ThSV Eisenach zeigt gegen Europas Könige ganz viel Charakter

Das Erwartete ist eingetreten. Aufsteiger ThSV Eisenach unterlag im «auswärtigen Heimspiel» dem aktuellen Championsleague-Sieger Hamburger Sportverein mit 32:39 (13:20). Die Wartburgstädter dürfen aufgrund einer Auflage der HBL drei Heimspiele nicht in ihrer nicht voll umfänglich den geforderten Standards entsprechenden Werner-Aßmann-Halle austragen.

So zog der thüringische Traditionsverein nach Franken, ins handballbegeisterte Coburg. Die im Jahr 2011 erbaute moderne HUK-Coburg arena, die Heimstätte des ambitionierten Drittligisten HSC Coburg, erfüllt nahezu die von der HBL geforderten Hallenstandards. Einzig, der ThSV Eisenach musste einen den Vorgaben entsprechenden Hallenboden mieten, der am Spieltag aufgelegt und unmittelbar nach dem Abpfiff wieder eingerollt wurde.

Die 3500 Zuschauer, darunter Bundestrainer Martin Heuberger und mehrere hundert an einem Mittwochabend in Sonderbussen und Privat-Pkw aus Thüringen angereiste ThSV-Anhänger verabschiedeten das Team von der Wartburg mit Ovationen.

Die Schützlinge von Adalsteinn Eyjolfsson hatten gegen Europas Könige ganz viel Charakter angezeigt! Die Sympathien flogen dem ThSV Eisenach auch deshalb zu, weil dieser nicht nur die Spieler des HSV zum Gegner hatten, sondern wohl auch die Referees Moles/Bittner, die mit ihren Bonus-Entscheidungen des Volkes Seele zum Kochen brachten.

Als die Spielleiter zu Beginn der zweiten Halbzeit gleich drei Eisenacher nach mehr als fragwürdigen Entscheidungen auf die Strafbank verbannten, verstand selbst der neutralste Besucher die Handball-Welt nicht mehr. Der ThSV Eisenach fühlte sich nun gleich mehrfach bestraft: die Wegnahme des Heimrechts sowie zwei Referees, die von Unparteilichkeit ein gehöriges Stück entfernt schienen.

Doch der Underdog von der Wartburg bewies ganz, ganz viel Charakter. Das personell so gebeutelte Team, erneut ohne die langzeitverletzten Stammkräfte Girts Lilienfelds, Nicolai Hansen und Branimir Koloper, ohne den kurzfristig ausgefallenen Keeper Stanislaw Gorobtschuk sowie einer Vielzahl angeschlagener Spieler (u.a. Schlussmann Rene Villadsen und Peter Pucelj), steckte trotz eines bereits zur Halbzeit klaren 7-Tore-Rückstandes den Kopf nicht in den Sand. In punkto personeller Alternativen kann der Aufsteiger dem Championsleague-Sieger freilich nicht das Wasser reichen.

Das Fehlen von drei verletzten Spielern fiel beim HSV nicht ins Gewicht. «Na klar, wir profitieren von unserem breiten Kader», betonte Jens Häusler, der den erkrankten Martin Schwalb als Trainer des HSV vertrat. Die Hansestädter waren am Spieltag per Flugzeug angereist und machten sich auch wieder rasch von dannen, mit den fest eingeplanten zwei Pluspunkten im Gepäck.

Die Asse Hans Lindberg (13 Treffer), Domagoj Duvnjak und der im zweiten Abschnitt groß auftrumpfende junge Petar Djordic (jeweils sechs Treffer) hatten ihre Klasse eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Zweite Halbzeit geht Remis aus
Der ThSV Eisenach, mit einem ganz starken Dener Jaanimaa im rechten Rückraum (8 Treffer), nahm die dreifache Unterzahl kurz nach Wiederbeginn, beim Stand von 14:22 zum Anlass, um seine charakterliche Stärke zu demonstrieren. Trainer Adalsteinn Eyjolffson brachte durch geschicktes Improvisieren und dosierte Einsätze Schwung und Qualität. Benjamin Trautvetter besetzte im Angriff die Kreisposition, profitierte von maßgerechten Zuspielen und netzte fünf Bälle ein, wie beim 18:24 (39.) und 23:30 (47.). Tomas Sklenak und Hannes Jon Jonsson wechselten sich in der Spielführung ab. Beim 22:27 (43.), nach einem «Knaller» von Daniel Luther, verkürzte der krasse Außenseiter sogar bis auf fünf Treffer. Dener Jaanimaa überraschte Auswahltorhüter Johannes Bitter mit «trockenem Wurf» zum 25:31 (49.). Dass es nicht mehr wurde, dafür sorgte der präzise abschließende, allerdings auch nicht frühzeitig genug attackierte junge Hamburger Rückraumspieler Petar Djordic Eine handballerische Delikatesse, das Rückhandanspiel von Hannes Jon Jonsson zu Benjamin Trautvetter, das der Eisenacher Kapitän zum 28:34 verwertete. Aivis Jurdzs taute aus dem linken Rückraum auf, netzte zum 30:35 ein (56.), markierte insgesamt fünf Treffer. ThSV-Schlussmann Rene Villadsen, verletzt in die Partie gegangenen und dennoch mit dem für ihn typischen sichtbaren Engagement, verwehrte zahlreichen Bällen das Überqueren der Torlinie.

