wir nicht mit acht Treffern hinten lagen», gestand Ronny Rogawska, der Coach der HSG Düsseldorf. Nach dem Seitenwechsel zeigten seine Schützlinge mehr Aggressivität in der Abwehr, übernahm der zuletzt so oft gescholtene Ex-Nationalspieler Michael Hegemann das Zepter bei der eigenen Spielgestaltung. Aus einem 12:9 (31.) wurde ein 12:14 (42.). «Meine Pausenansprache ging wohl ins Leere», befand ein sichtlich zerknirschter ThSV-Coach Adalsteinn Eyjolfsson auf der anschließenden Pressekonferenz. Da verloren die Eisenacher selbst in Überzahl das Leder und kassierten vom Kreis (Maximilian Weiß) den Ausgleichstreffer (37.). Bei den Gästen war inzwischen richtig Feuer unter dem Kessel. Und genau das vermissten die Anhänger des ThSV Eisenach bei ihrer Mannschaft. «Kämpfen und siegen», skandierte der Fanblock. Per Tempogegenstoß, über Tomas Sklenak und Daniel Luther, lochte Adrian Wöhler zum 14:14 ein (43.). Die Gäste deckten Schwachstellen im Eisenacher Abwehrverband auf. Der 34-jährige Michael Hegemann nutzte die Einladungen zum 16:19 (48.).

Benjamin Trautvetter mit Mut zur Verantwortung
Kurz darauf entschieden die Unparteiischen Baumgart/Wild auf Strafwurf für den ThSV Eisenach.
Duje Miljak (2), Nick Heinemann und Tomas Sklenak versagten bereits. Benjamin Trautvetter, der Kapitän des ThSV Eisenach, übernahm die Verantwortung, versenkte das Leder. Nun standen auch die über 1600 Zuschauer wieder vollends hinter ihrer Mannschaft. Girts Lilienfelds versuchte aus dem rechten Rückraum seine Schnelligkeit auszuspielen. Nach einem vom eingewechselten Stanislaw Gorobtschuk abgewehrten Hegemann-Ball startete der Linkshänder zum 19:20 durch (53.). Der im zweiten Abschnitt auftrumpfende 21-jährige Julius Kühn traf für die Gäste zum 19:21 (54.). Mit einer Umstellung im Abwehrblock gingen die Eisenacher in die Schlussetappe. Pech für die Gastgeber, ein Wurf von Rechtsaußen Nick Heinemann landete am Holz. Insgesamt hatten die Eisenacher das Spiel über die Außen jedoch vernachlässigt. Im Finish, nach dem 20:22 (55.), leiteten sie erfolgreich Ballstafetten auf die Linksaußenposition ein. Adrian Wöhler versenkte im Doppelpack zum 22:22. Da waren noch fast zwei Minuten zu spielen. Ein Zuspielversuch der Gäste zum Kreis wurde von den Gastgebern abgefangen. Den Hausherren bot sich nun die Chance zur
Führung. Doch der Wurf von Eryk Kaluzinski landete nicht im Ziel. Fünf Sekunden vor Ultimo kamen die Gäste nochmals in Ballbesitz. Zur Besprechung des letzten Spielzuges rief HSG-Trainer Ronny Rogwaska mittels grüner Karte sein Team zusammen. Doch der junge Julius Kühn verhaspelte sich. «Ein dickes Kompliment an meine kleine Truppe, die sich als verschworene Einheit präsentierte, jeder für den anderen mit fightete», unterstrich ein aufgekratzter Ronny Rogawska. «Ich hoffe, wir kommen verletzungsfrei über die Trainingswoche, um unseren kleinen Kader nicht noch weiter zu reduzieren. Vielleicht gelingt es uns, das Positive aus der Partie in Eisenach auch einmal in einem Heimspiel umzusetzen», fügte der Düsseldorfer Trainer an. Von sechs Heimspielen endeten bisher fünf mit Niederlagen. Am kommenden Sonntag gastiert die HSG Nordhorn im Burgwächter Castello.

