ThSV Eisenach gibt 7-Tore-Führung noch aus der Hand

Der ThSV Eisenach, erneut ohne seine verletzten Asse Tomas Sklenak und Girts Lilienfelds, unterlag am letzten Spieltag der 2. Handballbundesliga der Männer beim VfL Potsdam trotz einer 7-Tore-Führung nach 24 Minuten (12:5) noch mit 24:25 (15:11) und schloss die Saison 2011/2012 auf Tabellenplatz 8 ab.

Dem VfL Potsdam nutzte dieser Sieg letztendlich nichts, weil im Herzschlagfinale um den Klassenerhalt der HC Empor Rostock die HSG Nordhorn mit 34:32 bezwang und damit die Zugehörigkeit zur 2. Liga sicherte. Die Potsdamer müssen in den sauren Apfel des Abstiegs in die 3. Liga beißen.

«Nach dieser klaren Führung hätten wir das Spiel gewinnen müssen. Wir agierten zunächst im Angriff und in der Abwehr bestens, ließen dann dicke Torchancen aus, versäumten es weiter davon zu ziehen. Konzentrationsschwächen häuften sich. Uns unterliefen dann die gleichen individuellen Fehler wie bereits mehrfach im Spieljahr. Daran müssen wir während der Vorbereitung auf die nächste Saison ganz intensiv arbeiten», erklärte ein zerknirschter Eisenacher Trainer Adalsteinn Eyjolfsson.
Die Wartburgstädter, mit Daniel Luther auf der mittleren Aufbauposition, waren im ersten Abschnitt vor 2000 Zuschauern (darunter über 150 aus Eisenach) in der schmucken neuen Potsdamer Ballspielhalle vornehmlich mit Ballstafetten zum Kreis das dominierende Team. Die Potsdamer, die zunächst wie gelähmt wirkten, wussten die Angriffszüge der Eisenacher nur regelwidrig zu bremsen. Nick Heinemann verwandelte mit stoischer Gelassenheit sieben im ersten Abschnitt seinen Farben zuerkannte Siebenmeter, ließ Torwart-Oldie Gabor Pulay beim 2:8 (15.) und 5:12 (24.) keine Chance. Der fast 41-jährige Schlussmann, der im Sommer zum SC DHfK Leipzig wechselt, lief im zweiten Abschnitt allerdings zu großer Form auf. Der VfL Potsdam startete mit großer Leidenschaft eine famose Aufholjagd, mit den Ex-Eisenachern Stephan Mellack (Rückraum) und Alexander Urban (Kreis) als Säulen. «Plötzlich bekamen wir Probleme in der Deckung, kassierten einfache Treffer über die Mitte», kritisierte Adalsteinn Eyjolfsson. Aber auch bei einigen Treffern aus dem Rückraum sah die Eisenacher Abwehr einschließlich Torhüter Radek Musil nicht gut aus. Der VfL Potsdam hatte die «richtige» Rückraumformation mit Lars Melzer, Stephan Mellack und Rene Drechsler gefunden, die das Feuer auf und außerhalb des Parketts zum Lodern brachte. Die Gastgeber holten Treffer um Treffer auf, trafen durch den jungen Florian Schugardt von Linksaußen zum 18:18-Ausgleich (45.). Eine hochdramatische Schlussviertelstunde war eingeläutet.
Stanislaw Gorobtschuk löste Radek Musil im ThSV- Kasten ab. Auf Seiten der Eisenacher hielt nun vornehmlich Eryk Kaluzinski mit seinen Würfen aus dem linken Rückraum erfolgreich dagegen. Der Routinier schmetterte zum 20:21 (51.) ein. Die besseren Karten schien der ThSV Eisenach zu haben. Beim Stand von 22:22 setzte Potsdams Rene Drechsler einen Siebenmeter ans Holz (56.). Eryk Kaluzinski zog scharf und platziert zum 23:24 (58.) ab, scheiterte – nach dem von Rene Drechsler per Schlagwurf markierten Ausgleichstreffer – am in die bedrohte Ecke abtauchenden VfL- Keeper Gabor Pulay (59.). Dann «schindete» Potsdams Alexander Urban gegen Eisenachs Branimir Koloper einen Strafwurf. Doch der wieder ins ThSV-Gehäuse zurückgekehrte «alte Fuchs» Radek Musil kaufte in großem Stil Jan Piske das Leder ab. Entsetzen in den Reihen des VfL Potsdam. Da waren noch 25 Sekunden zu spielen. Zeit für die Thüringer zu einem strukturierten Angriffszug mit finalem Abschluss. Doch was machen die Eisenacher? Sie verlieren kurz hinter der Mittellinie das Leder. Die Potsdamer bringen blitzschnell erneut den jungen Florian Schugardt auf Linksaußen in Wurfposition, der zum viel umjubelten Siegtreffer verwandelt. «Ein Riesenkompliment meiner Mannschaft, die das Spiel noch gedreht hat», betonte Potsdams Trainer Rüdiger Bones. Richtig Freude konnte angesichts des Abstiegs bei ihm über den Sieg freilich nicht aufkommen. Die mitgereisten Eisenacher Fans verabschiedeten ihr Team insbesondere für eine starke Rückrunde, die zwischenzeitlich sogar an den Aufstiegsplätzen anklopfen ließ, mit reichlich Beifall. Nach dem Abpfiff ließen die Handballanhänger aus beiden Lagern bei vom VfL Potsdam spendierten Freibier und kostenlosen Bratwürsten den Tag und die Saison in und vor der Ballspielhalle Luftschiffhafen ausklingen.

