ThSV: Nach 1. Saisonauswärtssieg wieder Hoffnung

Jeder Serie geht einmal zu Ende, selbst die schwärzeste. Im gesamten Saisonverlauf konnte der ThSV Eisenach des Gegners Parkett nie als Sieger verlassen – bis zum Freitag. Mit einem auch in dieser Höhe völlig verdienten 19:26 (8:12) Auswärtserfolg bei der HSG D/M Wetzlar ergriffen die Wartburgstädter den tatsächlich allerletzten Rettungszipfel in Sachen Klassenerhalt. Zwei Spieltage vor Saisonende können die Eisenacher wieder hoffen, dem verflixten siebten Jahr in Deutschlands Eliteliga ein weiteres folgen zu lassen. „Ich hätte nicht gedacht, dass meine Mannschaft über 60 Minuten die taktischen Vorgaben so vorzüglich umsetzt“, erklärte ein freudestrahlender ThSV-Coach Zlatko Feric. Mit dem spürbar größeren Siegeswillen und Zielstrebigkeit kontrollierten die Thüringer Spiel und Gegner. „In den vergangenen drei Jahren hat uns noch nie ein Gast so vorgeführt“, zeigte sich Wetzlars Trainer Velimir Petkovic bei seinem Abschied enttäuscht. Er wechselt auf die Bank beim Ligakonkurrenten Frisch Auf Göppingen.
Am kommenden Sonntag, 16.05.04, dürfte die Werner-Aßmann-Halle im Aufeinandertreffen gegen das Gros von Europameister Deutschland, wenn der TBV Lemgo kommt, aus allen Nähten platzen. Mit dem Schwung von Dutenhofen ist selbst gegen die Stars aus Lemgo, mit den eigenen Fans im Rücken, nichts unmöglich!
Das Handballdorf Dutenhofen war schon nahezu zwei Stunden vor dem Anpfiff in Blau-Weiß getaucht. In Scharen waren sie nochmals gekommen, die treuen Fans des ThSV Eisenach. Da hielt es auch Ex-Präsident Frank Seidenzahl nicht im heimischen Garten. Hallensprecher Jürgen Hausburg vertraute seine Tankstelle seinem Personal an. Exakt zwanzig Jahre steht er bei den Heimspielen der Eisenacher Handballer am Mikrofon. „Ich möchte weiterhin die Creme des deutschen Handballs ankündigen“, lässt er keinen Zweifel an seinen Wünschen. Händeschütteln und Umarmungen gab es bereits vor dem Anpfiff. Thomas Dröge wurde von den Eisenacher Anhängern bei seinem „Comeback“ herzlich begrüßt. Der Ex-Manager, eben mit Frank Seidenzahl und Trainer Rainer Osmann einer der Architekten des kometenhaften Aufstiegs des ThSV Eisenach 1997 in die 1. Handballbundesliga und der Etablierung dort, war zu Wochenmitte als sportlicher Berater zurückgekehrt. Er soll mit seiner Fachkenntnis das ThSV-Schiff wieder in die richtige Richtung lenken.
Die Eisenacher begannen ohne ihren verletzten etatmäßigen Spielgestalter Danijel Grgic überraschenderweise mit Karsten Lehmann im Tor. Dragan Jerkovic kam wegen Leistenproblemen nur bei einem Strafwurf. Karsten Lehmann, den alle wie seinen ebenso das Eisenacher Handballtor einst hütenden Vater Rainer nur Leo rufen, lief zu großer Form auf. Er parierte allein in der ersten Halbzeit acht Bälle, meisterte selbst einen Strafwurf und zog den Gastgebern damit entscheidend den Nerv. Die Abwehr davor erwies sich im Zusammenspiel mit dem Schlussmann als Bollwerk, ließ 50 Spielminuten ganze 12 Gegentore zu, was die einheimischen Anhänger zum Verzweifeln brachte. Gintautas Vilaniskis besetzte zunächst den linken Rückraum. Youngster Stefan Kneer rückte für den 32-jährigen in die Abwehr. Vom in glänzender Spiellaune auftrumpfenden Sergio Casanova geführt legten die Gäste ein rasches 2:4 (5.Min.) vor. Doch dann schlichen sich Überhast ein. Karsten Wöhler traf nur den Pfosten, ein Kneer-Aufsetzer verfehlte den Gastgeberkasten. Evars Klesniks verhaspelte sich. Die HSG Wetzlar drehte das Blatt zum 6:4 (12.Min.). Mit Stefan Kneer auch im Angriff kam das ThSV-Spiel in Fahrt und gewann an Präzision. Der 18-jährige tankte sich zum 6:7 (16.) durch. Die Eisenacher ließen sich fortan die Führung nicht nehmen, auch wenn Ronny Göhl zwei Bälle nicht unterbrachte (18.). Mit seinem gehaltenen Siebenmeter stellte Karsten Lehmann die Weichen klar auf Eisenacher Sieg (20.). Ronny Göhl, gerade seine Zusage für zwei weitere Jahre in Eisenach gebend, zeigte beim 7:10 (24.) und in der Folge seine Qualitäten auf Rechtsaußen (insgesamt 4 Treffer). Nach einer neuerlichen Lehmann-Glanztat bediente im Gegenzug Evars Klesniks den am Kreis lauernden Havard Augensen, der zum 7:12 (28.) einlochte.