Auftakt ausgesprochen hoffnungsvoll
Der Auftakt verlief nach dem Geschmack der ThSV-Anhänger. Die Angriffszüge der Gäste zerschellten an der kompakten ThSV-Deckung oder endeten spätestens beim im ersten Abschnitt bestens aufgelegten Keeper Radek Musil. Der HSG Düsseldorf gelang erst nach einer Viertelstunde der zweite Treffer. «Wir selbst agierten in der Abwehr zu ängstlich. Unsere Angriffsaktionen waren andererseits Einladungen zu Eisenacher Tempogegenstößen», analysierte HSG-Trainer Ronny Rogawska. Der junge Alexander Feld vermochte dem Angriffsspiel der Gäste keine scharfen Konturen zu verleihen. «Wir bauten richtig gut Druck aufgebaut, doch nicht ausreichend konsequent abgeschlossen. Wir ließen klare Torchancen, darunter drei Siebenmeter, bis zur Halbzeitpause aus», bilanzierte Adalsteinn Eyjolffson. Bereits nach 30 Sekunden hatte sich Nick Heinemann das Leder gestibitzt und zum 1:0 vollendet. Duje Miljak zog kraftvoll aus dem Rückraum ab. Eisenachs Angriffsspiel lief sofort hochtourig. Zunächst zu schnell für die Gäste. Tomas Sklenak täuschte ein Anspiel an, setzte dann selbst zum Torwurf an (4:1, 9.). Nach Foul am nachsetzenden Benjamin Trautvetter verwandelte Duje Miljak den fälligen Siebenmeter zum 5:1 (11.). Radek Musil kaufte dem Rechtsaußen freigespielten Tim Bauer das Leder ab. Eryk Kaluzinski wuchtete zum 6:1 (13.) ein. Eigentlich war der Kurs damit klar abgesteckt. Wenig später begann jedoch die Misere vom Punkt (17.). HSG-Torhüter Matthias Lenz hielt die Hoffnung seines Teams hoch. Die Gäste wechselten zudem ihr Personal im Rückraum. Michael Hegemann besetzte die Schaltzentrale, der junge Julius Kühn den linken Rückraum. Beide markierten zusammen zwölf Treffer (jeder sechs). Nick Heinemann scheiterte vom Punkt, brachte auch den Nachwurf nicht an Matthias Lenz vorbei (20.). ThSV-Coach Adalsteinn Eyjolfsson wechselte durch. Branimir Koloper, bis dahin vorwiegend in der Abwehr, besetzte im Angriff die Kreisposition, Girts Lilienfelds kam im rechten Rückraum. Alexander Schiffner auf Linksaußen. Die Düsseldorfer wurden kecker und entschlossener. Beim 9:8 (25.) waren sie wieder auf Tuchfühlung. Der ThSV Eisenach traf sich zur «Dienstbesprechung», ging mit erneut verändertem Personal in die letzten knapp fünf Minuten der ersten Halbzeit. Wie es gehen kann, zeigte der Treffer zum 11:8 (28.). Duje Miljak hatte den am Kreis auftauchenden Tomas Sklenak mustergültig bedient.

Düsseldorf übernimmt das Heft des Handelns, trifft vom 12:9 zum 12:14
Mit einem Miljak-Treffer zum 12:9 (31.) ging es in die zweiten 30 Minuten. Das Heft des Handelns ging jedoch zunehmend an die Gäste, die in Michael Hegemann, Julius Kühn und Ernir Arnason eine bestens powernde Rückraumbesetzung gefunden hatten. Auf ihren Schlussmann Mathias Lenz konnten sich die Gäste weiterhin verlassen, wobei die Eisenacher mit unplatzierten Würfen ihm und seinen Vorderleuten Hilfestellung leisteten. Der ThSV Eisenach wirkte konsterniert, ohne Feuer. Julius Kühn und Ernir Arnason trafen gar zum 12:14 (42.). Die Gäste wurden dadurch natürlich zusätzlich motiviert. «Kämpfen und siegen» skandierten die ThSV-Fans. Doch Michael Hegemann nutzte die ThSV-Abwehrschwächen kaltblütig zum 16:19 (48.). Da schienen den Wartburgstädtern sämtliche Felle wegzuschwimmen. Mit dem neuen Abwehrblock Luther/Miljak kamen Stabilität und neues Feuer in die ThSV-Defensive. Endlich mal über außen gespielt, der ThSV Eisenach traf durch Nick Heinemann zum 18:19 (51.). Doch die Gäste hatten zunächst noch die richtigen Antworten, gestatteten nicht den Ausgleichstreffer. Daniel Luther, von der Form des Vorjahres noch weit entfernt, traf vom Kreis zum 20:21 (54.). Sekunden später zappelte ein Hegemann-Ball zum 20:22 (55.) im Eisenacher Kasten. Düsseldorfs Maximilian Weiß unterlief ein technischer Fehler. Der ThSV Eisenach setzte zum Schlussspurt an, der noch mit einem Zähler belohnt wurde.

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Statistik
ThSV Eisenach: Musil, Gorobtschuk; Trautvetter (1/1), Sklenak (3); Wöhler (3), Luther (1), Miljak (5/1), Kaluzinski (1), Adams, Schiffner, Heinemann (4), Lilienfelds (3), Koloper (1), Lindner

HSG Düsseldorf: Lenz, Savonis; Feld (1), Kühn (6), Hegemann (6), N. Artmann, J. Artmann (1), Weiß (3), Pagalies, Arnarson (4/2), Bauer (1)

Zeitstrafen: ThSV Eisenach: 4 x 2 Min.; HSG Düsseldorf 5 x 2 Min.

Siebenmeter: ThSV Eisenach 6/2

Schiedsrichter: Baumgart/Wild

Zuschauer: 1600

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