ThSV: Mit mutiger Taktik zum 1. Saisonsieg

Punktlos, aber dennoch nicht mutlos war die Gefühlslage beim ThSV Eisenach nach fünf Niederlagen in Folge zum Saisonstart. Das neu formierte junge Team hatte bewiesen, im Ensemble der Großen des deutschen Handballs mithalten zu können. Eine zentnerschwere Last fiel – bei der Mannschaft, aber auch im Umfeld – nach dem 28:26 (15:12) Erfolg über den Wilhelmshavener HV.
Eisenachs Coach Peter Rost hatte in die Taktikkiste gegriffen, ließ von Beginn Wilhelmshavens torgefährliche Zvonimir Bilic und Oliver Köhrmann durch Danijel Grgic und Karsten Wöhler in „persönliche Obhut“ nehmen. Der Herzschlag der Norddeutschen war damit empfindlich gestört, das „magische Dreieck“ außer Funktion. Der bullige Allan Rasmussen am Kreis hing nahezu völlig in der Luft. Zum ersten Treffer benötigten die Eisenacher jedoch fünf Anläufe, ehe der trotz einer schmerzhaften Schulterverletzung groß auftrumpfende Danijel Grgic zum 1:2 (5.Min.) traf. Er und sein kroatischer Landsmann im Eisenacher Kasten Dragan Jerkovic setzten die Segel auf Sturm.
Grgic der Einfädler und Vollender, der sich durch Fehlwürfe nicht in seinem Tatendrang stoppen ließ. Wilhelmshaven schaute brav zu, wie Grgic zum 6:4 (14.) einlochte. ThSV-Schlussmann Dragan Jerkovic kaufte kurz hintereinander Oliver Köhrmann (17.) und Zvonimir Bilic (20.) vom Punkt das Leder ab. Aber auch Gästekeeper Valter Matosevic unterstrich seine Klasse, parierte u.a. drei Strafwürfe. Begünstigt durch kurzzeitige Eisenacher Leichtfertigkeiten glich Wilhelmshaven zum 7:7 (19.) aus. Doch die Hausherren übernahmen rasch wieder das Zepter Danijel Grgic bekam durch seine Nebenleute Omer Sehovic und Evars Klesniks Unterstützung beim Torwerfen. Sehovic versenkte zum 12:10 (23.) und 14:11 (29.). Klesniks traf zum 10:8 (22) und Sekunden vor der Halbzeitsirene zum 15:12 (30.).
Die Wartburgstädter powerten nach Wiederanpfiff in Abwehr und Angriff mit viel Leidenschaft weiter. Grgic hämmerte zum 17:13 (35.) ein. Mit Einzelaktionen kam Gäste-Torjäger Zvonimir Bilic zum Torerfolg. Ein Großteil seiner Kollegen bevorzugte jedoch das brave, ja schüchterne Handballspiel, vom Herzblut der Eisenacher Mannschaft, vom Geräuschpegel in der Halle schier eingeschüchtert. Doch sie rafften sich, angespornt durch die Leistung ihres Schlussmannes Valter Matosevic, zum 19:19 Ausgleich auf (Rasmussen, 43.). Eine spannungsgeladene Schlussviertelstunde war eingeläutet. Zvonimir Bilic ließ die Gäste bis zum Schluss auf einen Punkt hoffen. Eisenachs Kapitän Karsten Wöhler zeigte sich in der Schlussphase nervenstark vom Punkt, überwand Matosevic zum 26:25 (54.).
Knackpunkt dann sicherlich die 56.Minute: ThSV-Keeper Dragan Jerkovic parierte beim Stand von 26:25 einen Siebenmeter von Zvonimr Bilic, verwehrte im Stil eines Teufelskerls auch dem Nachwurf den Weg ins Tor. Doch auch ein Grgic-Ball fand auf der Gegenseite nicht den Weg ins Netz. Wieder war Jerkovic zur Stelle, um den hauchdünnen Vorsprung gegen Christian Köhrmann zu retten. Evars Klesniks setzte aus der zweiten Reihe zum Wurf an – und traf zum 27:25 (57.). Die stimmgewaltige Anhängerschar feuerte stehend ihre Mannschaft an.
Doch Eisenach musste noch bangen. Oliver Köhrmann markierte nach Regelwidrigkeit an Bilic vom Punkt den erneuten Anschlusstreffer (27:26, 59.). Eisenachs Sehovic brachte den Ball nicht am Gästeschlussmann vorbei. Doch für Gylfi Gyflason war bei Dragan Jerkovic Endstation, die Ausgleichschance vertan. Clever sicherte Eisenach den Ball, brachte Rechtsaußen Ronny Göhl in Wurfposition, der zum 28:26 Endstand traf. Der Abpfiff der Unparteiischen Graf/Mahlich ging im grenzenlosen Jubel über den ersten Saisonsieg unter…..

