ThSV unterlag SC Magdeburg nur knapp

Die Rollen waren vor dem Anpfiff klar verteilt. Der auf Champions-League-Kurs befindliche gastgebende SC Magdeburg war gegen den finanziell in der Krise befindlichen ThSV Eisenach haushoch favorisiert. Letztendlich gab es auch keine Überraschung. Im 61. Aufeinandertreffen beider Teams gingen die Elbestädter als 30:28 (16:11) Sieger vom Parkett. Doch nach der Schlusssirene gab es von den 7500 Zuschauern in der Bördelandhalle ein gellendes Pfeifkonzert für das einheimische Starensemble. Die Wartburgstädter verließen erhobenen Hauptes des «Handballtempel des Ostens», wurden von den knapp 100 mitgereisten Anhängern für ihre couragierte Leistung gefeiert. Die Thüringer holten sich eine gehörige Portion Selbstvertrauen für die noch ausstehenden Punktspiele, in denen es gilt, die für den sportlichen Klassenerhalt noch erforderlichen Pluszähler zu holen. Bereits am Donnerstag, 1.Mai 2003 steigt um 18 Uhr in der Werner-Aßmann-Halle gegen das punktgleiche Team von Frisch Auf Göppingen ein wichtiges Match in Sachen Klassenerhalt. Bereits ab 14 Uhr laden der ThSV Eisenach und mehrere Autohäuser Eisenachs zu einem bunten Familiennachmittag ein.

Der SC Magdeburg, in dieser Saison ohne nationalen oder internationalen Titel, der sich im Ringen um einen Champions-Legue-Platz keinen Ausrutscher leisten darf, gab vom Anpfiff an den Ton an. Die Eisenacher ließen zunächst den an Knieproblemen laborierenden Stephan Just auf der Bank. Jonny Jensen besetzte wie in den vergangenen Spielen erneut die Kreisposition. Kapitän Martin Reuter, zuletzt wegen Rückenbeschwerden gehandicapt, begann von Beginn im linken Rückraum. Joel Abati, am Spieltag seinen 33. Geburtstag feiernd, zeigte sich auf Magdeburger Seite äußerst tatendurstig und torgefährlich (9 Treffer). Per Strafwurf besorgte er das 3:1 (4.). Die Eisenacher ließen sich von eigenen Unzulänglichkeiten (Stürmerfouls) nicht beeindrucken. Gestützt auf einen gegen Nenad Perunicic, Sigfus Sigurdsson und Stefan Kretzschmar in der Auftaktphase blendend reagierenden Schlussmann Dragan Jerkovic erreichten die Gäste Gleichwertigkeit. Nach einer Regelwidrigkeit an Preben Vildalen überwand Oliver Behling SCM-Keeper Christian Gaudin zum 4:4 Ausgleich (10.). Die defensiv operierende 6:0 Deckung der Eisenacher schmeckte den Hausherren überhaupt nicht. Stephane Joulin öffnete Rechtsaußen die Trickkiste, ließ seinem Landsmann im Magdeburger Kasten beim Ausgleichstreffer zum 6:6 (15.) ebenso wie beim 7:7 (16.) keine Chance. Als Eisenachs Jonny Jensen einen Tempogegenstoß kaltblütig zum 7:8 (17.) abschloss, war die Zeit für den 249-fachen französischen Nationalmannschaftsschlussmann im Magdeburger Kasten an diesem Tag abgelaufen. Torsten Friedrich rückte an seine Stelle, konnte aber ebenso keine Bäume ausreißen. (Nach dem Weggang von Henning Fritz fehlt den Elbestädtern ganz einfach ein Klassemann im Tor.) Eisenachs Coach Peter Rost, einst selbst erfolgreicher Chef auf der Kommandobrücke des SC Magdeburg (Europapokalsieger), wechselte Stephan Just ein. Das Eisenacher Eigengewächs, im Sommer allerdings die Wartburgstadt nach Magdeburg verlassend, wirkte an seiner künftigen Arbeitsstätte überdreht. Im Wollen, seinen künftigen Fans etwas besonders Gutes zu zelebrieren, unterliefen ihm kapitale Abspielfehler, setzte er zu unvorbereiteten Würfen an. Die Magdeburger um Regisseur Oleg Kuleschow dankten auf ihre Weise. Joel Abati nutzte auf Perunicic-Vorlage einen Just-Fehler zum 11:9 (24.). Stefan Kretzschmar traf, von Oleg Kuleschow traumhaft in Szene gesetzt, zum 12:9 (25.), erhöhte nach einem ThSV-Zuspielfehler auf 14:10 (27.). Nach dem 15:10, wenige Sekunden später, beorderte Peter Rost seinen erfolgreichsten Torschützen im bisherigen Saisonverlauf, Stephan Just (mit 168 Treffern auf Platz 10 der Torjägerliste), wieder auf die Bank. Dort verblieb der Blondschopf dann auch bis zum Abpfiff. Der 23-jährige hat bisher viele Pluspunkte für die Eisenacher mit seiner Dynamik und Torgefahr gesichert. In Magdeburg erwischte er einen schwarzen Tag.

