Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft weit auseinander

Nach zwölf Spieltagen, nach einem Drittel der Saison, findet sich der ThSV Eisenach im Tabellenkeller der Liga wieder, schwebt in Abstiegsängsten! Das ist die knallharte Realität. Die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft in Handball-Eisenach weit auseinander. Den Blick auf die Serie 10/11, die Qualifikationssaison für die eingleisig 2. Bundesliga gerichtet, scheinen jedoch die Tagesaufgaben nicht lösbar. Doch um an das Morgen zu denken, muss erst das Heute geschultert werden. Im sechsten Auswärtsspiel setzte es die fünfte Niederlage. Aufsteiger HG Saarlouis mit einem überragenden Ex-Eisenacher Danijel Grgic als spielintelligenten und selbst torgefährlichen Regisseur (13 Treffer) feierte vor über 1600 begeisterten Zuschauern einen völlig verdienten 34:28 (21:14)-Erfolg über die Wartburgstädter.
«Wir verzettelten uns bereits in der ersten Halbzeit in Einzelaktionen. Das waren Einladungskarten für Tempogegenstöße der Gastgeber», schüttelte Eisenachs Trainer Maik Handschke verständnislos den Kopf mit Blick auf seine erfahrenen Stammkräfte Pavel Prokopec, Tomas Sklenak und Krisztian Szep-Kis. «Wir wissen, lassen wir den Ball geduldig laufen, haben wir Erfolg», unterstreicht Maik Handschke. Für seine Schützlinge war das in Saarlouis (wieder einmal!) nur Schall und Rauch. Dadurch konnte der in der Vorwoche so erfolgreiche Daniel Luther auch nicht aus der Bewegung kommend abziehen. «Mit akribischen zeitaufwendigen Vorarbeiten stelle ich die Mannschaft auf den jeweiligen Kontrahenten ein. Ich verlange doch nichts Unmögliches, dieses Konzept dann diszipliniert umzusetzen», zeigt sich Maik Handschke stinksauer und rief seine Crew am Sonntag zusammen. «Ich will Antworten haben», formuliert der ThSV-Coach mit Nachdruck. Aber auch in der Abwehr war von Kompaktheit, vom Zupacken und gegenseitigem Helfen in der ersten Halbzeit nichts zu sehen. Augenscheinlich, jeder (!!) zurückspringende Ball landete bei den Hausherren, die dann im zweiten Versuch einlochten. Danijel Grgic erinnerte sich nicht, so wenig Körperkontakt gehabt zu haben. «Eisenachs Abwehr glich ja eher einem Ballett. Sie schien vornehmlich darauf bedacht, Anspiele von mir zum Kreis zu unterbinden. Doch ich kann doch auch selbst werfen», wunderte sich der ehemalige Eisenacher (bis 2006) über seine Freiräume. Mit technischer Eleganz und bekanntem Wurf-Repertoire «vernaschte» der 32-jährige Rückraumspieler die lasche Eisenacher Defensive, versenkte auch alle fünf Strafwürfe kaltblütig und wurde von den eigenen Fans für seine erneute Gala mit Beifall überschüttet. Er stellte die Weichen vom 8:8 (15.) zum 14:8 (Strafwurf, 21.) und 20:12 (ansatzloser Wurf, 28.). In der zweiten Halbzeit, auch bedingt durch eine Deckungsumstellung der Eisenacher mit Alexander Koke auf vorgezogner Position, gönnte sich der «Star» der Saarländer einige «Kunstpausen», doch seine Teamkollegen behielten das Heft des Handelns fest in der Hand, auch wenn sie sich nicht mehr so torhungrig zeigten, doch dafür lief Torhüter Darius Jonczyk nun zu großer Form auf, kaufte beim Stand von 25:18 (46.) binnen weniger Sekunden den völlig freien Eisenachern Tomas Sklenak und Martin Hoffmann das Leder ab, wurde dafür mitten im Spiel mit stehenden Ovationen gefeiert.
Andre Gubicki, der Trainer der HG Saarlouis, freute sich, dass seine Mannschaft die im Training erarbeitete Antwort auf das insbesondere in der Vorwoche aus dem Rückraum erfolgreich praktizierte Angriffsspiel der Eisenacher so vortrefflich umsetzte. «Wir störten entscheidend den Spielfluss der Thüringer und siegten souverän, auch Dank eines guten Torhüters Darius Jonczyk.» Es folgten Worte, die im Eisenacher Lager zwiespältige Gefühle auslösten: «Ich bin überzeugt, Eisenach, derzeit von Verletzungen gehandicapt, verfügt über ausreichend Qualität, um die Klasse zu halten.» Das vom Trainer eines Aufsteigers über eine Mannschaft, die einen Platz im Vorderfeld der Tabelle eingeplant hat. In der jüngsten Verfassung der Auswärtsauftritte wird der ThSV Eisenach in allen Hallen der 2. Liga Süd wohl nur zum Punktelieferanten taugen! «Ich hoffe doch sehr, der ThSV Eisenach bewältigt die Krise, Karsten Wöhler bekommt alles in Griff. Wenn alle wieder voll an Deck sind, wird es aufwärts gehen. Ich denke oft an meine Zeit in Eisenach zurück, die tollen Fans, verfolge das Geschehen intensiv über die Medien», erklärte Danijel Grgic im Kreise der mitgereisten ThSV-Anhänger. Narben im rechten Oberschenkel erinnern ihn ohnehin an seine Zeit unter der Wartburg; aber wohl auch, das ist im Gespräch zu spüren, Narben in der Seele.

Statistik

HG Saarlouis: Jonczyk, Ehrich; Kühn, Altmeyer, Fontaine (3), Balaz (4), Hoffmann (5), Koppenburg, Kessler (2), Nielsen, Lohrbach (1), Grgic (13/5), Kropp (6)

ThSV Eisenach: Musil, Gorobtschuk (23.-54.); Hoffmann (3), Trautvetter (4/1), Sklenak (3), A. Wöhler (2), Luther (1), Bitterlich, Schiffner (4), Lindner, Koke (2), Prokopec (7/2), Szep-Kis (2)

Siebenmeter: Saarlouis 5/5 – Eisenach 3/3
Zeitstrafen: Saarlouis 3 x 2 Min. – Eisenach 4 x 2 Min.

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