Nick Heinemann von der Siebenmeterlinie präzise wie ein Schweizer Uhrwerk
Der ThSV Eisenach, mit Adrian Wöhler auf Links- und Nick Heinemann auf Rechtsaußen, Eryk Kaluzinski im linken und Duje Miljak im rechten Rückraum, Daniel Luther auf der mittleren Aufbauposition, Benjamin Trautvetter am Kreis (in der Abwehr von Branimir Koloper abgelöst) und Radek Musil im Tor, riss das Zepter sofort an sich, dominierte klar. Die Hausherren, die ihren Teil zum möglichen Ligaverbleib unbedingt erfüllen wollten, wirkten ausgesprochen gehemmt. Nick Heinemann überlistete per Heber VfL-Keeper Gabor Pulay von der Siebenmeterlinie zum 0:1 (1.). Die Torhüter-Oldie und sein jüngerer Kollege Matthias Frank hatten bei allen acht von Nick Heinemann verwandelten Strafwürfen keine Abwehrchance! Da konnte sich der Einpeitscher am Hallenmikrofon noch so mühen, auf dem Parkett und den Rängen dominierten die Eisenacher! Eryk Kaluzinski bediente Kapitän Benjamin Trautvetter, der vom Kreis zum 1:5 abschloss (9.). Potsdams Lars Melzer zirkelte das Leder im Siebenmeterduell mit Radek Musil nur ans Gebälk (13.). Dann stibitzte sich Eryk Kaluzinski den Ball aus den Potsdamer Reihen, stiefelte los und netzte zum 2:7 (14.) ein. Nick Heinemann erhöhte per Siebenmeter zum 2:8 (15.), 5:11 (22.) und 5:12 (24.). Die Potsdamer hatten inzwischen den Ex-Eisenacher Stephan Mellack eingewechselt, der für Schwung und Struktur in seinen Reihen sorgte. Eisenachs Kalamität, das Überzahlspiel, wurde erneut offenkundig. Als Potsdams Alexander Urban eine Zeitstrafe «abbrummte», kassierten die Eisenacher in Überzahl gleich zwei Gegentreffer zum 7:12 (25.). Die Eisenacher versuchten es mit personellen Wechseln im Rückraum; Roel Adams kam bei seinem letzten Einsatz für den ThSV Eisenach auf die mittlere Aufbauposition, Daniel Luther rückte in den linken Rückraum. Alexander Schiffner traf von Linksaußen zum 7:13 (26.). Die Gastgeber zündeten bereits die Aufholjagd, die nach dem Seitenwechsel der Partie eine kaum für möglich gehaltene Wende nahm. Ramon Tauabo verkürzte von Rechtsaußen zum 11:15-Pausenstand.

Der VfL Potsdam führte ein einziges Mal – beim Siegtreffer in den Schlusssekunden
Nach Wiederanpfiff hatten auch die einheimischen Zuschauer gemerkt, hier geht für den VfL Potsdam noch was, erhöhten ihre Phonstärken. Die Atmosphäre wurde nach einer Urban-Attacke gegen Eisenachs Duje Miljak etwas hitziger. Gabor Pulay, der «Altmeister» im Potsdamer Kasten, schwang sich zum «Turm in der Schlacht» auf, fischte auch einen Heinemann-Heber von Rechtsaußen herunter (37.), hatte wenig Mühe bei einem Miljak-Ball (41.), machte gegen Adrian Wöhler die Ecke zu (43.). Vier Treffer in Folge, zwei von Stephan Mellack, bescherten nach dem 14:18 (39.) dem VfL Potsdam den 18:18-Ausgleich (45.). Alexander Urban rackerte unermüdlich am Kreis, lieferte sich ein packendes Duell mit Eisenachs Branimir Koloper. Eisenachs Coach Adalsteinn Eyjolfsson rief sein Team mittels grüner Karte zur «Lagebesprechung». Nach Regelwidrigkeit am durchgebrochenen Daniel Luther versenkte Nick Heinemann auch den achten Strafwurf zum 18:19 (46.), brachte aber wenig später das Leder von Rechtsaußen nicht am VfL Keeper vorbei (47.). Einer Co-Produktion der Ex-Eisenacher Stephan Mellack und Alexander Urban entsprang das 19:19 (48.). Dann zog endlich einmal Duje Miljak auf Zuspiel von Daniel Luther ab, der Ball zappelte zum 19:20 (49.) im Potsdamer Kasten. Eryk Kaluzinski übernahm auf Seiten der Wartburgstädter Verantwortung beim Torwurf. Nick Heinemann luchste den Potsdamern das Leder ab, bediente Benjamin Trautvetter, der zum 21:22 verwandelte (52.) Doch nur Sekunden später lag ein Drechsler-Ball zum erneuten Ausgleich im Eisenacher Kasten (22:22, 53.). Adrian Wöhler suchte beherzt den Weg aus den linken Rückraum zur Tor, lochte zum 22:23 ein (57.). Doch nur zehn Sekunden später lag das Leder zum Ausgleichstreffer (Drechsler) im ThSV-Gehäuse (23:23, 57.). Statt in den Schlusssekunden den big point zu markieren, wurde Potsdam mit einem lapidaren Ballverlust zum Siegtreffer eingeladen….

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Statistik

VfL Potsdam: Pulay, Frank; Melzer (3), Barsties, Schugardt (3), Pechstein, Urban (1), Piske (1), Drechsler (7), Mellack (6), Schmidt, Sommer, Tauabo (3)

ThSV Eisenach: Musil, Gorobtschuk; Trautvetter (2), Wöhler (2), Luther (2), Miljak (2), Kaluzinski (6), Adams, Schiffner (1), Heinemann (9/8), Koloper, Szep-Kis

Siebenmeter: VfL Potsdam 5/1; ThSV Eisenach 8/8

Zeitstrafen: VfL Potsdam 3 x 2 Min.; ThSV Eisenach 2 x 2 Min.

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