Auch nach Wiederanpfiff der umsichtig leitenden Schiedsrichter Becker/Hack aus Halberstadt dominierten die Eisenacher, ließen nichts anbrennen, leisteten sich keine Schwächeperiode, die den Kontrahenten aufbaut. Die Gastgeber gefielen sich in drucklosem Spiel vor dem Eisenacher Abwehrriegel. Evars Klesniks, mit Licht, aber auch Schatten, traf zum 11:15 (39.). Als Gintautas Vilaniskis das Leder nur ans Holz schmetterte, markierte der energisch nachsetzende Sergio Casanova mit dem 12:16 (41.) einen der Bigpoints. Nach Foul an Havard Augensen behielt der Spanier vom Punkt die Nerven zum 12:17 (13.). Wetzlars Regisseur Nebosja Golic mühte sich vergeblich. Was die ThSV-Abwehr nicht stoppen konnte, entschärfte Karsten Lehmann dahinter. Gintautas Vilaniskis hämmerte zum 12:18 (45.) und 12:20 (50.) ein. Selbst eine Manndeckung gegen Eisenachs überragenden Sergio Casanova kann den Spielfluss der Thüringer nicht stoppen. Auch im Überschwang behielten sie kühlen Kopf, ließen sich trotz der Freudengesänge der eigenen Fans nicht von ihrer Linie abbringen. Till Bitterlich sammelte Punkte hinsichtlich seiner weiteren sportlichen Zukunft mit den Treffern zum 16:23 (55.) und 18:25 (58.). Doch da lagen sich bereits alle Eisenacher jubelnd in den Armen, auf der ThSV-Bank und auf den Rängen. Da zauberte gar Karsten Wöhler, traf per Rückhandtreffer zum 18:26 (59.). Die Sporthalle Dutenhofen erlebte Heimspielatmosphäre des ThSV Eisenach – war auch nach dem Abpfiff völlig in Blau-Weiß getaucht. „Ja, er lebt noch, der ThSV“, sangen die Fans in den nächtlichen Himmel im kleinsten Handball-Erstligaort. Einigkeit herrschte unter allen Zuschauern, auch im nächsten Jahr möge es das Nachbarschaftsderby Eisenach kontra Wetzlar geben – in der 1. Handballbundesliga. Einen Schritt hierzu haben die Eisenacher getan!

STATISTIK
HSG D/M Wetzlar: Geerken, Strzelec; Viktosson (1), Brajkovic (2), Sighvatsson (4), Kestawitz (2), Monnberg (4/1), Klimpke, Kieselhorst (1), Golic (4/3), Allendörfer, Schmidt, Bepler (1)
ThSV Eisenach: Lehmann, Jerkovic (bei einem Siebenmeter); Kneer (3), Wöhler (3), Karbe (n.e.), Augensen (2), Vilaniskis (2), Ameddah (1/1), Bitterlich (2), Klesniks (3), Göhl (4), Casanova (6/2)
Siebenmeter: Wetzlar 5/4 – Eisenach 4/3
Zeitstrafen: Wetzlar 3×2 Min. – Eisenach 2×2 Min.
Schiedsrichter: Becker/Hack (Halberstadt)
Zuschauer: 1600