STATISTIK:
ThSV Eisenach: Jerkovic (1.-48., 54.-60./13 Paraden), Lehmann (48.-54./keine Parade); Wöhler 6/4), Vilaniskis (n.e.), Urban (n.e.), Ameddah (n.e.), Bitterlich, Klesniks (6), Grgic (8), Göhl (3), Augensen (1), Karbe, Sehovic (4)
Wilhelmshavener HV: Matosevoc (1.-24., 31.-60./ 10 Paraden), Weiner (24.-30./ 1 Parade); Groß, Fegter (3), Kirschke, Bilic (6), Beers (2), Rasmussen (4), Vasilakis (1), C. Köhrmann (3), O.Köhrmann (3/2), Gylfason (3), Frackowiak (1)
Schiedsrichter: Graf/Mahlich (Coswig/Stendal)
Zuschauer: 2150
Zeitstrafen: Eisenach 8 Minuten (Göhl 2 x 2 Min., Klesniks u. Grgic je 1 x 2 Min.)
Wilhelmshaven 10 Minuten (Beeers 2 x 2 Min., Kirschke, Bilic u. O. Köhrmann
je 1 x 2 Min.)
Siebenmeter: Eisenach 7/4 (Wöhler verwandelt 4 mal gegen Matosevic/ Wöhler scheitert
2 mal, Grgic 1 mal an Matosevic)
Wilhelmshaven 5/2 (O. Köhrmann verwandelt 2 mal gegen Jerkovic/ Bilic
scheitert 2 mal, O.Köhrmann 1 mal an Jerkovic)
Beste Spieler: Grgic, Jerkovic – Matosevic, Bilic

TRAINERSTIMMEN:
Peter Rost (Eisenach):
Meine Mannschaft bewies trotz fünf siegloser Spiele viel Mumm, hat zugepackt. Mit unserer Taktik, die gefährlichen Bilic und Köhrmann in Sonderbewachung zu nehmen, wollten wir Wilhelmshaven vor eine neue Situation stellen. Das ging auf. Phasenweise haben wir auch nach vorn guten Handball gezeigt. In der Schlussphase hatten wir mit Jerkovic den stärkeren Schlussmann.

Jürgen Carstens:
Eisenachs mutige Taktik führte zum Erfolg. Eisenach war mit mehr Herzblut bei der Sache, wollte unbedingt gewinnen. Gegen Eisenachs taktischen Schachzug fanden unsere hochbezahlten Profis kein Mittel. Das war ein Armutszeugnis für eine Mannschaft, die den Anspruch erhebt, nichts mit dem Abstieg zu tun haben zu wollen.

KLARHEIT IM KOPF FÜHRTE ZUR KLARHEIT AUF DEM PARKETT?
Die Grünschnäbel des ThSV Eisenach hatten in den vorherigen Begegnungen sich sehr achtbar aus der Affäre gezogen, auch gegen die Meisterschaftsanwärter Hamburg und Flensburg recht ordentlich mitgehalten. Aber in Pfullingen und zuletzt in Gummersbach schienen sie Angst vor der eigenen Courage zu haben. Es fehlte Selbstvertrauen, um die Früchte der Arbeit auch zu ernten. Die „Rasselbande“ brachte sich durch Unkonzentriertheiten um mögliche Punkte.
Da griffen die Verantwortlichen auf ein bereits in der Vergangenheit erfolgreich praktiziertes Mittel zurück. Mentaltrainerin Edeltraud Lohscheider trat wieder auf den Plan. Vor zwei Jahren war sie erstmals im Einsatz. Nach einer Heimniederlage nahm sie die ThSV-Aktiven damals unter ihre Fittiche. Am Wochenende folgte dann in Schwerin ein 29:19 Sieg!
Drei Tage zogen sich Mannschaft sowie mit Günter Oßwald der Aufsichtsratschef und mit Barbara Schwabenthal die Geschäftsführerin der ThSV-Marketing GmbH in der vergangenen Woche in das Hotel „Glockenhof“ zurück. Statt Training auf dem Parkett der Werner-Aßmann-Halle standen Konzentrationsübungen über einen längeren Zeitraum auf dem Programm. Alle mussten ruhig sitzen. „Viele Sachen werden nun einmal im Kopf entschieden. Unser Mentaltraining fruchtete erneut“, freute sich ThSV-Cheftrainer Peter Rost über den gelungenen Coup. Mancher „Experte“ hatte die Aktion vorab belächelt. Der 28:26 Sieg, der erste Saisonsieg. gab den ThSV-Machern recht….!

TRAINER CARSTENS STINKSAUER
Wenn eine Mannschaft, die mit dem Abstieg nichts zu tun haben, stattdessen im gesicherten Mittelfeld einkommen will, zu einem bis dato punktlosen Tabellenkellerkind fährt, müsste ein Sieg die Marschrichtung sein. Doch Wilhelmshaven hatte die Rechnung ohne den Wirt, ohne den ThSV Eisenach gemacht. Mit einem taktischen Schachzug hebelten sie das Konzept der Norddeutschen völlig aus. Und darüber war WHV-Coach Jürgen Carstens stinksauer. Seine Deckung gab er das Prädikat „grottenschlecht“, die in „Tu-mir-nichts“-Art gestanden, alle sich auf Schlussmann Valter Matosevich verlassen hätten. Zu bieder, zu brav. Seine hochbezahlten Profis wären nicht in der Lage gewesen, durch den Taktik-Coup der Eisenacher, eine 4:4 Situation zu lösen. „Das war einer Bundesligamannschaft unwürdig. Die Spieler waren nicht in der Lage, sich beim eigenen Schopf aus dem Schlamassel zu befreien. Das war eine Bankrotterklärung hochbezahlter Profis“, wetterte Jürgen Carstens. Die Leidenschaft des stets hochgradig engagierten WHV-Trainers fand zumindest an diesem Tag bei seinen Schützlingen keine Fortsetzung.

Anzeige