ThSV Eisenach mit Lebenszeichen aus dem Norden

Rumpfaufgebot der Wartburgstädter siegt 25:24 (11:10) beim Wilhelmshavener HV • Alexander Saul markiert 12 Treffer • Adrian Wöhler mit Siegtor in letzter Sekunde

Der ThSV Eisenach gleicht in diesen Tagen einer Wundertüte. Einem 24:22-Erfolg beim Tabellen-Fünften DJK Rimpar Wölfe und drei Tage später einer blamablen 20-30-Heimniederlage gegen die mitabstiegsbedrohte HSG Konstanz ließen die Wartburgstädter einen 25:24 (11:10)-Sieg beim Wilhelmshavener HV folgen. Und das mit einem Rumpfaufgebot! Fehlten mit Justin Mürköster, Daniel Luther, Matthias Gerlich, Nicolai Hansen und Willy Weyhrauch gleich fünf wichtige Stammkräfte. Das rettende Ufer, der erste Nichtabstiegsplatz, derzeit von der HSG Konstanz belegt, ist nur zwei Zähler entfernt. In 13 noch zu absolvierenden Spieltagen durchaus machbar. Dafür müsste aber endlich zuhause gewonnen werden. Am Samstag, 10.03.2018 kommt die HBW Balingen-Weilstetten in die Werner-Aßmann-Halle.

Herzschlagfinale
In der Nordfrost Arena wollten beide Teams den Doppelpunktgewinn. Trotz der Bedeutung entwickelte sich eine überaus faire Partie (nur je 1 Zeitstrafe) Die Hausherren hätten sich gehörig Luft zu den gefährdeten Rängen verschaffen können. Sie gingen im Finish volles Risiko. Beim Stand von 24:24, im Ballbesitz, aber in Unterzahl, und noch verbleibenden 21 Sekunden Spielzeit, nahm Oliver Köhrmann, in Vertretung seines erkrankten Bruders Christian Köhrmann Chef auf der Bank der Jadestädter, seinen Torhüter zugunsten eines zusätzlichen Feldspielers vom Parkett. Den Wurf des torgefährlichen Tobias Schwolow parierte Eisenachs für die Schlussetappe eingewechselter Keeper Jan-Steffen Redwitz. Der Abpraller landete bei Adrian Wöhler, der das Leder sofort in Richtung des verwaisten Gastgeberkastens auf die Reise schickte. Auf dem Weg dahin versuchte noch ein Wilhelmshavener die Richtung entscheidend zu verändern, doch der Ball trudelte aber über die Torlinie. In der regulären Spielzeit. Da halfen die Einwände der Hausherren nicht. Völlig losgelöst jubelten die Wartburgstädter um Interimskapitän Marcel Schliedermann mit den nicht die weite Fahrt scheuenden blau-weißen Fans. „Großer Dank an etwa 30 lautstarke Fans, die trotz der Enttäuschungen der Saison die Strapazen der weiten Fahrt bei Winterwetter auf sich genommen haben“, wollten Coach Arne Kühr und Marcel Schliedermann unbedingt vermerkt wissen.

Wir haben uns über die 60 Minuten immer wieder positiv aufgebaut und angefeuert, haben uns durch Rückstände nicht aus der Ruhe bringen lassen. Für uns sprach wohl auch eine ziemlich gute Angriffseffektivität, resümierte Marcel Schliedermann.

Auch bei der 4-Tore-Führung der Hausherren (19:15, 44.) sei man nicht in Panik verfallen.

Ungeahnte Torwurfeffizienz
Dass es zu so einem Herzschlagfinale überhaupt kam, hatten sie ihrer famosen Einstellung und Mentalität sowie der Treffsicherheit von Alexander Saul zu verdanken. Der Linkshänder markierte 11 Treffer, wofür er gerade einmal 14 Versuche benötigte. Die Torwurfeffizienz der Eisenacher wies eine ungewohnte Quote auf: Von 33 Versuchen zappelten 25 im Kasten. Mit insgesamt 9 konnte die Zahl der technischen Fehler im einstelligen Bereich gehalten werden. Auch das Torhüterduell ging an den ThSV Eisenach. Stanislaw Gorobtschuk, dieses Mal in der Startformation, und der in der 40. Minute eingewechselte Jan-Steffen Redwitz parierten zusammen 12 Bälle. Nur auf die Hälfte dieser Zahl kamen ihre Gegenüber Dennis Doden und Frederik Lüpke.

