ThSV Eisenach stoppen Tabellenführer

Überschäumende Freude am Samstagabend in der Eisenacher Werner-Aßmann-Halle. Der ThSV Eisenach stoppte den bis dato unbezwungenen Tabellenführer HBW Balingen-Weilstetten mit 27:25 (14:13). Mit Herz und Leidenschaft, gepaart mit spielerischer und taktischer Raffinesse, verließen die Eisenacher nach einer insgesamt hochklassigen Partie als verdienter Sieger das Parkett.
Dabei lieferte «Schüler» Zdenek Vanek seinem «Dozenten» Dr. Rolf Brack gleich ein Lehrbeispiel, wie eine 3:2:1-Deckung erfolgreich zu bespielen ist. Eisenachs Coach Zdenek Vanek absolviert in dieser Woche einen ersten Lehrgang zum Erwerb der A-Lizenz in Dormagen. Dozent ist Balingens Trainer Dr. Rolf Brack, mit seinem Team auf eine 3:2:1-Defensive setzend. Brack griff zwar in Eisenach mehrfach in die Taktikkiste, doch die Wartburgstädter hatten die besseren Trumpfkarten. Stefan Kneer explodierte bei seinem Heim-Comeback, wollte sich den Frust der verletzungsbedingten Zwangspause schier von der Seele werfen (7 Tore), war aber auch in der Abwehr eine tragende Säule.
«Eisenach spielte geduldig und nicht taktisch verkünstelt, suchte die Zweikämpfe und behauptete sich darin», zollte Dr. Rolf Brack dem Sieger Lob. Für die Niederlage machte der Handballlehrer «Black Outs» seiner Schützlinge aus. «Uns gelangen zwar sieben Treffer nach Tempogegenstößen, doch wir fabrizierten auch sieben Fehler. In entscheidenden Situationen brachten wir die Bälle nicht unter.»

Philipp Emmelmann rackerte von Beginn für den grippegeschwächten Markus Dau mit großem Kampfgeist, aber auch mit Treffsicherheit am gegnerischen Kreis. Stefan Kneer durfte von Beginn ran. Zunächst übernahm Stefan Mellack die Regieposition. Daniel Baumgarten löste Krisztian Szep-Kis für Abwehraufgaben ab. ThSV-Coach Zdenek Vanek wechselte im Rückraum mehrfach durch, auch um für eine Entscheidung in der Schlussphase Kräfte zu sparen. Der Tabellenführer, entgegen der Ankündigung doch mit Altmeister Jörg Kunze im Rückraum, erreichte zunächst ein leichtes Übergewicht. Eisenachs Angriffszüge endeten mehrfach bei Gästeschlussmann Milos Slaby, der zudem auf Erfahrungswerte aus gemeinsamen Zeiten mit Eisenachs Zbynek Vesely bauen konnte. Der torgefährliche Rechtsaußen des ThSV Eisenach blieb ohne Treffer. Mit Tomas Sklenak kam mehr Dampf unter den ThSV-Kessel. Gerade eingewechselt, konnte der 23-Jährige nur regelwidrig gestoppt werden. Andrej Kastelic versenkte vom Punkt zum 6:5 (13.). Mit laufaufwendigen schnellen Ballstafetten hebelten die Hausherren die Abwehr der Gäste aus. Philipp Emmelmann staubte zum 8:6 ab (16.). Technische Fehler (Vesely), ausgelassene Torchancen (Szep-Kis), Balingen setzte zu kaltblütigen Tempogegenstößen an (8:8, 18.). Gegen die Würfe von Stefan Kneer war allerdings kein Kraut gewachsen (10:9, 23.). Balingen wechselte ständig die Rückraumbesetzung. Eisenachs Defensive bekam ständig neue Gesichter vorgesetzt. Vier Sekunden vor der Halbzeitsirene schlug der listige Fuchs Dr. Brack beim Stand von 14:12 zu. Er nahm seinen Torhüter für einen zusätzlichen Feldspieler vom Parkett. Wolfgang Strobel markierte in Überzahl den Anschlusstreffer.
Das 16:17 (36.) bedeutete die letztmalige Führung des Spitzenreiters, die Waage neigte sich ganz langsam zugunsten des ThSV Eisenach. Der mit Beginn der zweiten Halbzeit das ThSV-Gehäuse hütende Simon Herold steigerte sich. Der ThSV Eisenach legte einen Treffer vor, 19:18 (Sklenak, 42.), Balingen egalisierte zum 19:19 (W. Strobel, 44.). Balingen profitierte dabei von ThSV-Fehlern. Die Hausherren, von über 1200 Zuschauern lautstark nach vorne gepeitscht, «packten noch eine Schippe drauf». Andrej Kastelic wurde lehrbuchreif freigespielt. Der Linksaußen versenkte zum 23:21 (52.), legte wenig später überlegt zu Philipp Emmelmann ab, der mit seinem 5. Treffer Torhüter Slaby zum 24:22 überwand.
Doch Martin Strobel und Frank Ettwein ließen Balingen noch hoffen (25:24, 57.), zumal Eisenachs individuell glänzender Tomas Sklenak für zwei Minuten auf die Bank musste. Kristian Szep-Kis tankte sich zum 26:24 durch (58.). Alexander Job verwandelte auf der Gegenseite mit stoischer Ruhe seinen 5. Strafwurf (26:25). Szep-Kis suchte die Entscheidung, doch HBW-Keeper Slaby wehrte ab. «Taktischer Aussetzer, als wir 28 Sekunden vor der Sirene einen Nicht-Außenspieler aus spitzestem Winkel zum Torwurf bringen», kommentierte Dr. Rolf Brack die folgende Szene. Ballbesitz 28 Sekunden vor Ultimo für den ThSV Eisenach. Freudetrunken standen die Fans bereits auf den Bänken. Andrej Kastelic behauptete gegen zur offenen Manndeckung übergegangenen Gäste das Leder, sorgte mit seinem Treffer zum 27:25-Endstand für die völlige Glückseligkeit.
Der Tabellenführer hatte mit seinem Tross, «im Stile einer Profimannschaft» (O-Ton Brack) bereits am Abend zuvor Quartier unter der Wartburg im «Eisenacher Hof» bezogen, am Vormittag eine Trainingseinheit in der Spielstätte absolviert. «Soll ein hundertprozentiges Leistungsvermögen abgerufen werden, kann nicht eine stundenlange Busfahrt die Spielvorbereitung sein», begründete Brack diese kostenaufwendige Handlungsweise.

Statistik
ThSV Eisenach: Lehmann (1.-30.), Herold (bei einem Siebenmeter und ab 31.); Kneer (7), Sklenak (3), Weiß (n.e.), Riehn (n.e.), Emmelmann (5), Dau, Mellack, Baumgarten, Vesely, Kastelic (8/3), Szep-Kis (4)

HBW Balingen/Weilstetten: Slaby , Müller (n.e.); Haller (1), Job (6/5), Lobedank (1), Sauer (1), Hebisch (1), Ettwein (5), W. Strobel (3), Kunze (2), M. Strobel (4), Bürkle (1), Klüttermann, Ilitsch

Siebenmeter: Eisenach 3/3 – Balingen 5/5

Zeitstrafen: Eisenach 4 x 2 Min. – Balingen 5 x 2 Min.

Schiedsrichter: Böllhoff/Lückert (Velbert/Bedburg)

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