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Er wehrte 15 Bälle ab, sein Gegenüber Johannes Bitter 12. «Wir haben im zweiten Abschnitt durchgewechselt, dadurch veränderte sich auch das Spiel, die Abwehr wurde löchriger. Wir haben einen guten Sieg gegen eine starke Mannschaft eingefahren», erklärte HSV-Trainer Jens Häusler während der Pressekonferenz.

Hans Lindberg schließt alle Konter für den HSV kaltblütig ab
Die Entscheidung über den Ausgang der Partie fiel zwischen der 13. und 20. Minute, als der haushohe Favorit vom 7:9 auf 8:16 enteilte. Bei beiderseits rasantem Tempo nutzte der HSV die sich bietenden Konterchancen insbesondere über 173-fachen dänischen Auswahlspieler Hans Lindberg über Rechtsaußen. «Unsere Rückzugphase wurde gnadenlos bestraft», gestand ThSV-Coach Adalsteinn Eyjolfsson ein, der seinen verletztungsbedingt fehlenden Innenblock auch aufgrund dessen körperlicher Präsenz schmerzhaft vermisste.

Hinzu kamen immer wieder Schiedsrichter-Pfiffe, an denen die Eisenacher zu verzweifeln drohten. Gegen Eisenachs Linkshänder Dener Jaanimaa fand die HSV-Deckung kein Mittel. Die Würfe des im Sommer vom EHV Aue gekommenen Blondschopfes zappelten stetes neben Johannes Bitter im Kasten des heißen Meisterschaftsfavoriten aus der Hansestadt. Allein sechs Jaanimaa-Würfe zischten in den Hamburger Kasten.

Regenerieren beim ThSV Eisenach bis zum schweren Auswärtsspiel bei der HSG Wetzlar
Die geschundenen Körper, aber auch die geschundene Seele sollen nun beim ThSV Eisenach regeneriert werden. Am Freitag, 18.10.2013 wartet auf den Aufsteiger eine ganz pikante und schwere Aufgabe, wenn die HSG Wetzlar Gastgeber ist. Adalsteinn Eyjolfsson hofft, das vielleicht einer seiner Langzeitverletzten bis dahin die Krankenstation verlassen kann.

Statistik

ThSV Eisenach: Villadsen (15 Paraden/ 39 Gegentore), Trabert (n.e.), Winkler (n.e.); Trautvetter (5), Elisson (3), Sklenak (2), Wöhler (2), Jurdzs (5), Jonsson (3/3), Luther (3), Pucelj, Jaanimaa (8), Vrazalic (1), Heinemann,

HSV: Bitter (12 Paraden/ 31 Gegentore), Herrmann (0 Paraden/1 Gegentor); Duvnjak (6), Jansen (5), Flohr, Canellas (1), Hansen (1), Djordic (6), Lindberg (13/1), Mahe, Hens, Dominikovic (1), Pfahl (1), Markovic (5)

Zeitstrafen: ThSV Eisenach 4 x 2 Min. (Pucelj, Vrazalic, Heinemann und Mannschaftsleiter Schauer je 2 Min.) – HSV: 2 x 2 Min.( Jansen und Dominikovic je 2 Min.)

Siebenmeter: ThSV Eisenach 3/3 (Jonsson verwandelt 2 x gegen Bitter und 1 x gegen Herrman) – HSV 2/1 (Lindberg verwandelt 1 x gegen Villadsen und scheitert 1 x an Villadsen)

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