Kader klein – Moral groß
Ausgesprochen aufgekratzt ging die ThSV-Coach Arne Kühr in die Analyse. Die Anreise am Vortag erwies sich natürlich als vorteilhaft,

Entscheidend aus meiner Sicht, bei 3- oder gar 4-Tore-Rückständen,auch zehn Minuten vor der Sirene, haben wir weiter an uns geglaubt, bewiesen tolle Moral, sind nicht wie in der Vorwoche eingebrochen. Jeder hat für den anderen über 60 Minuten gekämpft. Ich bin stolz auf diese Truppe, strahlte Arne Kühr.

Der grippekranke Nicolai Hansen wollte sich unbedingt in den Dienst der Mannschaft stellen, Arne Kühr wies dem Oldie jedoch die Zuschauerrolle zu. Wohl auch aus der Erfahrung der Vorwoche, als ein verletzter Daniel Luther sich vergeblich quälte – und nun länger ausfällt. Ein kleiner Kader bewies große Moral. Jeder stellte sich mit Leidenschaft in den Dienst der Mannschaft. Duje Miljak kam für Abwehraufgaben, riegelte zusammen mit Marcel Niemeyer im Innenblock der 6:0-Formation ab.

In Stanislaw Gorobtschuk und Jan-Steffen Redwitz hatten wir ein sich bestens ergänzendes Torhütergespann, betonte Arne Kühr.

Der junge Pascal Küstner kam Mitte der zweiten Halbzeit, um Entlastung für den wieder mitwirkenden Ibai Meoki zu schaffen. Marcel Popa sorgte für Verschnaufpausen bei Marcel Schliedermann und markierte zudem zwei wichtige Tore. Hannes Iffert löste den – in Abwesenheit des verletzten Willy Weyhrauch – die Rechtsaußenposition übernehmenden Jonas Richardt ab. In der 25. Minute kam Adrian Wöhler für den auf Linksaußen beginnenden Noah Streckhardt, verzeichnete eine 100 Prozent-Wurfquote und markierte auch den den Siegtreffer.

Dramatik in der Nordfrost-Arena
Die Eisenacher hatten den Schock der Heimniederlage gegen die HSG Konstanz gut verdaut. Der Wilhelmshavener HV, mit einem Auswärtssieg in Dessau im Rücken, kam nicht in Tritt. Alexander Saul bewies von Beginn ein glückliches Händchen, traf in einer torarmen Auftaktphase zum 2:4 (12.). Beim 6:6 (21.) traf Tobias Schwolow für die Gastgeber zum Gleichstand. Marcel Popa und Alexander Saul lochten zum 9:11 ein (28.) ein. Nach dem Seitenwechsel versuchte der Wilhelmshavener HV auf die Überholspur zu wechseln, setzte auch den Blinker, kam aber nicht an den tapferen Mannen aus dem Thüringischen vorbei, trotz einer 17:14 (42.) und gar 19:15 (44.). ThSV-Keeper Jan-Steffen Redwitz sendete mit abgewehrten Bällen (45./ 48.) das Signal an seine Vorderleute, nicht nachzulassen, stattdessen noch mal richtig auf das Gaspedal zu treten. Die Handballer aus der Automobilstadt traten das Gaspedal durch. Alexander Saul behielt vom Punkt die Nerven zum Anschlusstreffer (53.) und zog aus dem rechten Rückraum platziert zum 22:22-Gleichstand ab (55.). Das Herzschlagfinale war eingeleitet.

Statistik
Wilhelmshavener HV: Doden, Lüpke; ten Velden, Maas (3), Lehmann, Kalafut (2), Smits (8/3), Postel (2), Vorontsov (3), Köhler, Schweigart, Kozul, Wolterink. Schwolow (6), Andrejew, Drechsler
ThSV Eisenach: Gorobtschuk, Redwitz; Iffert, Küstner, Wöhler (4), Meoki (3), Miljak, Schliedermann (3), Richardt, Streckhardt, Popa (2), Niemeyer (2), Saul (11/2)
Siebenmeter: WHV 3/3 – ThSV 2/2
Zeitstrafen: WHV 1 x 2 Min. – ThSV 1 x 2 Min.
Schiedsrichter: Fratczak/Ribero
Zuschauer: 1.147