Nach Wiederanpfiff der schwachen Unparteiischen Caris/Foerster zeigte Sigfus Sigurdsson im SCM-Trikot seine ganze Klasse am Kreis. Er traf zum 19:12 (34.). Die Magdeburger brachten ihr Markenzeichen über Jahre, das Konterspiel, zum Tragen. Doch die Eisenacher brachen nicht zusammen. Martin Reuter und Elmar Romanesen wussten mit Torgefahr aus der 2. Reihe zu gefallen. Der ThSV-Kapitän verkürzte auf 20:16 (39.) und sorgte 4 Minuten später mit dafür, dass wenigstens einmal Derbystimmung aufkam. Nach einer Rangelei mit Steffen Stiebler beruhigten sich die Gemüter in einem zwar körperbetonten aber dennoch fairen «Ostderby» schnell. Die Schützlinge von Alfred Gislasson brachte ihre spielerische Klasse zur Geltung. Jungnationalspieler Christian Schöne, der sich mit Karsten Wöhler heiße Duelle lieferte, traf zum 26:18 (46.). Die Eisenacher behielten den Kopf oben. Jonny Jensen verzückte mit technisch gekonntem Rückhandwurf. Oliver Behling variierte vom Punkt, versenkte alle 4 Strafwürfe. Elmar Romansen (6 Tore) und Martin Reuter (5) wuchteten am verduzten Torhüter Torsten Friedrich vorbei ins Netz 26:22 (53.). Sie steckten selbst die rote Karte für den 6-fachen Torschützen Jonny Jensen weg (3. Zeitstrafe). Alexander Urban nahm dessen Position ein.
Beim Stand von 30:25 (58.) leistete sich SCM-Trainer Alfred Gislasson ein heiß diskutiertes von der eigenen Führungsetage heftig kritisiertes Experiment. Er nahm seinen Torhüter für einen zusätzlichen Feldspieler (Uwe Mäuer) vom Parkett. Statt die Überzahl zu nutzen, ballerten die Magdeburger nun wild drauf los. Der erste Versuch von Eisenachs Torhüter Dragan Jerkovic, ins verlassene Gehäuse gegenüber zu treffen, ging noch schief. Elmar Romanesen (zum 30:26) und Martin Reuter (zum 30:27) machten es besser. Beim zweiten Versuch klappte es dann auch bei Dragan Jerkovic. Er zirkelte aus dem eigenen Kreis das Leder zum 28. Eisenacher Treffer ins Netz. Das brachte viele der 7500 dann auf die Palme….

TRAINERSTIMMEN

Peter Rost (ThSV Eisenach):
Was ich von meiner Mannschaft erwartet habe, hat sie erfüllt: Mit Leidenschaft und gemeinsam Handball gespielt, um das bestmögliche Ergebnis gefightet. Hätten wir so gegen Wetzlar gespielt, wären beide Punkte in Eisenach geblieben. Unser Auftritt in der Bördelandhalle hat uns Selbstvertrauen für die anstehenden Aufgaben, vornehmlich für die Heimaufgabe am 1. Mai gegen Göppingen gegeben.
Wir haben in der 1. Halbzeit lange Zeit gut mitgehalten. Dann unterliefen uns drei leichte Fehler, die der SCM eiskalt ausnutzte. Plötzlich ging uns der Spielfaden verloren. In der 2. Halbzeit war der SC Magdeburg zwar zunächst tonangebend, doch wir erzielten dann nahezu Gleichwertigkeit. Magdeburgs taktischer Test in der Schlussphase ermöglichte uns noch eine Ergebniskorrektur. Stephan Just war heute merklich übermotiviert. Nach seiner Einwechslung fabrizierte er Fehler. Er hat uns so viele Spiele gewonnen, so dass wir auch einmal eine solche Leistung in Kauf nehmen.
Aus diesen 60 Minuten haben wir Mut geschöpft, um die noch erforderlichen Zähler zu holen, um sportlich die Erstligazugehörigkeit ohne Relegationsspiele zu sichern.

Alfred Gislason (SC Magdeburg):
Wie in den vergangenen Jahren, bei diesen sogenannten Ostderbys, war es für uns gegen den ThSV Eisenach schwer. Mit der Gesamtleistung meiner Mannschaft bin ich nicht sehr zufrieden. Wir spielten 40 Minuten ganz ordentlichen Handball, doch mit dem Einwechseln unserer jungen Spieler gab es einen Knacks. Die Youngster zeigten nicht die von mir erhoffte Leistung. Der Sieg und die zwei Pluszähler sind für den SC Magdeburg hoch verdient. Das in der Schlussphase zustande gekommene Endresultat basiert sicherlich auf der von mir probierten taktischen Maßnahme. Die Variante mit einem zusätzlichen Feldspieler hatte nichts mit Arroganz zu tun. Ich wollte probieren für Spiele, in denen dieser Schachzug vielleicht dann entscheidend sein kann. Heute ließen meine Spieler dabei allerdings die notwendige Disziplin vermissen, hauten nach Lust und Laune drauf. Daher habe ich Verständnis für die Pfiffe nach der Schlusssirene. Allerdings, wenn wir zuhause nicht hoch gewinnen, gibt es meistens Pfiffe.